Potente Luftabwehr So verzweifelt versucht Putin, Kiews Patriot zu zerstören

Von Philipp Dahm

19.5.2023

Kurz erklärt: Das Patriot-Raketenabwehrsystem

Kurz erklärt: Das Patriot-Raketenabwehrsystem

Das Flugabwehrraketensystem Patriot dient der Bekämpfung von grösseren Zielen in der Luft. Zum Schutz des Nato-Gebiets werden jetzt die ersten beiden von drei zugesagten Patriot-Staffeln der Bundeswehr nach Polen verlegt.

23.01.2023

Die gute Nachricht für Kiew: Die angeblich unaufhaltsame Kinschal lässt sich doch abfangen. Dass Wladimir Putin seine Hyperschall-Rakete auf die Patriot-Luftabwehr ansetzt, zeigt, wie wichtig diese für die Ukraine ist.

Von Philipp Dahm

19.5.2023

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Eine ukrainische Patriot hat angeblich russische Kinschal-Raketen abgefangen, die bisher als unaufhaltsam galten.
  • Der Kreml macht Jagd auf die Patriot und setzt die Kinschal offenbar gezielt ein, um die Batterien zu zerstören.
  • Russlands Meldung, eine Patriot-Batterie sei ausgeschaltet worden, ist unglaubwürdig. Die USA bestätigen einen Schaden, der aber bereits repariert sei.
  • Eine Patriot soll erstmals auch einen russischen Jet abgeschossen haben.

Als Russland am 18. Mai Odessa und Kiew aus der Luft angreift, ist es bereits das neunte Mal, dass im Mai Raketen auf die Ukraine abgefeuert werden.

Vor einem halben Jahr wäre noch die kritische Infrastruktur das Ziel gewesen: Stromausfälle sollten die Bevölkerung zittern lassen und ihren Durchhaltewillen brechen. Was bezweckt Wladimir Putin im Frühling mit den Attacken?

Potente Luftabwehr: ein Patriot-Startgerät bei einem Manöver der schwedischen Armee im April 2023 bei Stockholm.
Potente Luftabwehr: ein Patriot-Startgerät bei einem Manöver der schwedischen Armee im April 2023 bei Stockholm.
AP

Einerseits will der Kreml die ukrainische Luftabwehr ausbluten lassen, nachdem in den Pentagon Leaks behauptet wurde, Kiew ginge die Munition für die entsprechenden Systeme aus. Auch «The Times» berichtet am 21. April, der ukrainischen Luftabwehr drohe das Material auszugehen.

Für Moskau würde dieser Fall nicht nur bedeuten, dass ukrainische Städte wehrlos sind: Auch die angekündigte ukrainische Gegenoffensive ist ohne den Schutz durch Boden-Luft-Raketen kaum denkbar. Doch andererseits nimmt Russland ein System nun explizit ins Visier: Die amerikanische Patriot wird nun ganz gezielt gejagt, glauben Experten.

Kinschal jagt Patriot

Das zeigt sich erstmals am 16. Mai, als Kiew meldet, man habe erstmals eine russische Hyperschall-Rakete vom Typ Kinschal abgeschossen. Das ist deshalb ein grosser Erfolg, weil der Flugkörper als unverwundbar gilt: Bis dato wurde angenommen, die Kinschal könne nicht abgefangen werden, weil sie auch unter hoher Geschwindigkeit noch manövrieren kann.

Widersprüche im nächtlichen Luftangriff auf Kiew

Widersprüche im nächtlichen Luftangriff auf Kiew

Es ist der achte Angriff auf die ukrainische Hauptstadt – in nur einem Monat. In der Nacht auf Dienstag geriet Kiew unter intensiven Beschuss. Während ukrainische Streitkräfte melden, alle 18 Angriffe abgewehrt zu haben, widerspricht Russland.

19.05.2023

Washington bestätigt den Abschuss: Insgesamt seien sogar sechs Kinschal ausgeschaltet worden. Russland hingegen räumt nur ein, dass eine Kinschal abgefeuert worden sei – und diese habe ein Patriot-System zerstört. Was allen Darstellungen gemein ist: Der russische Angriff gilt offenbar gezielt dieser Flugabwehr-Batterie.

Die gute Nachricht für Kiew: Die Kinschal ist nicht unbesiegbar. Die schlechte: Moskau tut alles, um die beiden Patriot-Batterien auszuschalten, die Deutschland und die USA geliefert haben. Und dafür hat Putin mehrere gute Gründe: Eine solche Batterie kostet über eine Milliarde Franken. Schon deswegen lohnt sich die Jagd für den Kreml.

Patriot-Propagandaschlacht

Neben dem Preis ist auch die Propaganda ein Motiv: Moskau würde der Welt gerne zeigen, wie das Militär westliche Waffen wie die Panzerhaubitze 2000, einen Challenger 2 oder eben eine Patriot ausschaltet. Das spiegelt sich in den vermeintlichen Erfolgsmeldungen des Kreml wider, wenn voreilig gemeldet wurde, eine Patriot-Batterie sei zerstört worden.

Dabei besteht so eine Batterie aus nicht weniger als acht Startgeräten für Raketen, einem Radar, einer Antennenmastanlage und dem Feuerleitstand. Sie können entfernt voneinander platziert werden. In der PAC-3-Version kann jedes Startgerät vier Raketen aufnehmen. Für jedes Startgerät gibt es vier Kanister mit jeweils vier Raketen, also 16 Raketen pro Starter.

Dass Putin eine Patriot-Batterie mit einer Kinschal ausgeschaltet hat, ist gleichwohl wenig wahrscheinlich. «Unmöglich», nennt es der Sprecher der ukrainischen Luftwaffe: Jurij Ihnat sagt, wenn es nach Russland ginge, seien auch sämtliche Flugzeuge schon «achtmal» zerstört worden. «Macht euch keine Sorgen um das Schicksal der Patriot.»

Patriot schiesst angeblich russischen Jet ab

Das Pentagon räumt ein, ein Patriot-System sei in der Ukraine beschädigt, aber mittlerweile schon wieder repariert worden. Damit geht Putins Jagd auf das System in die nächste Runde, das sich dem Gegner durch sein starkes Radar verrät.

Der Kreml wird versuchen, es erneut mit verschiedenen Waffen wie Drohnen, Raketen und womöglich Gleitbomben anzugreifen, um die Flugabwehr zu überwältigen. Der US-Sender CNN berichtet derweil unter Berufung auf anonyme Offizielle, das Patriot-System habe inzwischen auch mindestens einen russischen Jet in weiter Entfernung abgeschossen.

Moskau setzt seine Flugzeuge mit Vorsicht ein: Sie verschiessen Raketen oder Gleitbomben noch vor der Grenze zur Ukraine, um auf der sicheren Seite zu bleiben. Weil der Ukraine eigene Kampfjets fehlen, hat Kiew bisher kein Gegenmittel für diese Attacken gehabt. Für Putin ist die Meldung über den Jet-Abschuss ein Grund mehr, das potente US-System zu zerstören.