Pandemie in Papua-Neuguinea Wo Aberglaube auf ein marodes Gesundheitssystem trifft

Von Sven Hauberg

30.5.2021

Männer in traditionellen Kostümen: Auch Papua-Neuguinea wurde von der Corona-Pandemie getroffen.
Männer in traditionellen Kostümen: Auch Papua-Neuguinea wurde von der Corona-Pandemie getroffen.
KEYSTONE (Archivbild)

Schwarze Magie trifft auf Corona-Leugner und ein marodes Gesundheitswesen: Ein Helfer erzählt, wie er die Pandemie im Pazifikstaat Papua-Neuguinea erlebt hat.

Von Sven Hauberg

30.5.2021

Die Zahlen, die die Johns-Hopkins-Universität aus Papua-Neuguinea meldet, klingen auf den ersten Blick wenig dramatisch: Etwas mehr als 15'000 Corona-Fälle hat das Land mit seinen 8,8 Millionen Einwohnern gemeldet, knapp 160 Menschen starben in Verbindung mit dem Virus. Die bevölkerungsmässig etwa ebenso grosse Schweiz zählte zuletzt meist um die 1000 Neuinfektionen – binnen 24 Stunden. Und dennoch: Auch für den Inselstaat im Pazifik ist Corona in den vergangenen Monaten zu einem ernsthaften Problem geworden. 

Denn Papua-Neuguinea war alles anderes als vorbereitet auf eine Pandemie. Corona, sagt Manfred Emmerling, ist «katastrophal für ein derartiges Gesundheitssystem». Der 46-Jährige war vor Kurzem für mehrere Wochen in dem Land, als Leiter eines Einsatzteams der Johanniter-Unfall-Hilfe. Die Zustände in den Spitälern des Landes seien «furchtbar», es gebe zu wenige Betten und noch weniger geschultes Personal. 



Auf Bitten der Weltgesundheitsorganisation reiste Emmerlings Team – ein Arzt, zwei Notfallsanitäter, zwei Rettungsassistenten und zwei Krankenschwestern – nach Papua-Neuguinea. Zuvor waren die Infektionszahlen immer weiter gestiegen. Viele der Infektionen lassen sich, glaubt Emmerling, auf die Beerdigung des früheren Premierministers Michael Somare zurückführen, der Papua-Neuguinea Mitte der 70er-Jahre in die Unabhängigkeit geführt hatte und Ende Februar verstarb.

«Covid gilt als Stigma»

«Unter der Oberfläche war die Welle grösser als gedacht», sagt Emmerling über den Anstieg der Corona-Zahlen in den vergangenen Monaten. Getestet wird nur wenig in Papua-Neuguinea, und wer Symptome hat, verschweigt diese oft. «Covid gilt als Stigma», erzählt Emmerling. Wer sich infiziert hat, tue oft so, als habe er lediglich einen Schnupfen oder eine Grippe – zu gross ist der Druck der Gesellschaft, zumal die Menschen in Papua-Neuguinea oftmals in grossen Familienverbänden leben.



Auch der im Land weit verbreitete Aberglaube spielt eine Rolle, wenn Menschen ihre Infektion verschweigen. Die BBCberichtete unlängst von einem besonders krassen Fall: Nachdem ein Mitarbeiter eines ländlichen Gesundheitszentrums an Corona verstorben war, wurden die Frau und die Tochter des Mannes gefoltert – man bezichtigte sie der Zauberei.

Manfred Emmerling war für die Johanniter im Einsatz in Papua-Neuguinea.
Manfred Emmerling war für die Johanniter im Einsatz in Papua-Neuguinea.
Bild: Johanniter

Zum Glauben an schwarze Magie kommen Verschwörungstheorien. Als er im Land war, erzählt Manfred Emmerling, habe ein geistiger Führer verkündet, das Virus könne den Menschen in Papua-Neuguinea nichts anhaben – sie seien schliesslich immun gegen eine Infektion.

Impfkampagne läuft schleppend

Auch Impfungen werden bisweilen kritisch gesehen, zumal das Land über die Covax-Initiative vor allem das Vakzin von Astrazeneca erhält, das auch im Westen umstritten ist. Laut Johns-Hopkins-Universität wurden bislang erst knapp 12'000 Dosen verabreicht, vor allem an Mitarbeiter*innen im Gesundheitswesen. «Man sieht eher die Gefahren als den positiven Effekt», sagt Johanniter-Teamleiter Emmerling.

In Papua-Neuguinea arbeiten geschätzt nur rund 5000 Menschen im Gesundheitswesen. Und die haben aufgrund hoher HIV-Infektionsraten und einer überdurchschnittlichen Sterblichkeit von Müttern und Neugeborenen auch ohne Corona schon mehr zu tun, als die Spitäler in dem riesigen Land mit seinen oftmals nur schwer zugänglichen Gemeinden leisten können. Hier springen ausländische Helfer wie Emmerling und sein Team ein.



In Port Moresby, der Hauptstadt von Papua-Neuguinea, haben die Johanniter in einem Spital bei der Behandlung von Covid-Patienten ausgeholfen, sie haben Personal geschult und Krankentransporte aus abgelegenen Regionen begleitet.

Die Probleme, vor denen die Pazifiknation steht, sind dieselben, die Corona auch in anderen ärmeren Staaten verschärft hat. Dass die Lage in dem Land dennoch unter Kontrolle bliebt, hat laut Emmerling auch damit zu tun, dass die Menschen weniger mobil sind als etwa in Europa. Denn wer nicht genug Geld zum Leben hat, der kann sich Reisen durchs Land erst recht nicht leisten.