Experte ordnet Konklave ein Warum Trump vor dieser Papstwahl besonders zittern sollte

Petar Marjanović

7.5.2025

Bald weisser Rauch? Kardinäle treffen sich zu letzter Vorbesprechung

Bald weisser Rauch? Kardinäle treffen sich zu letzter Vorbesprechung

Rom, 06.05.2025: Es ist die letzte Vorbesprechung in grosser Runde: In Rom beraten die Kardinäle vor dem Konklave über die Papstwahl. Bald werden sie von der Aussenwelt abgeschnitten. In der «Generalkongregation» dürfen noch einmal alle Kardinäle dabei sein. Im Konklave, das dann am Mittwoch in der Sixtinischen Kapelle beginnt, sind dann nur noch die Kardinäle unter 80 Jahren zugelassen. Aller Voraussicht nach werden 133 katholische Würdenträger aus aller Welt daran teilnehmen – die inzwischen alle in Rom sind. Wer wird also der neue Papst? Bei der Frage halten sich die Kardinäle noch sehr bedeckt. Die Entscheidung könnte aber noch in dieser Woche fallen: In der jüngeren Vergangenheit waren die Konklaven meist nach zwei oder drei Tagen vorbei.

07.05.2025

Massimo Faggioli ist Historiker und eine akademische Koryphäe auf dem Gebiet der katholischen Kirche und Weltpolitik. Er erklärt, was die kommende Papstwahl für Trump, den Westen und den Globalen Süden bedeutet.

Petar Marjanović

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Die katholische Kirche ist weltweit tief gespalten – und das auf sehr unterschiedliche Weise.
  • Die Papstwahl wird zeigen, wie stark der Globale Süden die Kirche und die Welt prägen wird.
  • Ein renommierter Kirchenexperte erklärt, was für ein Papst eine Gefahr oder eine Chance für Donald Trump und Co. werden könnte.

Massimo Faggioli, kurz bevor wir Sie fürs Interview erreichten, erklärte uns der deutsche Theologe Thomas Schüller: Die katholische Kirche sei so stark zersplittert wie schon lange nicht mehr. Wie sehen Sie das als Historiker?

Die Kirche ist tatsächlich in vielen Bereichen gespalten, aber wir sollten vorsichtig sein: Die Gründe dafür sind je nach Land verschieden. In den USA und generell im Westen drehen sich die Konflikte hauptsächlich um Themen wie Gender und Sexualität. In anderen Weltregionen gibt es jedoch ganz andere Streitpunkte, die mit der westlichen Perspektive wenig gemeinsam haben. Das erschwert es heute, die Weltkirche zusammenzuhalten und zu führen. Hier in den USA haben wir einen besonderen Fall: Wenn wir die Kirche als Landkarte betrachten, verläuft die Spaltung nahezu deckungsgleich mit den Grenzen zwischen Republikanern und Demokraten. Blicken wir hingegen nach Asien oder Afrika, sind die Trennlinien viel weniger eindeutig.

Viele Kardinäle aus den aufstrebenden Kirchen in Afrika, Asien und Lateinamerika werden oft als sehr konservativ oder sogar streng traditionell eingestuft. Ist das nur ein Klischee über diese Kirchen?

Es ist teilweise ein Klischee. Diese Kardinäle vertreten zwar konservative Ansichten zu Gender und Homosexualität, können aber bei Themen wie sozialer Gerechtigkeit, Umweltschutz und Kapitalismuskritik durchaus fortschrittlich sein. Daher greift die einfache Einteilung in liberal und konservativ hier zu kurz. Dies macht die bevorstehende Papstwahl besonders komplex, da viele Kardinäle aus Kirchen stammen, in denen Begriffe wie «liberal» oder «progressiv» ihre Haltungen zu verschiedenen Streitfragen nicht angemessen beschreiben.

«Die europäische Kirche war historisch stark von weissen Männern geprägt.»

Historiker und Theologe Massimo Faggioli

Massimo Faggioli

Historiker und Theologe

Ist «Evangelisierung» ein besseres Wort?

Ja, die Evangelisierung – also nicht nur die Missionierung, sondern auch soziales Engagement und der Einsatz für Arme – rückt zunehmend in den Mittelpunkt kirchlicher Arbeit. Das hängt damit zusammen, dass die Kirche mehr und mehr aus Gemeinden in ärmeren Regionen besteht, denen genau diese gemeinschaftliche Arbeit am Herzen liegt. Solche Gemeinden bilden auch einen Gegenpol zur europäischen Kirche, die historisch von weissen Männern geprägt wurde.

Angenommen, der nächste Papst kommt aus dem Globalen Süden. Was bedeutet das für Minderheitenrechte, Frauenrechte oder den Dialog unter den Weltreligionen?

Das hängt stark von der individuellen Person ab. Bei Themen wie Kolonialismus, Globalisierung und Umweltfragen könnten sich durchaus neue Perspektiven ergeben. Bei Themen jedoch, die für Menschen im Westen besonders wichtig sind, lassen sich kaum verlässliche Vorhersagen treffen.

Welche Namen stehen bei Trump oder Vance auf der Favoritenliste?

