Late Night USA Warum immer nur die alten, untreuen Grüsel über Werte lamentieren

Von Philipp Dahm

27.4.2021

«Bye Bye Burgers»: Fox hält dem Fleisch die Stange.
«Bye Bye Burgers»: Fox hält dem Fleisch die Stange.
Screenshot: YouTube

Es gibt Beef zwischen Republikanern und Demokraten – denn Joe Biden will den Amerikanern scheinbar die Burger verbieten. «Entsetzt» ist auch so mancher, weil «traditionelle Werte» verloren gehen. Angeblich.

Von Philipp Dahm

27.4.2021

Empörung beim Sender Fox. «Wenn Sie Bidens Klima-Pläne unterstützen, können Sie sich von Ihrem Burger verabschieden», heisst es da. «Forscher sagen, man müsste 90 Prozent des roten Fleisches vom Speiseplan streichen.» Ein Kollege attestiert im nächsten Ausschnitt: «Das ist nur ein Burger pro Monat.»

Bei «Fox & Friends» tönt einer der Moderatoren: «Nur zwei Kilogramm im Jahr? Das ist mein wöchentlicher Verbrauch, Minimum.» Und auch bei «Fox Business» warnt Larry Kudlow: «Keine Burger am Nationalfeiertag. Keine Steaks beim Barbecue. Kann man Rosenkohl eigentlich grillieren? Macht euch bereit: Ihr könnt ein pflanzliches Bier zu eurem grillierten Rosenkohl trinken und die amerikanische Fahne schwenken.»

Rosenkohl ersetzt nun den guten alten Bratling, warnt Larry Kudlow.
Rosenkohl ersetzt nun den guten alten Bratling, warnt Larry Kudlow.
Screenshot: YouTube

Na klar, Amerika muss am 4. Juli pflanzliches Bier trinken, grinst Seth Meyers in seiner «Late Night»-Show – im Gegensatz zum «fleischbasierten Bier», greift Meyers auf und ätzt: «Larry Kudlow ist ein dummer Mensch, aber na ja, wenigstens ist er harmlos, oder? Welchen Job hatte er noch mal in der Trump-Administration? Direktor des Nationalen Wirtschaftsforums? Shit, das ist nicht gut.»

Wie aus Spekulationen Verschwörungstheorien werden

Dass jene Verschwörungstheorie nicht auf Fakten beruht, könne nicht überraschen. Die Überlieferung der Information ist tatsächlich denkwürdig: Die University of Michigan hat untersucht, welche Auswirkungen der Konsum von rotem Fleisch aufs Klima hat. Joe Biden hat ehrgeizige Klima-Ziele angekündigt.

Die britische Daily Mail wiederum, nicht gerade für ihre Seriosität bekannt, spekuliert, mit welchen Massnahmen der US-Präsident die Ziele erreichen will. Fertig ist die Mär vom Fleisch-Verbot, die dankbar in die Medienwelt hinausgetragen wird, um politische Stimmung zu machen – wie die Abgeordnete Lauren Boebert oder Donald Trump Jr..

Auch an anderer Front tobt der Klassenkampf. Der Grund: Biden hat einen Erlass von Ex-Aussenminister Mike Pompeo zurückgenommen, der es US-Botschaften untersagt hat, die Regenbogen-Fahne zu hissen. Das macht den Republikaner Newt Grinrich mächtig wütend.

Das Kreuz mit der Tradition

Seinem Ärger macht der 77-Jährige in der Fox-Sendung «Justice» Luft – zu sehen nach 4:03 Minuten. Grinrich zählt «die ganzen idiotischen Dinge» der ersten 100-Biden-Tage auf: «Die Bedrohung all derer ist, die an [die Waffenfreiheit] und das Recht auf Leben glauben oder die Angriffe auf Leute mit traditionellen Werten, die entsetzt sind, dass diese Administration die Regenbogen-Flaggen über Botschaften in aller Welt wehen lässt.»

Meyers bringt das in Fahrt: «Das sind dann wohl dieselben traditionellen Amerikaner, die den dreifach verheirateten Ehebrecher unterstützt haben, der eine Affäre mit einem Pornosternchen hatte und denkt, dass die Bibel ein Buch über zwei Typen ist, die Korinther heissen.» Überflüssig zu erwähnen, dass «Late Night» ein Bild von Trump einblendet.

«Remember that story?» Seth Meyers legt den Finger in die Fleischwunde.
«Remember that story?» Seth Meyers legt den Finger in die Fleischwunde.
Screenshot: YouTube

Doch auch Gringrich selbst ist nicht ohne Fehl und Tadel. «Vielleicht sollte der Typ, der diverse Affären hatte, von denen eine zu seinem Rücktritt als Sprecher des Repräsentantenhauses führte, seine Zunge hüten, wenn es um sogenannte traditionelle Werte geht. Warum sind es eigentlich immer die alten, untreuen Grüsel, die über den Niedergang der traditionellen Werte lamentieren?»

«What's next?»

