Was bringen Merkel und Macron? Was bringen Merkel und Macron Europa?

SDA/reu/mt

7.6.2018

Ziemlich beste Freunde? Kanzlerin Angela Merkel un der französische Präsident Emmanuel Macron bei einem Treffen im April 2018 in Berlin.
Ziemlich beste Freunde? Kanzlerin Angela Merkel un der französische Präsident Emmanuel Macron bei einem Treffen im April 2018 in Berlin.
Bild: dpa/Michael Kappeler

Dass Emmanuel Macron seit Monaten als Galionsfigur der europäischen Einigung gefeiert wird, hat man in der deutschen Regierung lange Zeit mit einer Mischung aus Erleichterung und auch etwas Neid betrachtet. Erleichterung vor allem bei Bundeskanzlerin Angela Merkel, weil sie mit einem starken französischen Präsidenten endlich wieder einen Partner hat, um Anliegen in der Welt gemeinsam zu vertreten.

Es schade nicht, wenn der charismatische Präsident die volle Aufmerksamkeit bekomme, wurde in deutschen Regierungskreisen immer wieder die Vermutung zurückgewiesen, die Kanzlerin fürchte die Konkurrenz. Auch Meinungsverschiedenheiten wie etwa seine Kritik am deutschen Exportüberschuss schiebt man eher der klassisch unterschiedlichen Denkweise in Frankreich und Deutschland zu.

Aber so sehr Merkel Macron immer wieder für dessen innenpolitische Reformen lobt: In den vergangenen Wochen hat sich etwas Ermüdung eingeschlichen. In der entscheidenden Phase vor den angestrebten EU-Reformen reagiert man in Berlin empfindlicher darauf, dass Macron immer noch das Image anhaftet, er vertrete mit seinen Vorschlägen die Interessen Europas - und nicht knallhart sehr französische Sichtweisen.

Euro-Zone

Bei der Euro-Zonen-Reform hat Merkel bereits 2017 darauf verwiesen, dass es wenig bringe, weitreichende Forderungen aufzustellen, die zwar gut klängen, aber nicht umsetzbar seien. Dies betrifft etwa Macrons Vorschlag, ein eigenes Euro-Zonen-Budget mit einem Volumen von ein bis zwei Prozent der Wirtschaftsleistung eines Landes zu schaffen. Das entspricht der alten französischen Haltung, dass vor allem Geld Probleme löst und die finanzielle Umverteilung zunehmen soll.

«Niemand hat gefragt, wie Frankreich eigentlich eine solche Summe aufbringen will», ärgert sich ein EU-Diplomat über die mediale Aufnahme. Zudem teilen sowohl die EU-Kommission als auch die deutsche Regierung die Einschätzung, dass dies den normalen EU-Haushalt der künftig 27 EU-Staaten vollkommen aushöhlen würde - und die EU spaltet statt eint. Zudem wäre dieser neue Topf intergouvernmental und ohne Kommission organisiert. Deshalb ist im Koalitionsvertrag der deutschen Regierung die Rede davon, ein solches Stabilisierungselement eher im normalen EU-Etat zu verankern.

Nun ist Deutschland aber bereit, Macron auf halbem Wege entgegenzukommen: Macron soll seinen eigenen Euro-Zonen-Topf bekommen. Aber Merkel spricht von einem niedrigen zweistelligen Milliardenbetrag.

Verteidigung

Dass die Europäer zwar eine strukturierte Zusammenarbeit in der Verteidigungspolitik (Pesco) beschlossen haben, aber Macron sofort die Arbeit an einer eigenen Interventionsarmee mit einigen freiwilligen Staaten und Grossbritannien begann, gilt in Berlin auch nicht als Ausdruck des Handels eines vorbildlichen EU-Staatschefs. «Jahrelang wurde die Bundesregierung von EU-Befürwortern dafür geprügelt, dass sie intergouvernmentale Strukturen wie den Europäischen Stabilitätsmechanismus ESM statt der Gemeinschaftsmethode wolle - dabei ist die treibende Kraft dahinter Macron», heisst es. Frankreich wolle die Kontrolle weder an die EU-Kommission abtreten, noch sich auf die Einstimmigkeit aller EU-Regierungen verlassen müssen.

