Containerstau in China Auch die Schweiz muss mit Waren-Engpässen rechnen

tmxh / SDA / AFP

3.7.2021

Der Betrieb am chinesischen Hafen Yantian läuft wieder. Zehntausende Container stauen sich jedoch noch. (Archivbild)
Der Betrieb am chinesischen Hafen Yantian läuft wieder. Zehntausende Container stauen sich jedoch noch. (Archivbild)
Xie Feng/VCG via Getty Images

Nach der coronabedingten Teilschliessung ist der chinesische Hafen Yantian wieder geöffnet – doch noch immer stauen sich Zehntausende Container. Die Folgen auf die Weltwirtschaft könnten noch lange spürbar sein. Experten befürchten auch Liefer-Engpässe in der Schweiz.

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3.7.2021

Erst im März erschütterte die Blockade des Suezkanals die Weltwirtschaft. Globale Handelsketten waren plötzlich unterbrochen, weil sich ein Containerschiff festgefahren hatte. Nach sechs Tagen konnte die «Ever Given» befreit werden. Inzwischen wird der Suez-Zwischenfall jedoch von den Ereignissen in Südchina übertroffen: Nach der pandemiebedingten Teilschliessung des Hafens Yantian nahe der Metropole Shenzhen stauen sich dort auch nach Wochen noch Zehntausende Container. 



Wegen eines Corona-Ausbruchs unter Dockarbeitern war der Betrieb am grössten Containerterminal Chinas im Mai stark eingeschränkt worden. Zwar ist der Yantian-Hafen seit vergangenem Donnerstag wieder vollständig geöffnet. Aktuell stecken jedoch noch immer rund 160'000 Schiffscontainer fest, wie «20 Minuten» berichtet.

«Die Anzahl wartender Containerschiffe im chinesischen Perlflussdelta nimmt rasant zu», hatte das deutsche Institut für Weltwirtschaft (IfW) in der vergangenen Woche mitgeteilt. In den letzten vier Wochen habe der Hafen Yantian «nur gut 40 Prozent der üblichen Containermenge verschifft. Auch den Hafen von Shenzhen verlassen weniger Container als üblich», so das IfW. Laut CNN Business hätten grosse Transportunternehmen wie Hapag-Lloyd oder MSC ihre Frachtpreise zwischen Asien und Nordamerika sowie Europa stark nach oben korrigiert. 

Auswirkungen bis Jahresende

Zahlreiche Reedereien mussten ihre Schiffe über andere Häfen umleiten. Die weltgrösste Reederei Maersk liess verlauten, dass die verursachten Umleitungen zu anderen Häfen wiederum dort zu steigende Wartezeiten führen könne: «Die derzeitige durchschnittliche Wartezeit in Shekou, Nansha und Hongkong liegt zwischen zwei bis vier Tagen, aber da immer mehr Reedereien Yantian auslassen, wird diese Zahl voraussichtlich steigen.»

Weil diesmal die Handelswege Chinas nach Europa, Asien und in die USA zugleich betroffen sind, gilt der Stau in der Schifffahrtsindustrie inzwischen als grösseres Problem als der einwöchige Stau am Suezkanal. Für die international verzahnten Lieferketten und den weltweiten Handel bedeutet er eine erneute Belastungsprobe.



Experten gehen laut CNN Business davon aus, dass die Auswirkungen bis Jahresende zu spüren sein könnten – und vielleicht sogar «das Weihnachts-Shopping verderben». Betroffen sind schliesslich die meisten Händler, Warenhäuser und Produktgruppen. Weil die Waren nun umgeleitet werden müssen, werden Lieferengpässe auch in der Schweiz erwartet. 

«Störungen des Welthandels können sich auf die Wirtschaftsaktivität von Unternehmen in der Schweiz auswirken, vor allem im Fall länger andauernder Schwierigkeiten», teil das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) auf Anfrage von «blue News» mit. Das Seco hat jedoch keine Informationen darüber, welche Händler und Waren besonders betroffen sind.

Exporte aus der Schweiz gelangten wertmässig zu 81 Prozent über den Luftverkehr nach China. Import würden hingegen zu 80 Prozent über den Strassen-, Bahn- oder Schiffverkehr eingeführt, heisst es aus dem Seco, aber: «Leider verfügen wir über keine Details zur Bedeutung des Hafens von Yantian für diese und andere Warenflüsse.»

Engpässe auch hierzulande zu spüren

Hiesige Detailhändler bekommen die Auswirkungen des gigantischen Containerstaus bereits zu spüren: Wie «20 Minuten» berichtet, soll Jumbo bereits Engpässe bei Holz und Garten-Lounges vermelden, bei Veloplus seien demnach Mountainbikes, Gravelbikes sowie Alltags- und Tourenvelos betroffen. 

Brack vermutet der Zeitung zufolge, dass die hohen Frachtkosten zu höheren Preisen im Shop führen könnten. Sichere Aussagen über die Verfügbarkeit eines Produkts liessen sich allerdings kaum treffen, heisst es auf Anfrage von «blue News» weiter. Bei einigen Produkten könne es zu Lieferengpässen kommen, vor allem, wenn es keine alternativen Lieferrouten oder Lieferanten gäbe.

«Wir spüren die Auswirkungen, der Aufwand ist derzeit sehr gross», teilt gegenüber «blue News» auch Alexander Beuntker mit, Lieferkettenchef bei Manor. «Wir routen sehr viel Ware um in China», das bedeutet: Man nutze  kleinere Häfen, um die Ware mit kleineren Schiffen aus dem Land zu und von dort in Grosshäfen wie Singapur zu bringen, so Beuntker. Eilige Ware transportiere man per Luftfracht.

Aktuell fehle bei Manor keine Ware, «aber die Verzögerungen werden sich im Saisonwechsel, vor allem bei Bekleidung, mitunter bemerkbar machen». Im Sortimentsbereich würden «alternative Lieferanten geprüft», so Beuntker. In der Regel sei es «allerdings so, dass wir die Ware vor einiger Zeit geordert haben und in der Kürze der Zeit nur im Transportbereich reagieren können».

Folgen der Pandemie wirken nach

Noch immer wirken in den chinesischen Häfen die Folgen der Corona-Pandemie nach, die zu teils chaotischen Situationen im Frachtgeschäft führten – etwa indem nach dem zeitweiligen Einbruch des Welthandels vielfach Container fehlten, die in den falschen Häfen gestrandet waren.



Die Lage am Yantian-Hafen verschärft diese Probleme. «Es war schon schwierig, vorher Container zu finden», sagte Alfred Wong, Chef der Firma D&S Products Manufactory, die in Shenzhen Güter produziert, zur Nachrichtenagentur AFP. Nun sei die Situation «noch beängstigender» geworden.

2020 waren am Yantian-Hafen rund 13,3 Millionen 20-Fuss-Standardcontainer für den Aussenhandel umgeschlagen worden. Nach Angaben des japanischen Finanzunternehmens Nomura macht das mehr als 10 Prozent des chinesischen Containerumschlags im Aussenhandel aus. Die gegenwärtigen Einbussen seien dabei allerdings vorübergehend – und würden nach den Störungen wieder aufgeholt.