Tödliche Systemkritik «Washington Post»: Das schreibt Khashoggi in seiner letzten Kolumne

dpa

18.10.2018

Die «Washington Post» veröffentlicht die letzte Kolumne von Jamal Khashoggi.
Die «Washington Post» veröffentlicht die letzte Kolumne von Jamal Khashoggi.
dpa

Der Journalist tritt als Kämpfer für die Meinungsfreiheit in der arabischen Welt auf, pocht auf das Recht der Menschen in Saudi-Arabien und anderswo, sich frei zu informieren. Seine Überzeugungen waren womöglich sein Todesurteil.

Die «Washington Post» hat eine letzte Kolumne des verschwundenen Journalisten Jamal Khashoggi veröffentlicht. In dem am Mittwochabend (Ortszeit) publizierten Meinungsbeitrag berichtet Khashoggi von der Inhaftierung eines bekannten Autors und verweist auf einen Vorfall in Ägypten, wo die Regierung die Kontrolle über eine Zeitung übernahm. «Was die arabische Welt am meisten braucht, ist Meinungsfreiheit», steht über dem Artikel des vermissten Journalisten.

Für die «Washington Post» schrieb Khashoggi unter anderem kritische Beiträge über den saudi-arabischen Kronprinzen Mohammed bin Salman. Zuletzt wurde der Journalist am 2. Oktober beim Betreten des saudischen Konsulats in Istanbul gesehen. Türkische Behörden glauben, dass er von saudi-arabischen Agenten umgebracht und zerstückelt worden sei. Riad hat dies zurückgewiesen, bisher aber keine Beweise vorgelegt, dass er das Konsulat verlassen habe.

Kolumne kurz vor Verschwinden geschrieben

US-Präsident Donald Trump, der wegen Khashoggis Verschwinden anfangs hart mit Saudi-Arabien ins Gericht ging, setzte sich am Mittwoch weiter von seiner bisherigen Linie ab. Die USA verlangten von der Türkei, jegliche Audio- und Videoaufnahmen der mutmasslichen Tötung Khashoggis auszuhändigen, «falls sie existieren», erklärte Trump. Zuletzt kritisierte er, die internationale Gemeinschaft habe Riad vorschnell die Verantwortung im Fall Khashoggi zugewiesen.

Khashoggi reichte seine Kolumne kurz vor seinem Verschwinden ein. Er schrieb darin, Aktionen wie die ägyptische Beschlagnahme einer Zeitung hätten keinen Gegenreaktion der internationalen Gemeinschaft mehr zur Folge. Stattdessen folge auf eine etwaige Verurteilung schnell Stille. «Die arabischen Regierungen haben freie Hand, die Medien unter wachsendem Tempo weiter zum Schweigen zu bringen.»

«Eine Freiheit, für die er offensichtlich sein Leben gab»

Der Journalist kritisierte zudem, Staats- und Regierungschefs im Nahen Osten kontrollierten den Internetzugang ihrer Bürger. «Die arabische Welt steht vor ihrer eigenen Version des Eisernen Vorhangs, nicht durch Akteure von aussen, sondern durch um Macht konkurrierende Kräfte im Innern.» Er lobte, dass die «Washington Post» viele seiner Texte vom Englischen ins Arabische übersetzt habe. Es sei wichtig für die Menschen im Nahen Osten, über die Demokratie im Westen zu lesen. «Wir leiden unter Armut, Misswirtschaft und schlechter Bildung. Durch das Schaffen eines unabhängigen, internationalen Forums, abgegrenzt vom Einfluss nationalistischer, Propaganda verbreitender Regierungen, haben die einfachen Menschen in der arabischen Welt die Chance, die strukturellen Probleme ihrer Gesellschaften anzugehen.»

Dem Meinungsbeitrag stellte die zuständige «Post»-Redakteurin Karen Attiah ein paar eigene Worte bei. Die Zeitung habe die Kolumne zuerst nicht veröffentlichen wollen und auf die Rückkehr Khashoggis gewartet. «Jetzt muss ich akzeptieren: Das wird nicht passieren», schrieb sie. Die Kolumne beschreibe die Leidenschaft und den Einsatz des Reporters für die Freiheit in der arabischen Welt perfekt. «Eine Freiheit, für die er offensichtlich sein Leben gab.»

Bilder des Tages
Zurück zur Startseite