Unangenehme Wahrheit Wie sag ich's den Fans? Rechte US-Medien vor Trumps Abgang

AP

17.12.2020 - 18:00

Für Fox News war Trump der wichtigste Quotenbringer – doch wie überbringt man dem Publikum nun die Nachricht, dass er offenbar halt eben doch verloren hat?
Für Fox News war Trump der wichtigste Quotenbringer – doch wie überbringt man dem Publikum nun die Nachricht, dass er offenbar halt eben doch verloren hat?
Archivbild: Getty Images/Chip Somodevilla

Auch konservative US-Medien bereiten ihr Publikum inzwischen darauf vor, dass Donald Trump demnächst das Weisse Haus verlassen muss. Nach wochenlanger Realitätsverweigerung ist das geschäftlich riskant.

Als die Wahlleuteversammlung Joe Biden zum Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt hatte, startete Greg Kelly einen Aufruf. «Es ist noch nicht vorbei», versicherte der neue Star des Senders Newsmax den Fans seines unterlegenen Helden Donald Trump am Montag.

Mit seiner Glaubenstreue für Trumps haltlosen Vorwurf, er sei nur durch gigantischen Wahlbetrug um eine zweite Amtszeit gebracht worden, ist Kelly keineswegs der Einzige, der im rechten Medienspektrum um Trump-Unterstützer buhlt. Doch es gibt auch andere. Knapp fünf Wochen vor dem Ende der Amtszeit Trumps bereiten sich einige tatsächlich auf die Zeit danach vor, auch wenn es nur langsam mehr werden.

«Es ist vorbei», eröffnete Geraldo Rivera von Fox News nach Bidens Siegesrede seinem Publikum mit Blick auf Trumps Versuche, das Wahlergebnis auf dem Rechtsweg zu seinen Gunsten ändern zu lassen. Das «Wall Street Journal» kommentierte, Trump und seine Republikaner würden dem Land einen Dienst erweisen, wenn sie das Wahlergebnis akzeptieren und nach vorn blicken würden. Und Breitbart News brachte prominent die Meldung, dass Marylands republikanischer Gouverneur Larry Hogan Parteikollegen, die das Wahlergebnis nicht anerkennen, als «beschämend für uns» bezeichnet hat.

Fiktion verkauft sich besser als die Wahrheit

Das ist zwar realistisch, aber womöglich schlecht fürs Geschäft. In einer Umfrage von CBS und YouGov erklärten in dieser Woche 82 Prozent der Trump-Wähler, sie glaubten nicht, dass Biden rechtmässiger Wahlsieger sei. In einer Erhebung von Fox erklärten 77 Prozent von ihnen, sie seien überzeugt, dass in Wahrheit Trump die Wahl gewonnen habe.

Rechte Medien in den USA stehen vor der Frage, ob sie einem solchen Publikum die Wahrheit sagen sollen oder das, was es hören will. «Das mag jetzt eine unmoralische Antwort sein, aber mit Blick aufs Geschäft sagen Sie ihnen, was sie hören wollen», findet die Professorin Nicole Hemmer von der Columbia University, die ein Buch über die Rolle konservativer Medien bei der Veränderung der politischen Landschaft in den USA geschrieben hat. Schliesslich hätten während Trumps Amtszeit Konservative, die dem Präsidenten widersprachen, ihre Medien-Plattformen verloren, während Trump-Befürworter im Kommen seien.

Eine Unwahrheit löst die nächste ab

Viele konservative Medienleute betrachteten sich als Entertainer und fühlten sich in erster Linie ihrem Publikum verpflichtet, sagt der Autor und Dozent Brian Rosenwald von der Universität Pennsylvania. Das aber sehe in ihnen eine seriöse Nachrichtenquelle. Der Aufstieg immer neuer Rechtsmedien habe sie gezwungen, immer weiter nach rechts zu rücken und Politik als eine Art Kriegsführung darzustellen. «Falls sie es nicht tun, wird ihnen Ausverkauf vorgeworfen», sagt Rosenwald. «Das ist das Geschäft.»

Nach dem Votum der Wahlleute erwartet Hemmer, dass konservative Medien sich von der Darstellung verabschieden, die Wahl sei noch nicht entschieden. An ihre Stelle werde die Behauptung treten, die Wahl sei Trump gestohlen worden.

Wie schwer das einigen fällt, war am Tag der Abstimmung im Wahlleutegremium zu beobachten. Newsmax weigert sich noch immer, Biden als Wahlsieger auszurufen. Da fiel es umso mehr auf, dass sein Nachrichtenmoderator John Bachman ihn am Montag gleich zweimal als gewählten Präsidenten bezeichnete. Kollegen zierten sich noch. Chris Salcedo sprach von einer «möglichen Biden-Regierung» und Kelly erklärte, einen gewählten Präsidenten werde es erst geben, wenn der Kongress die Stimmen der Wahlleute am 6. Januar offiziell ausgezählt habe.

Kritik an Biden, nicht aber am Wahlergebnis

Fox erwähnte die Abstimmung der Wahlleute erst einmal gar nicht, um dann Trumps Sprecher Stephen Miller in die Sendung «Fox & Friends» einzuladen, in der er «Helden» dazu aufrief, «aufzustehen und das Richtige zu tun» und Trump eine zweite Amtszeit zu verschaffen. Bidens Siegesrede am Abend brachte Fox dann live. Moderator Tucker Carlson kritisierte Biden ausführlich, nicht aber das Wahlergebnis.

Auf der anderen Seite stehen die eingefleischten Trump-Fans. Maria Bartimoro etwa versicherte bei Fox, eine Geheimdienstquelle sage ihr, Trump habe die Wahl gewonnen. Lou Dobbs zitierte angebliche Wahlfälschungsvorwürfe aus fast allen Ecken des Landes und Moderator Sean Hannity lamentierte, wer sich nicht den «Wahldekreten» beuge, ziehe den Zorn eines Medien-Mobs auf sich.

Fox News ist gut aufgestellt

Die Vorstellung, dass Trump die Wahl durch Betrug verloren habe, werde wohl nicht verschwinden, sagt Produzent Steve Krakauer, der einen konservativen Newsletter vertreibt und den Podcast der einstigen Fox-Moderatorin Megyn Kelly betreibt. Eine langfristige Geschäftsstrategie sei das aber nicht. «Ich glaube auch nicht, dass das redaktionell besonders interessant ist», fügt er hinzu. Fox solle sich besser als Kontrollinstanz der künftigen Biden-Regierung etablieren, so wie das MSNBC und CNN während der vergangenen Jahre gegenüber Trump getan hätten.

Krakauer findet, Fox sei in dieser Hinsicht ganz gut aufgestellt. Newsmax habe nach der Wahl zwar zugelegt unter anderem mit Unterstützung Trumps. Aber was Nachrichten angehe, stehe Fox bei konservativen Zuschauerinnen und Zuschauern besser da. Auch halte sich die Enttäuschung von Trump-Fans über Fox in Grenzen.

Wie auch immer sich die konservative Medienlandschaft zurechtrütteln wird, für Biden wird es nicht angenehm. Die Sender hätten keine Lust, seinen Wahlsieg anzuerkennen, sagt Hemmer. Zusammenarbeiten mit ihm würden sie erst recht nicht. «Die Anreizstrukturen ermuntern jetzt zu mehr Radikalismus, mehr geheimen Verabredungen, mehr Blockade», sagt Hemmer. Der vergangene Monat sei für konservative Sender zwar ätzend gewesen, aber: «Das wird wohl in nicht allzu ferner Zukunft überwunden sein.»

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