In ARD-TalkshowWagenknecht holt zum Rundumschlag aus – von Selbstkritik will sie lieber nichts wissen
Sven Ziegler
30.4.2025
BSW-Gründerin Sahra Wagenknecht erlitt eine Wahlschlappe. (Archivbild)
Michael Kappeler/dpa
Sahra Wagenknecht zeigt sich nach dem verpassten Bundestagseinzug kämpferisch. Bei «Maischberger» verteidigt sie ihren umstrittenen Führungsstil und greift stattdessen die Thüringer Landeschefin Katja Wolf frontal an.
Sahra Wagenknecht gibt sich nach der Bundestagswahl kämpferisch, übernimmt aber keine persönliche Verantwortung – stattdessen greift sie die Thüringer Landeschefin Katja Wolf frontal an.
In der ARD-Talkshow «Maischberger» verteidigt Wagenknecht ihren autoritären Führungsstil als notwendig fürs Parteiprofil und kündigt strukturelle Reformen samt Namensänderung an.
Im BSW mehren sich die internen Konflikte – Parteiaustritte, Kritik am Führungsstil und personelle Grabenkämpfe belasten das junge Bündnis zunehmend.
Nur 9500 Stimmen haben dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) gefehlt, um bei der Bundestagswahl die Fünf-Prozent-Hürde zu knacken. Der Einzug ins Parlament misslang denkbar knapp – doch die Schuldfrage ist innerhalb der Partei längst zum offenen Konflikt geworden. In der ARD-Talkshow «Maischberger» zeigte sich Wagenknecht entschlossen, ihr politisches Projekt weiterzuführen – und nutzte die Bühne, um eine klare Schuldige für das enttäuschende Ergebnis zu benennen: die Thüringer BSW-Landesvorsitzende Katja Wolf.
Wagenknecht, die sich zum ersten Mal seit der Wahl wieder öffentlich in einer Talkrunde zeigte, gab zwar zu, dass es im Wahlkampf Fehler gegeben habe.
Persönliche Verantwortung übernehmen wollte sie dafür aber nicht. Stattdessen verwies sie auf «Fehler, die man eben mache, wenn man eine neue Partei gründet». Konkrete eigene Fehlentscheidungen nannte sie nicht – stattdessen rückte sie das Verhalten einzelner Landesverbände in den Fokus, insbesondere das in Thüringen.
Kritik an Wolf
Dort war Katja Wolf, ehemalige Oberbürgermeisterin von Eisenach und derzeitige Finanzministerin in der sogenannten Brombeerkoalition, am Wochenende als Landesvorsitzende des BSW bestätigt worden – trotz ausdrücklicher Gegenkandidatur, die der Bundesvorstand um Wagenknecht lanciert hatte. Ziel der Intervention: ein personeller Wechsel, um – so Wagenknecht – die Regierungsarbeit in Thüringen kritischer zu begleiten.
Wolf sei zu regierungstreu, so der Vorwurf, und habe zentrale Wahlversprechen in den Koalitionsverhandlungen nicht ausreichend vertreten. Wagenknecht beklagt: «Wir haben leider sehr viele Wähler enttäuscht. Wir haben jeden zweiten verloren auf dem Weg zur Bundestagswahl.»
Katja Wolf setzte sich in einer Kampfkandidatur um den Thüringer Parteivorsitz durch
Jacob Schröter/dpa
Insbesondere bei Themen wie Migration, dem Bau von Windrädern im Wald oder kostenlosen Schul- und Kitamahlzeiten habe man in Thüringen zu wenig geliefert, kritisiert Wagenknecht.
Auch mit der Aufarbeitung der Corona-Zeit sei sie unzufrieden – einzig beim Thema Friedenspolitik lobt sie das Abstimmungsverhalten Thüringens im Bundesrat: Dort habe man sich bei der Verabschiedung des grossen Aufrüstungspakets enthalten. «Andere Länder haben zugestimmt.»
Wagenknecht liess keinen Zweifel daran, dass sie Katja Wolf am liebsten aus dem Amt entfernt hätte – doch der Landesparteitag entschied anders. Wolfs Wiederwahl wertet Wagenknecht offenbar nicht als Vertrauensbeweis, sondern als Beleg für ein strukturelles Problem im BSW: «Das Problem bleibt», sagte sie vielsagend in der Sendung.
Von autoritärem Führungsstil will sie nichts wissen
Dabei ist Wolf nicht die einzige Kritikerin innerhalb der Partei. Auch in Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern regt sich Widerstand gegen Wagenknechts dominanten Führungsstil. In Rostock traten jüngst zwei Stadtverordnete aus dem BSW aus und kehrten zur Linkspartei zurück. Ein Déjà-vu: Schon in der Linkspartei war Wagenknecht über Jahre eine spaltende Figur. Damals legte sie sich immer wieder mit der Parteiführung an – heute sind es die eigenen Parteimitglieder, die sich gegen sie positionieren.
Den Vorwurf des autoritären Führungsstils weist Wagenknecht allerdings zurück. Im Gegenteil: Ein klarer Meinungskorridor sei für jede Partei notwendig, betonte sie bei «Maischberger». Sonst gehe das Profil verloren. Dass dieser Korridor bislang fast ausschliesslich von ihr selbst definiert wird, sieht sie offenbar nicht als Problem. «Ich möchte, dass dieses Projekt überlebt», sagt sie – und kündigt sogleich an, das Parteiprofil zu schärfen, den Eintritt zu erleichtern und sogar den Parteinamen zu ändern.
Parallel dazu will das BSW die Bundestagswahl juristisch anfechten und eine vollständige Neuauszählung der Stimmen erwirken. Wagenknecht vermutet Unregelmässigkeiten – und spricht offen von einem «Riesenwahlbetrug» durch CDU-Chef Friedrich Merz. Sollte eine Neuauszählung tatsächlich die Fünf-Prozent-Hürde erreichen lassen, wäre die schwarz-rote Bundesregierung ohne Mehrheit.
Abwärtstrend: Warum schwächelt die Wagenknecht-Partei?
Berlin, 23.11.2024: Kaum ein Jahr alt und schon am Kabinettstisch – das Bündnis Sahra Wagenknecht feiert mit der ersten Koalitionsbeteiligung einen grossen Erfolg. Nicht nur in Thüringen, auch in Brandenburg wird das BSW wohl bald mitregieren.
Doch zugleich mehren sich Alarmzeichen für die junge Partei. Drei Monate vor der Bundestagswahl sinken bundesweit ihre Umfragewerte. Das Institut Forsa sah das BSW zuletzt bei nur noch 4 Prozent, genau halb so viel wie Anfang Juli.
Die Parteigründerin hält dagegen.
Wagenknecht erklärt:
«Es ist nichts Neues, dass mit Umfragen Politik gemacht wird. Dass Forsa uns pünktlich zum Start des Bundestagswahlkampfs miese Werte gibt, überrascht mich nicht.»
In anderen Umfragen stehe das BSW bundesweit bei 6 bis 8 Prozent.
Wagenknecht selbst sagt zum Formtief: «Ein wichtiger Grund war, dass es über die Regierungsbildung in Thüringen zu einem öffentlichen Konflikt kam.» Ende Oktober rügte die Parteigründerin ein Sondierungspapier, das ihre Unterhändlerin Katja Wolf mit CDU und SPD vereinbart hatte.