Selbst eine Greencard nützt nichts Wer kein Staatsbürger ist, ist in den USA nicht mehr sicher

Andreas Fischer

24.3.2025

Harte Linie an US-Grenze: Selbst wer seit Jahren legal in den USA lebt und arbeitet, muss mit Abschiebung rechnen. 
Harte Linie an US-Grenze: Selbst wer seit Jahren legal in den USA lebt und arbeitet, muss mit Abschiebung rechnen. 
Keystone/AP Photo/Gregory Bull (Symbolbild)

Selbst wer seit Jahren eine Greencard besitzt, muss zittern: In den USA häufen sich die Fälle von Inhaftierung und Abschiebung von Einreisenden mit gültigen Papieren. Das Ganze hat System und soll einschüchtern.

Andreas Fischer

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Eine Reihe von Festnahmen bei der Einreise in die Vereinigten Staaten verunsichert legal in Amerika lebende Ausländer.
  • Dabei geht es um mehrere Fälle, bei denen Personen trotz vollständiger Papiere oder einer Greencard die (Wieder-)Einreise verwehrt wurde.
  • Die striktere Linie der Grenzbeamten ist kein Zufall: Donald Trump hat die Migrationspolitik deutlich verschärft.
  • Einige neue Massnahmen hebeln Grundrechte aus. Social Media-Profile sollen überwacht und Steuerdaten abgegriffen werden.

Eigentlich ist eine Greencard der Traum all jener Menschen, die den amerikanischen Traum leben wollen. Wer eine solche «United States Permanent Resident Card» besitzt, darf dauerhaft in den USA leben und arbeiten, ist legaler Einwanderer und muss sich keine Sorgen machen, abgeschoben zu werden.

So war es zumindest bis zum 20. Januar. Mit Beginn seiner zweiten Amtszeit als US-Präsident hat Donald Trump die Einwanderungspolitik dramatisch verschärft. Nach einigen öffentlichkeitswirksam inszenierten Razzien und Massenabschiebungen von illegalen Immigranten schützt nun auch eine Greencard nicht mehr vor der Ausschaffung.

Es kann jeden treffen, nicht nur die «illegalen und kriminellen Elemente», die Trump zu Hunderttausenden aus dem Land deportieren will. Mittlerweile geraten eben auch Greencard-Inhaber ins Visier der Einwanderungsbehörden.

Eine Greencard schützt nicht vor Abschiebung

Es häufen sich Fälle, bei denen Inhaber einer Greencard oder eines anderen dauerhaften Visums bei der Rückkehr von einer Auslandsreise an US-Flughäfen in das Visier der Einwanderungsbehörde U.S. Immigration and Customs Enforcement (ICE) geraten.

Das kann ein deutscher Elektroingenieur sein, der seit 16 Jahren in den USA lebt und arbeitet, mit einer Kardiologin aus New Hampshire und der gemeinsamen achtjährigen Tochter zusammenlebt.

Das kann eine 64-jährige Frau aus den Philippinen sein, die vor fünf Jahrzehnten in die USA eingewandert ist und an der University of Washington arbeitet.

Das kann eine libanesische Ärztin und Nierenexpertin von der Brown University in Rhode Island an der US-Ostküste sein, die trotz gültigen Visums nicht einreisen darf, sondern umgehend abgeschoben wird. Dies, obwohl ein Bundesrichter verfügt hatte, sie dürfe nicht zurückgeschickt werden, ehe es eine Anhörung zu ihrem Fall gegeben habe.

Das kann ein Student mit palästinensischen Wurzeln und Absolvent der New Yorker Elite-Universität Columbia sein, dem als prominenten Akteur bei propalästinensischen Demonstrationen Unterstützung der islamistischen Hamas vorgeworfen wird. Er ist dewegen festgenommen worden und soll nun ausgeschafft werden.

Auch legale Einwanderer sind nicht mehr sicher

Klar, gemessen an der Zahl der Einreisenden in die Vereinigten Staaten handelt es sich bei den in den vergangenen Wochen bekannt gewordenen Fällen weiterhin um einen kleinen Bruchteil. Aber sie scheinen System zu haben und sie senden ein Signal aus: Donald Trump greift durch. Wer kein Staatsbürger ist, ist in den USA nicht mehr sicher.

