Late Night USA «Existiert Joe Biden überhaupt?»

Von Philipp Dahm

1.11.2022

In einer Woche stehen in den USA die Zwischenwahlen an: Donald Trump steht indirekt auch auf dem Wahlzettel, weiss Moderator Seth Meyers.
In einer Woche stehen in den USA die Zwischenwahlen an: Donald Trump steht indirekt auch auf dem Wahlzettel, weiss Moderator Seth Meyers.
Screenshot: YouTube/Late Night with Seth Meyers

Vor den Zwischenwahlen liefern sich die beiden grossen Parteien in vielen Staaten – trotz Skandalen – ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Doch wenn die Demokraten gewinnen, ist die Wahl eh geschoben, heisst es schon jetzt.

Von Philipp Dahm

1.11.2022

In einer Woche stehen in den USA die Midterms an: Die 435 Sitze des Repräsentantenhauses müssen bestimmt werden, und 34 der 50 Bundesstaaten wählen einen neuen Gouverneur. Ausserdem werden auf Gemeindeebene diverse Posten neu vergeben.

Die Partei, die in Washington regiert, muss bei den Zwischenwahlen normalerweise einstecken – und die Zustimmungswerte von US-Präsident Biden sind sieben Tage vor dem Urnengang gelinde gesagt ausbaufähig. Je nach Umfrage liegen sie bei 39 bis 46 Prozent.

In den einzelnen Staaten liefern sich die Kandidaten mitunter Kopf-an-Kopf-Rennen. So wie in Georgia, wo der demokratische Pastor Raphael Warnock wie auch der republikanische Ex-Football-Star Herschel Walker um den Senatoren-Sitz kämpfen: Mal liegt Warnock in den Umfragen drei Punkte vorn, mal hat Walker fünf Punkte Vorsprung.

«Was geht eigentlich in Georgia ab, dass der Pastor Warnock Kopf an Kopf mit Herschel Walker liegt?», fragt Trevor Noah in seiner «Daily Show». «Was geht ab? Jede zweite Aussage [von Walker] entpuppt sich als Lüge. Er läuft mit einer falschen Polizeimarke rum. Er tut so, als wäre er FBI-Agent gewesen.»

«Walker ist ein sonderbarer Typ»

Noah fährt fort: «Er behauptet, er sei gegen Abtreibung, obwohl er augenscheinlich eine bezahlt hat. Er sagt, er habe nur ein Kind, dabei hat er ungefähr 1000. Oh, und er hat den Leuten erzählt, er habe als bestes ein Prozent die Universität von Georgia abgeschlossen. Und dann stellt sich heraus, dass er gar nicht abgeschlossen hat.» Walker mache das im echten Leben, was andere nur bei Dating-Apps machen würden: dumm-dreist flunkern.

Late Night USA – Amerika verstehen
blue News

50 Staaten, 330 Millionen Menschen und noch mehr Meinungen: Wie soll man «Amerika verstehen»? Wer den Überblick behalten will, ohne dabei aufzulaufen, braucht einen Leuchtturm. Die Late-Night-Stars bieten eine der besten Navigationshilfen: Sie sind die perfekten Lotsen, die unbarmherzig Untiefen bei Land und Leuten benennen, und dienen unserem Autor Philipp Dahm als Komik-Kompass für die Befindlichkeit der amerikanischen Seele.

Die Lügen und die Scheinheiligkeit seien nicht mal das Schlimmste. «Walker ist ein sonderbarer Typ», findet Noah und zeigt einen Clip, in den der 60-Jährige das grösste Problem benennen soll, dass Amerika gerade hat: «So viele Berühmtheiten erzählen den Leiten, dass sie es nicht schaffen werden. Du musst dich schlecht fühlen. Du musst Mitleid mit dir haben. Dass du ein Opfer bist.»

Noahs Frage ist berechtigt. Wie kann es sein, dass Walker überhaupt noch im Rennen ist? So sind nicht nur seine Lügen und unehelichen Kinder aufgeflogen. Mittlerweile hat sich eine weitere Frau gemeldet, die von dem früheren Football-Profi geschwängert worden sein will.

200 von 552 Kandidaten sind election deniers

Pikant ist dabei: Walker soll sie zum Spital gefahren haben. Als die Schwangere Zweifel an einer Abtreibung bekundet, soll Walker sie dazu gedrängt haben, den Eingriff vorzunehmen. Doch die republikanischen Wähler scheint das doppelte Spiel einfach nicht zu kümmern.

Trevor Noah bringt diese Woche seine Show aus Atlanta, Georgia.
Trevor Noah bringt diese Woche seine Show aus Atlanta, Georgia.
Screenshot: YouTube/The Daily Show with Trevor Noah

Sollte die Partei die Macht im Repräsentantenhaus zurückerobern, wird das Folgen haben, macht Seth Meyers in seiner «Late Night»-Show deutlich: Die Republikaner wollen demnach innert 15 Wochen ein nationales Abtreibungsverbot durchsetzen, und Sozial-Etats kürzen, um weniger Schulden aufzunehmen.

