Gespräche China–USA Wiederholt sich in Zürich der Eklat von Alaska?

Von Sven Hauberg

6.10.2021

Der nationale Sicherheitsberater Jake Sullivan ist zu Gesprächen mit dem chinesischen Chefdiplomaten Yang Jiechi in Zürich eingetroffen. (Archivbild)
Der nationale Sicherheitsberater Jake Sullivan ist zu Gesprächen mit dem chinesischen Chefdiplomaten Yang Jiechi in Zürich eingetroffen. (Archivbild)
AP

In Zürich kommen heute Vertreter der chinesischen und der US-Regierung zusammen. Dabei dürfte es ungemütlich werden.

Von Sven Hauberg

6.10.2021

Wenn heute in Zürich die Vertreter Chinas und der USA zu Gesprächen zusammenkommen, dürfte manch Beobachter mit Bangen an den vergangenen März zurückdenken.

Damals hatten sich erstmals der US-Aussenminister Antony Blinken und sein chinesischer Kollege Yang Jiechi getroffen, und statt sich in diplomatischen Höflichkeitsfloskeln zu ergehen, kam es in Alaska zum offenen Schlagabtausch der beiden Supermächte.

Ohne jegliche Zurückhaltung sprach Blinken die desolate Menschenrechtslage in China an und warnte davor, die Handlungen der Volksrepublik würden die internationale Stabilität gefährden.

Yang hingegen warf den USA selbst Probleme mit den Menschenrechten vor – Stichwort: Black Lives Matter – und forderte eine Aufhebung der Strafzölle gegen sein Land, die Donald Trump einst eingeführt hatte. 



Beim heutigen Treffen an der Limmat ist Antony Blinken zwar nicht dabei, die chinesische Delegation aber wird erneut von Yang Jiechi angeführt. Und auf US-Seite nimmt niemand anderes als Jake Sullivan an den Gesprächen teil, seines Zeichens nationaler Sicherheitsberater von Präsident Biden – und seinerzeit in Alaska mit Blinken am Verhandlungstisch.

Die Zeichen stehen also erneut auf Konfrontation. Und das nicht nur, weil es wieder persönlich werden könnte im Diplomatiekrieg der beiden Supermächte.

Auch die Themen, die auf dem Tisch liegen, haben es in sich.


Taiwan

Vor der Küste Taiwans brodelt es schon seit Längerem, seit einigen Tagen aber stehen die Zeichen auf Eskalation: Immer wieder sind chinesische Kampfflugzeuge in die sogenannte Air Defence Identification Zone (ADIZ) der Insel eingedrungen, mit dem offensichtlichen Ziel, die Regierung in Taipeh zu provozieren.

China betrachtet das demokratisch regierte Taiwan als abtrünnige Provinz und droht immer wieder mit einer gewaltsamen «Wiedervereinigung». Die USA hingegen unterstützen die Unabhängigkeit Taiwans bereits seit den späten 70er-Jahren mit Waffenlieferungen. Eine Politik, von der auch die aktuelle Biden-Regierung nicht abweichen wird.

Handelspolitik

Joe Biden und sein Amtsvorgänger Donald Trump mögen in vielen Dingen unterschiedlicher Meinung sein; wenn es aber um die chinesische Handelspolitik geht, schlagen beide in dieselbe Kerbe.

Auch Biden wirft Peking eine unfaire Politik vor. So verschaffe sich China etwa durch die Bevorzugung einheimischer Unternehmen sowie die Missachtung von Urheberrechten Vorteile, die zu einem Ungleichgewicht in der Handelsbilanz der beiden Länder führten.

Die unter der Trump-Regierung eingeführten Strafzölle hat Biden bislang nicht aufgehoben – ein Punkt, auf den China mit Nachdruck drängt. Peking hingegen wirft Washington seinerseits Protektionismus vor.

In den Streit über chinesische Hightech-Unternehmen kam hingegen zuletzt etwas Bewegung, als die inhaftierte Huawei-Managerin Meng Wanzhou nach einem Deal mit der US-Justiz in ihre chinesische Heimat zurückkehren konnte.

Das Misstrauen der amerikanischen Behörden gegen Netzwerkausrüster wie Huawei und ZTE bleibt dennoch bestehen, weswegen die USA chinesische Unternehmen etwa vom Ausbau des weltweiten 5G-Netzes ausschliessen wollen.

Peking weist die Vorwürfe, seine Unternehmen würden Spionage im Ausland betreiben, zurück.

Corona-Pandemie

Wer ist schuld am Ausbruch der weltweiten Corona-Pandemie? Für die USA und viele weitere Nationen ist diese Frage auch nach fast zwei Jahren noch nicht geklärt. Washington hält es weiterhin für möglich, dass das Virus aus einem chinesischen Labor stammt.

Auch werfen die USA Peking vor, wichtige Informationen zum Ursprung des Virus zu unterdrücken.

Die Volksrepublik hingegen hält an der These fest, das Coronavirus sei auf natürlichem Wege entstanden, verbreitet gleichzeitig aber immer wieder Verschwörungstheorien, die etwa dem US-Militär die Schuld für die Pandemie in die Schuhe schieben.

Xinjiang und Hongkong

Washington spricht längst von einem «Völkermord»: In der muslimisch geprägten Provinz Xinjiang hält China seit Jahren Hunderttausende Mitglieder der Minderheit der Uiguren in Umerziehungslagern gefangen. Peking spricht hingegen von Schulungsmassnahmen, die freiwillig seien.

Erkenntnisse von Menschenrechtlern stützen hingegen die Vermutung, China gehe gezielt und auch mit Gewalt gegen die muslimische Minderheit vor, um ihre Kultur und Traditionen zu zerstören.

In Hongkong wiederum geht die Regierung in Peking seit Längerem mit Gewalt gegen die dortige Demokratiebewegung vor. Aktivisten sitzen in Haft, ein sogenanntes «Sicherheitsgesetz» soll jegliche Demonstrationen für mehr Freiheiten im Keim ersticken.

Washington reagierte mit Sanktionen auf das Vorgehen Pekings. Hongkong war bis 1997 britische Kolonie und sollte nach der Rückgabe an Peking eigentlich für 50 Jahre nach demokratischen Grundsätzen regiert werden.

Südchinesisches Meer

Peking betrachtet das Südchinesische Meer als Teil seines eigenen Territoriums. Durch den Bau von Stützpunkten auf mehreren unbewohnten Inseln hat China in den letzten Jahren Fakten geschaffen, die aber weder von den USA noch von der internationalen Gemeinschaft anerkannt werden.

Washington pocht auf das Recht, diese internationalen Gewässer frei befahren zu können; ausserdem wird der Anspruch Pekings auf das Südchinesische Meer als Beginn einer möglichen geopolitischen Expansionspolitik eines zunehmend selbstbewussten Chinas gesehen.