Bundeskanzlerin Merkel, der französische Staatspräsident Macron und seine Frau Brigitte kamen im Mai 2018 zur Verleihung des Aachener Karlspreises. 
Bundeskanzlerin Merkel, der französische Staatspräsident Macron und seine Frau Brigitte kamen im Mai 2018 zur Verleihung des Aachener Karlspreises. 
Bild: dpa/Henning Kaiser

Das erinnert an den Streit mit Macrons Vorgänger François Hollande, der ohne Absprache mit den engsten Partnern französische Militärinterventionen in den früheren französischen Kolonien Mali und Zentralafrika begann - um nachträglich die Hilfe und das Geld der EU-Partner einzufordern. In Mali machten die EU-Partner noch mit - aber nur mit der deutlichen Warnung an Paris, dass man nicht für postkoloniale Abenteuer Frankreichs zur Verfügung stehe.

Uno-Sicherheitsrat

Mehrfach hat Merkel in den vergangenen Tagen eine Europäisierung der Sitze von EU-Staaten im Uno-Sicherheitsrat gefordert. In öffentlichen Auftritten forderte sie dies nur für die nicht-ständigen Sitze ein, die etwa Deutschland und Belgien 2019/2020 besetzen möchten. Aber in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion betonte Merkel am Dienstag nach Angaben von Teilnehmern, dass diese Europäisierung am Ende natürlich auch für Frankreich gelten müsse. «Macron hat ja einen ständigen Sitz und dann noch eine Veto-Möglichkeit», sagte Merkel am Donnerstag. Bisher beharrten die Veto-Mächte Frankreich und Grossbritannien weitgehend auf ihrer Eigenständigkeit im Uno-Sicherheitsrat.

Und gerade der Fall Syrien zeigt mit den erst von Hollande und dann Macron aufgestellten roten Linien, dass französische Diplomatie nur begrenzt im europäischen Rahmen denkt oder sich mit den Partner absprechen möchte. Merkel schlägt deshalb einen «Europäischen Sicherheitsrat» vor - der auch die Franzosen auf Linie bringen soll.

EU-Parlament

Es gibt aber noch einen anderen Punkt, an dem nicht nur die Deutschen den Kopf über das französische Festhalten an alten Strukturen schütteln: Das betrifft die teure, ineffiziente Doppelstruktur des EU-Parlaments, das mal in Brüssel, mal in Strassburg tagt. Merkel hat jetzt wieder einmal die Konzentration auf einen Sitz vorgeschlagen. Aber Frankreich will sich weiter nicht bewegen und pocht aus sehr nationalen Interessen auf den Sitz Strassburg, obwohl die Doppelstruktur länderübergreifend als Sinnbild für die Ineffektivität der EU angesehen wird.

Westbalkan

Neu dazugekommen ist eine leichte Verschnupftheit deutscher Diplomaten über die französische Position zur EU-Beitrittsperspektive der sechs Westbalkan-Länder. Macron rede zwar gerne von Europa und der Integration, aber damit sei eigentlich eine viel kleinere Gruppen von Staaten gemeint - deshalb auch die Konzentration auf die Reform der Euro-Zone mit 19 Mitglieder, sagt ein EU-Diplomat. Macron vertritt damit die klassische französische Position, die Integration vor Erweiterung stellt und schon früher Probleme mit der Aufnahme der osteuropäischen Länder hatte. Zuletzt hatte Macron die EU-Entsenderichtlinie verschärfen lassen, um den eigenen Arbeitsmarkt gegen billige Konkurrenz aus Südosteuropa abzuschotten.

Schon bei ihremTreffen im April 2018 in Berlin näherten sich der französischer Präsident Emmanuel Macron und Bundeskanzlerin Angela Merke an.
Schon bei ihremTreffen im April 2018 in Berlin näherten sich der französischer Präsident Emmanuel Macron und Bundeskanzlerin Angela Merke an.
Bild: dpa/Michael Kappeler

Jüngster Stein des Anstosses ist, dass Frankreich, die Niederlande und Dänemark nach Informationen der Nachrichtenagentur Reuters die Eröffnung von EU-Aufnahmegesprächen mit Albanien und Mazedonien bremsen. Macron sehe aus rein innenpolitischen Überlegungen und aus Sorge vor einem weiteren Erstarken der Rechten die geostrategische Bedeutung des Westbalkans für die Stabilität Europas nicht, wird in Brüssel und Berlin bemängelt. Dabei habe man jahrelang vor dem wachsenden Einfluss von Drittstaaten wie Russland, China oder der Türkei gewarnt, die den EU-Kurs und die Reformen in den Staaten gefährden könnten. Lenkt Macron nicht ein, dann kann der EU-Gipfel Ende Juni nicht die von der EU-Kommission vorgeschlagene Aufnahme von Beitrittsgesprächen mit Albanien und Mazedonien beschliessen.

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