Gehasst und geliebt Vor 60 Jahren wurde Fidel Castro vom Revolutionär zum Staatschef

AFP/jfk

14.2.2019

Als seine bärtigen Rebellen vor 60 Jahren siegreich in Havanna einzogen und die westliche Welt das Fürchten lehrten, war Fidel Castro gerade 32 Jahre alt. Am 16. Februar 1959 übernahm der Revolutionär auch formal das Amt des Ministerpräsidenten Kubas.

In den fast 50 Jahren seiner Herrschaft überstand der kubanische Staatschef zahlreiche Mord- und Umsturzversuche, den Kalten Krieg, den Zusammenbruch der verbündeten Sowjetunion, den Siegeszug des Neoliberalismus durch Lateinamerika und eine schwere Wirtschaftskrise. Nichts konnte seine Macht erschüttern.



Unbeschadet hat Kuba die Jahrzehnte der kommunitischen Diktatur nicht gerade überstanden. In den Anfangsjahren gab es rasche soziale Verbesserungen: Wohnungen, kostenlose Ausbildung und Gesundheitsfürsorge. Dass diese Versprechen eingelöst wurden, nennt Bert Hoffmann vom Lateinamerikainstitut der Freien Universität Berlin die «eigentliche Sensation» der Revolution.

«Sonderperiode» brachte Einbruch

Zwar verflog die Euphorie der Anfangszeit im Laufe der Zeit, aber mit einem pragmatischen Kurs habe Castro den Tropen-Sozialismus mehrfach vor dem Zusammenbruch bewahrt. Erkauft wurde die Kontinuität seiner Herrschaft allerdings mit der Unterdrückung von Kritikern und Oppositionellen. Grossgrundbesitzer und ausländische Firmen wurden enteignet, Tausende von «Konterrevolutionären» verfolgt oder aus dem Land gejagt.

Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an

házak közt ❤️

Ein Beitrag geteilt von ErikaBlog (@erikablog) am

Als Anfang der 90er Jahre die Millionensubventionen aus der verbündeten Sowjetunion ausblieben, stürzte das Land in eine tiefe Wirtschaftskrise. Das Bruttoinlandsprodukt sank innerhalb von wenigen Jahren um 38 Prozent. Die sogenannte «Sonderperiode» bedeutete für die Kubaner einen drastischen Einbruch der Lebensqualität.

Viele Lebensmittel, Medikamente oder Produkte wie Seife und Kleidung waren nicht mehr oder nur noch zu horrenden Preisen auf dem Schwarzmarkt zu erhalten. Im Sommer 1994 entflohen 35'000 Kubaner der Misere auf behelfsmässigen Flössen in Richtung US-Küste. Angesichts des drohenden Kollapses entschloss sich die kommunistische Führung Mitte 1993 zur vorsichtigen Liberalisierung und Öffnung der Wirtschaft: Der Dollarbesitz wurde freigegeben, Auslandsinvestitionen erlaubt, private Bauernmärkte und die Arbeit auf eigene Rechnung für Selbständige zugelassen.

Castro als Schiedsrichter

Vor allem dank der Deviseneinnahmen aus dem Tourismus gelang es zwar 1994 wieder, ein kleines Wirtschaftswachstum von 0,7 Prozent zu erwirtschaften, aber die Öffnung hatte auch ihre Schattenseiten: Prostitution, Korruption und eine wachsende Kluft zwischen Dollarbesitzern und denjenigen, die nur relativ wertlose Pesos ihr eigen nennen, stellten die Führung vor neue Herausforderungen und führten hinter den Kulissen zu Streit zwischen den sogenannten Wirtschafts-Technokraten und den kommunistischen Hardlinern. Als Schiedsrichter fungierte Fidel Castro.



Inzwischen sind die Zeiten kompliziert und die Enttäuschten zahlreich. Für Dissidenten wie Vladimiro Roca, Sohn des 1987 verstorbenen KP-Mitbegründers Blas Roca, steht fest: «Die Revolution ist seit langem tot». Viele ausländische Staaten sehen mit Argwohn auf Kuba, die USA setzen die Blockade fort, und auch der politische Rechtsruck auf dem lateinamerikanischen Halbkontinent macht der Regierung in Havanna zu schaffen.