Die Verunsicherung ist gross. Die Brown University warnt internationale Lehrkräfte und Studierende vor unkalkulierbaren Risiken bei der Einreise. Man rate dringend davon ab, in den anstehenden Frühjahrsferien ins Ausland zu reisen, weil die Wiedereinreise nicht mehr sicher ist.

Menschen, die jahrelang mit einer Greencard in den USA gelebt und gearbeitet haben, trauen sich nicht mehr, das Land zu verlassen. Sie fliegen nicht zur Beerdigung ihres Vaters nach Kamerun. Sie besuchen keine Konferenzen im Ausland mehr. Sie tragen nicht einmal mehr traditionelle Kleidungsstücke aus ihrer Heimat. Und sie überlegen ernsthaft, ob sie das Risiko eingehen wollen, zu Ostern ihre Familie in Kanada zu besuchen, ohne ihre Existenz in den USA zu gefährden.

Attacke auf «Familien, Freunde, Community»

Gegenüber CNN bestätigt Einwanderungsanwältin LaToya McBean Pompy, dass ihre Greencard-Mandanten Angst haben. Das sei mittlerweile das grösste Problem. «Früher hatten sie nie Angst», sagt sie, «aber heute haben sie nur noch Angst.»

Eine Aussage von Vize-Präsident J.D: Vance bei Fox News schürt dieses neue Klima der Furcht: «Ein Greencard-Inhaber, auch wenn ich diesen Greencard-Inhaber mögen mag, hat kein unbegrenztes Recht, sich in den Vereinigten Staaten von Amerika aufzuhalten.»

Seit Ende Januar greifen die Grenzbeamten hart durch. Wer sich etwas zu schulden kommen lässt, darf nicht mehr einreisen: egal wie klein das Vergehen. Der deutsche Ingenieur hatte eine Anhörung versäumt, weil ihm die Ladung nicht an seine neue Adresse zugestellt wurde. Die Frau aus den Philippinen wurde 2001 zu einer Geldstrafe wegen Veruntreuung verurteilt.

Wurden vergleichsweise kleine Vergehen früher toleriert, greifen die Einwanderungsbehörden mittlerweile hart durch, bestätigt ein Anwalt gegenüber «Newsweek». Die hawaiianische Abgeordnete Tina Nakada Grandinetti sieht in dem Vorgehen eine breitangelegte Attacke auf «unsere Familien, unsere Freunde, unsere ganze Community».

Auch vertrauliche Steuerdaten geraten ins Visier

Derweil verschärft die US-Regierung die Gangart noch einmal. Die Trump-Regierung will, dass Greencard-Inhaber ihre Social Media-Aktivitäten offenlegen und der Einwanderungsbehörde die Profilnamen aller sozialen Netzwerke nennen. Begründet wird dies mit der Sicherheit der Vereinigten Staaten: «Die Vereinigten Staaten müssen sicherstellen, dass Ausländer, die sich bereits in den Vereinigten Staaten aufhalten, keine feindselige Haltung gegenüber den Bürgern, der Kultur, der Regierung, den Institutionen oder den Gründungsprinzipien der Vereinigten Staaten haben.»

Kritiker sehen darin einen offenkundigen Versuch, die freie Meinungsäusserung auszuhebeln: zu sehen in dem Fall der libanesischen Ärztin, der Nähe zur Hisbollah vorgeworfen wird und dem israelkritischen Studenten. «Wer ist der Nächste?», fragt sich Einwanderungsanwalt David Leopold. «Ist es ein Klimaaktivist? Ist es ein Aktivist für Gender-Rechte? Ist es ein Trans-Aktivist? Ist es jemand, der sich Sorgen um die Gesundheitsversorgung macht? Ist es jemand, der einfach nur Donald Trump nicht mag?»

Kommt hinzu, dass die Steuerbehörde IRS und die Einwanderungsbehörde ICE an einem Deal arbeiten, um Daten auszutauschen. ICE-Beamten soll es damit erlaubt sein, vertrauliche Steuerdaten zu verwenden, um Namen und Adressen von Personen zu überprüfen, von denen sie annehmen, dass sie sich illegal im Land aufhalten, berichtet die «Washington Post.»

Mit Agenturmaterial.

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