Die Trumpisten leben nicht in der Realität, meint Meyers: Während die Pandemie grassiert, die Wirtschaft am Boden liege und die Armut ansteige, würden sie sich bloss um Botschaftsflaggen und fiktionale Fleisch-Verbote sorgen. «What's next? Wird die Antifa euch zwingen, den Corona-Impfstoff zu nehmen, damit Bill Gates euch einen Chip implantieren kann, der überwacht, wie viele Hamburger ihr esst?»

Das Erschütternde ist: Meyers übertreibt nur unwesentlich, wie der Clip ab 6:43 Minuten zeigt. Da redet sich der republikanische Senator Ron Johnson um Kopf und Kragen, als es um die Corona-Impfung geht, denn das Impfen macht ihn «hochgradig misstrauisch». Nach Protesten legte Johnson nach, er sei nur um Transparenz in der Sache bemüht und wolle Informationen weiterreichen. 

Senator Ron Johnson: Was kümmert eigentlich die Geimpften, ob man sich impft?
Senator Ron Johnson: Was kümmert eigentlich die Geimpften, ob man sich impft?
Screenshot: YouTube

«Aber das ist nicht, was du tust», nervt sich der Moderator. «Stattdessen bist du einer dieser zynischen ‹Ich stelle nur Fragen›-Typen. Jene Typen, die gestörte Lügen bloss andeuten, um wilde Verschwörungstheorien bei ihrer paranoiden Basis zu verbreiten und politisch zu punkten, es aber auf die feigste Art tun – in dem sie nur ‹Fragen stellen›.»

Doof bei der Basis punkten

Dabei würden alle Studien und Erfahrungen zeigen, dass die Impfstoffe sicher sind, während gleichzeitig nun vermehrt Jüngere in die Spitäler kommen. «Aber ich sollte Ihnen das gar nicht erklären», sagt der 47-Jährige. «Ich bin nur ein Late-Night-Host. Dass bisschen Wissenschaft, das ich kenne, habe ich aus den ‹Jurassic Park›-Filmen, [Glückskeksen] und vorherigen Sendungen zusammengebastelt.»

Late Night USA – Amerika verstehen
blue News

50 Staaten, 330 Millionen Menschen und noch mehr Meinungen: Wie soll man «Amerika verstehen»? Wer den Überblick behalten will, ohne dabei aufzulaufen, braucht einen Leuchtturm. Die Late-Night-Stars bieten eine der besten Navigationshilfen: Sie sind die perfekten Lotsen, die unbarmherzig Untiefen bei Land und Leuten benennen, und dienen unserem Autor Philipp Dahm als Komik-Kompass für die Befindlichkeit der amerikanischen Seele.

Ron Johnson hat nach dem Sturm aufs Kapitol übrigens auch verbreitet, die Störer hätten sich bloss als Trump-Anhänger verkleidet – was Meyers direkt zu Kevin McCarthy führt. Der Anführer der Republikaner im US-Senat will den Kapitol-Sturm nur dann aufarbeiten, wenn die Untersuchung auch die Black-Lives-Matter-Bewegung und die Antifa einschliesse.

«Wir sollten das alles angucken», sagt McCarthy ab Minute 10:09 im Fox-Interview. Meyers kontert: «Du kannst nicht einfach eine Kommission über eine Revolte nehmen, einen sehr erschreckenden und spezifischen Moment in der Geschichte dieses Landes, und sie sich um das kümmern lassen, was auch immer du willst, um doof bei deiner Basis zu punkten.»

McCarthy: Plötzlich diskret

McCarthy ist es auch, der Donald Trump am 6. Januar vom Sturm aufs Kapitol erzählt haben will. Der Ex-Präsident soll geantwortet haben, dass jene Leute wohl aufgeregter seien wegen des angeblichen Wahlbetrugs als McCarthy selbst. «Ist es das, was Präsident Trump Ihnen gesagt hat?», fragt Fox-Moderator Chris Wallace ab Minute 13:11 nach.

Kevin McCarthy bezeugt Trumps Unwissen – in Sachen Sturm aufs Kapitol.
Kevin McCarthy bezeugt Trumps Unwissen – in Sachen Sturm aufs Kapitol.
Screenshot: YouTube

«Als ich mit Präsident Trump gesprochen habe, war ich der Erste, der ihn kontaktiert hat, als der Aufstand losging. Er hat es nicht gesehen», weicht der Republikaner aus. Er habe ihm dann gesagt, er werde etwas veröffentlichen, das beruhigen werde. «Und das hat er getan, er hat später ein Video rausgebracht.»

«Es war sehr viel später», kontert Wallace, «und es war ein sehr schwaches Video. Ich frage Sie direkt: Hat er das zu Ihnen gesagt?» McCarthy: «Meine Gespräche mit dem Präsidenten sind meine Gespräche mit dem Präsidenten.» Meyers ist das zu doof: «Es kann nicht sein, dass Trump nicht wusste, was los war, bis McCarthy ihn angerufen hat», sagt der Late-Night-Host mit Verweis auf Berichte, Trump habe alles im TV mitverfolgt.

Donald Trump ist nun zwar nicht mehr Präsident, aber sein Einfluss auf die Republikaner ist nach wie vor sehr gross, wie sich dieser Tage in Washington zeigt.