Der sozialistische Karibikstaat muss den runden Jahrestag ohne den Ende 2016 verstorbenen Revolutionsführer Castro begehen. In der als Wiege der Revolution geltenden Stadt Santiago de Cuba im Osten des Landes wird sein jüngerer Bruder Raúl Castro die Rede auf dem Friedhof halten, wo der «líder maximo» begraben ist.

Abstimmung über Verfassungsentwurf

Präsident ist inzwischen der 58-jährige Miguel Díaz-Canel. Im Kurzbotschaftendienst Twitter schrieb er im Dezember 2018: «Die Revolution ist unbesiegbar, sie wächst und besteht fort», ergänzt um sein Lieblings-Hashtag #Somoscontinuidad (Wir sind Kontinuität).

Díaz-Canel kann freilich nicht verbergen, dass Kuba mit schweren wirtschaftlichen Problemen zu kämpfen hat. So wie es ist, soll es nicht bleiben. Am 24. Februar stimmt die Bevölkerung über einen Verfassungsentwurf ab, der Privateigentum, Markt und ausländische Investitionen anerkennt.

Der Text hält allerdings zugleich fest, dass Kuba «niemals» zum Kapitalismus zurückkehren wird. Ziel ist demnach eine «kommunistische» Gesellschaft, und die allein regierende Kommunistische Partei bleibt die führende Kraft. Die derzeitige Führung will sich so die Macht sichern.

«Castrismus ohne Castro»

Für den Leiter des Instituts für kubanische Studien der Internationalen Universität Florida, Jorge Duany, handelt es sich um «einen Castrismus ohne Castro». Das historische Erbe der Revolution erscheint ihm «sehr abgenutzt – sowohl politisch als auch wirtschaftlich», urteilt er.



Auch der Dissident Roca, der zwischen 1997 und 2002 inhaftiert war, sieht keine grosse Zukunft mehr für die Revolution. Er sagt voraus, dass sie «unter ihrem eigenen Gewicht verlöschen» werde. Die Jugend habe «die Nase voll» von der Revolution, ihr sage das alles nichts, und aus dem Ausland gebe es «keinerlei Unterstützung mehr».

Der Kuba-Experte Arturo Lopez-Levy, Professor an der Universität Gustavus Adolphus College im US-Bundesstaat Minnesota, erinnert hingegen daran, dass die Revolution dem seit 1962 anhaltenden Wirtschaftsembargo der USA widerstanden habe. Sie habe es verstanden, sich zu «transformieren», und ihre Fähigkeit gezeigt, sich «anzupassen», indem sie auf die Herausforderungen mit geeigneten Massnahmen reagierte.

Quadratur des Kreises

«Anpassung» ist auch heute ein Schlüsselbegriff. Díaz-Canel wird nicht müde zu betonen, dass die Hauptschlacht an der Wirtschaftsfront geschlagen wird. Das Wachstum stagniert um ein Prozent – nicht ausreichend, um die unter dem Mangel leidenden Bedürfnisse der Bevölkerung zu erfüllen.

Kuba, einst weltgrösster Zuckerproduzent, musste jüngst Zucker aus Frankreich importieren. In den vergangenen Wochen verschwanden Eier, Reis und Mehl aus den Regalen. Der krisengeschüttelte Verbündete Venezuela hat Schwierigkeiten, mit den Erdöllieferungen nachzukommen.

In diesem Zusammenhang liegt die Herausforderung für Díaz-Canel und sein Team in der Umsetzung einer widersprüchlichen Politik. Die Revolution institutionalisiert sich, die Kommunistische Partei baut eine Marktwirtschaft auf und erlaubt den Menschen, sich zu bereichern – in einer Gesellschaft, die lange Zeit egalitär sein wollte. Für Lopez-Levy liegt die Herausforderung darin, «die Quadratur des Kreises zu bewältigen, um dem Zusammenbruch zu entgehen».

Bilder des Tages
Zurück zur Startseite