Keine «Salamitaktik» Was die Schweiz von Israel im Kampf gegen die vierte Welle lernen kann

tsha

17.11.2021

Ein 14-Jähriger lässt sich Ende September in Jerusalem impfen.
Ein 14-Jähriger lässt sich Ende September in Jerusalem impfen.
Bild: Keystone

In einem Interview erklärt der oberste Corona-Berater der israelischen Regierung, wie sein Land die vierte Welle gebrochen hat. Von einer Salami-Taktik bei den Auffrischimpfungen, wie sie auch in der Schweiz praktiziert wird, hält Salman Zarka nichts.

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Europa ächzt derzeit unter der vierten Corona-Welle, auch in der Schweiz steigt die Zahl der Neuinfektionen seit Wochen an. Am Mittwoch meldete das BAG 5981 neue Fälle, ähnlich düster ist die Lage bei unseren Nachbarn in Deutschland und Österreich.

Israel hingegen hat die vierte Welle scheinbar schon hinter sich. In dem Land wurden noch im September teilweise bis zu 11'000 Neuinfektionen am Tag registriert, mittlerweile sind es wenige Hundert. Mit einer Bevölkerungsgrösse von 9,1 Millionen hat der Mittelmeerstaat etwa eine halbe Million Einwohner mehr als die Schweiz. Was macht Israel besser als die Schweiz und viele andere Staaten?



«Wir haben zwei Dinge getan», erklärte Salman Zarka, der höchste Corona-Berater der israelischen Regierung, nun im Interview mit dem «Spiegel»: Man habe, so der 57-Jährige, das zuvor abgeschaffte Impfzertifikat wieder eingeführt, vor allem aber sehr früh mit den Auffrischimpfungen begonnen.

Kein Grund für «Salami-Taktik»

«Ich glaube, dass wir die letzte Welle dank der vier Millionen Israelis gebrochen haben, die unsere Strategie akzeptierten und sich für eine dritte Impfung entschieden», so Zarka. Dabei sei entscheidend, die Booster-Impfung allen Bürgerinnen und Bürgern anzubieten, unabhängig von Alter und Vorerkrankungen. Viele Länder, darunter auch die Schweiz, gehen derzeit noch einen anderen Weg. Hierzulande etwa empfiehlt das BAG nur Personen ab 65 Jahren sowie Heimbewohnerinnen und -bewohnern, sich die dritte Spritze setzen zu lassen.

«Die Ergebnisse aus Israel haben gezeigt: Wenn man genug Impfstoff hat, gibt es keinen Grund, die Salami-Taktik anzuwenden», sagt Zarka, der früher Leiter des Ziv Medical Center im nordisraelischen Zfat war, in dem «Spiegel»-Interview. «Unsere Erfahrung lautet, dass man die dritte Impfung allen anbieten sollte, die sie möchten, weil sie das Risiko einer Infektion senkt.» Das gelte auch für Jugendliche. 

Reichen drei Impfungen?

Ob es mit drei Impfungen allerdings getan sei, weiss Zarka nicht. «Vielleicht braucht man einen Booster, vielleicht zwei. Vielleicht auch drei oder vier.» Schliesslich sei noch nicht gesichert, wie lange die Auffrischung anhalte.



Das israelische Gesundheitsministerium hatte am Sonntag entschieden, den Biontech/Pfizer-Impfstoff für Kinder ab fünf Jahren freizugeben. Bislang galt die Impfzulassung nur für Kinder ab zwölf Jahren und Erwachsene. Schon Ende dieser Woche sollen die ersten Kinder ihre Spritze erhalten. In der Schweiz hingegen sind weder die Vakzine von Biontech/Pfizer noch der Moderna-Impfstoff für Kinder unter zwölf freigegeben.

Für Salman Zarka ist die Entscheidung von Sonntag der richtige Schritt. «Die Impfung bietet ja nicht nur Schutz vor dem Virus, sondern man bekommt auch seinen Alltag zurück. Im Moment müssen Familien, deren Kinder in Kontakt mit Infizierten waren, danach sieben Tage zu Hause bleiben. Wenn man das nicht mehr möchte, ist die Impfung die Lösung.»