Das grössere Problem seien jedoch jene Kandidaten, die die Legitimität der letzten Präsidentschaftswahl anzweifeln – und in Position vorrücken könnten, in denen sie kommende Urnengänge verifizieren müssen, erklärt Meyers. 200 von 552 republikanischen Kandidaten fallen in diese Kategorie. Und wie die «Washington Post» herausgefunden haben will, sind viele jener Zweifler auf der Siegerstrasse.

Existiert Joe Biden überhaupt?

«Wir können keine funktionierende Demokratie haben, wenn eine Partei jeder Wahl die Legitimität abspricht, in der sie verlieren», sagt der 48-Jährige und führt ein Beispiel aus Arizona an. Dort schickt sich Mark Finchem an, zum Secretary of State gewählt zu werden. Der ist für öffentliche Dokumente und auch die Bestätigung von Wahlen zuständig.

Finchem (mit Hut) beim Sturm aufs Kapitol: Wenn er keine Biden-Wähler kennt, kann der auch nicht die letzte Wahl gewonnen haben.
Finchem (mit Hut) beim Sturm aufs Kapitol: Wenn er keine Biden-Wähler kennt, kann der auch nicht die letzte Wahl gewonnen haben.
Screenshot: YouTube/Late Night with Seth Meyers

Finchem war beim Sturm aufs Kapitol am 6. Januar 2020 dabei, wünsche sich zu Weihnachten bloss «ein paar Verhaftungen wegen Wahlbetrugs» und wurde bereits gefragt, ob er 2024 Biden als Sieger ausrufen würde, wenn der die meisten Stimmen bekommen sollte. Die Antwort: «Sie reden über etwa, das offen gesagt eine Fantasie ist.»

Der Grund: Finchem selbst kenne niemanden, der Biden wählen würde. «Wo hast du gesucht? In der Menge vom 6. Januar?», lästert Meyers. «Das ist sein Argument: Wenn du keinen kennst, der für Biden gestimmt hat, ist es nur logisch, dass niemand für Biden gestimmt hat. Apropos: Woher sollst du wissen, ob Joe Biden überhaupt existiert, wenn du niemanden kennst, der Joe Biden getroffen hat?»

Bei Anruf Trump

Die Folgen dieser Politik liessen sich derzeit in Arizona beobachten, wo Bewaffnete an Orten für die frühe Stimmangabe herumlungern, um Wählende zu beobachten und einzuschüchtern, berichtet Meyers. Angeheizt werde die Stimmung vom Kult um Donald Trump, der selbst übrigens auf Truth Social die Adressen veröffentlicht hat, an denen Wählende in Arizona vorzeitig ihre Stimmen abgeben können.

Der Ex-Präsident kann aber auch noch direkter Einfluss nehmen, wie das Beispiel von Blake Masters zeigt. Der Republikaner will für Arizona in den Senat einziehen und hat zu Beginn seiner Kampagne Bidens Wahl angezweifelt. «Aber als die Zeit gekommen ist, die Wähler im Allgemeinen anzusprechen, hat er in einer TV-Debatte eingeräumt, dass er keinen Beweis für Wahlbetrug sieht», erklärt Meyers.

Weil Masters gerade von einem Film-Team begleitet wird, werden wir Zeuge von dem, was anschliessend passiert – im Video zu sehen ab Minute 10. Anruf von Donald Trump am 25. Oktober 2022. «Mister President, wie geht es Ihnen, Sir?», begrüsst ihn der Kandidat und macht den Lautsprecher an. «Ich habe viele Beschwerden über dich bekommen», sagt Trump. Es habe eine «schlechte Wahl-Antwort» gegeben.

Blake Masters strahlt: Donald Trump ruft an – und gibt dem Kandidaten mahnende Worte mit auf den Weg.
Blake Masters strahlt: Donald Trump ruft an – und gibt dem Kandidaten mahnende Worte mit auf den Weg.
Screenshot: YouTube/Late Night with Seth Meyers

«Wenn du über die Ziellinie gehen willst, musst du die eine Sache stärker betonen», macht der 76-Jährige Dampf. «Schau die Kari [Lake] an. «[Die republikanische Gouverneurskandidatin in Arizona] gewinnt mit sehr wenig Geld. Wenn Sie fragen, ‹Wie geht es Ihrer Familie?›, antwortet sie, ‹Die Wahl war geschoben und gefälscht›.»

Tatsächlich behaupteten die Republikaner schon jetzt, dass jede Wahl in der kommenden Woche nicht legitim sei, wenn Demokraten gewinnen, so Meyers. Ob der Moderator recht hat, wird sich in einer Woche zeigen.