Ich möchte keine Namen nennen. Was jedoch deutlich ist: Die politischen Akteure haben Papst Franziskus als Problem betrachtet, als jemanden, der Amerika und die westliche Welt nicht verstanden hat. Es wäre nicht überraschend, wenn sie sich einen Nachfolger wünschen, der sich grundlegend vom verstorbenen Papst Franziskus unterscheidet.

Was für ein Papst könnte für die erstarkte politische Rechte wie Donald Trump, Viktor Orbán oder Giorgia Meloni zur Herausforderung werden?

Es müsste jemand sein, der auf vielfältige Weise mit den Mächtigen kommunizieren kann. Er müsste sowohl eine prophetische Sprache beherrschen als auch diplomatisches Geschick besitzen. Der Papst müsste ein tiefes Verständnis für weltweite Entwicklungen haben und die fundamentalen Veränderungen im Westen erkennen, denn heute ist es schwer zu definieren, was «Westen» überhaupt bedeutet. Das Papstamt war stets eine herausfordernde Aufgabe. Diese Herausforderung ist noch grösser geworden, weil die internationale Ordnung, in der all diese Kardinäle aufgewachsen sind, nicht mehr existiert und sich grundlegend gewandelt hat.

Haben Sie den Film «Conclave» gesehen?

Ja.

Ohne die Handlung für die Leser zu verraten: Glauben Sie, dass dieser Film einen realistischen Einblick in das kommende Konklave gibt?

Ich fand den Film sehr gelungen. Allerdings entsprechen manche Darstellungen eher Hollywood-Fantasien als der Realität. Der tatsächliche Prozess ist deutlich komplexer.

Wo zeichnet der Film ein verzerrtes Bild vom echten Konklave?

Die Papstwahl ist ein sehr langwieriger Prozess. Sie beginnt lange bevor die Kardinäle offiziell zusammenkommen. Die Kardinäle treffen sich vorab informell an verschiedenen Orten in Rom. Das sieht man auch im Film und ist weder eine Verschwörung noch eine Erfindung von Hollywood. Diese Gespräche entwickeln sich über Tage oder sogar Wochen. Betrachtet man diese sehr bedeutende Vorlaufzeit, erscheint das eigentliche Konklave fast zweitrangig.

«Die Kardinäle treffen sich vorab informell an verschiedenen Orten in Rom. Das sieht man auch im Film.»

Historiker und Theologe Massimo Faggioli

Massimo Faggioli

Historiker und Theologe

Das Konklave wird wohl im Mai stattfinden – worüber diskutieren die Kardinäle wohl jetzt, in diesen Tagen?

Das ist die entscheidende Frage. Je nach Thema hat der eine oder andere Kandidat bessere Chancen. Ein zentrales Thema werden sicherlich die tiefgreifenden Veränderungen in den USA sein. Es ist heute schwer zu sagen, wofür die USA eigentlich stehen und welchen Weg das Land einschlagen wird. Ich selbst kann das kaum einschätzen, obwohl ich seit 17 Jahren hier lebe. Die Richtung, die Amerika einschlägt, kann sowohl die Weltgemeinschaft als auch die ganze Kirche entscheidend beeinflussen.

Die USA sind nicht überwiegend katholisch geprägt. Interessieren sich die meisten Amerikaner überhaupt für die Papstwahl?

Durchaus, denn der Vatikan steht im globalen Rampenlicht. Viele Amerikaner besuchen jedes Jahr Italien, Rom und den Vatikan. Sie mögen nicht katholisch oder überhaupt religiös sein, aber sie verfolgen aufmerksam, was im Vatikan geschieht, und die meisten haben den verstorbenen Papst Franziskus geschätzt.

Können Sie einschätzen, was die amerikanische Bevölkerung vom nächsten Papst erwartet?

Es gibt keinen typischen Amerikaner mehr – das ist genau das Problem. Nicht einmal unter katholischen Amerikanern findet sich ein einheitliches Profil. Jede Gruppe und jede kulturelle Strömung, selbst innerhalb des Katholizismus, hegt unterschiedliche Erwartungen. Konservative Katholiken wünschen sich jemanden, der klare Regeln, Ordnung und Disziplin zurückbringt. Progressive Katholiken hingegen sehnen sich nach einem Papst in der Tradition von Franziskus oder sogar einem LGBT-freundlichen, feministischen Papst – fortschrittlicher als Franziskus, der sie in Frauenfragen enttäuscht hat. Eine einheitliche amerikanische Erwartungshaltung existiert also nicht. Anders war es in Deutschland, als Papst Benedikt gewählt wurde. Damals …

«Wir sind Papst»: So titelte die «Bild»-Zeitung zur Wahl Ratzingers am 20. April 2005.
«Wir sind Papst»: So titelte die «Bild»-Zeitung zur Wahl Ratzingers am 20. April 2005.
PD/Commons

… waren die Deutschen ausserordentlich stolz auf ihren Papst. Die Zeitung «Bild» titelte sogar «Wir sind Papst». Wird es ähnlichen Nationalstolz in den USA geben, wenn ein Amerikaner gewählt wird?

Eher nicht. Viele amerikanische Katholiken blicken einer solchen Möglichkeit sogar mit Sorge entgegen.

Warum?

Sie befürchten, dass der «falsche» Kandidat gewählt werden könnte.


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