Zehn Jahre nach Unabhängigkeit Zehn Jahre nach der Unabhängigkeit: Endspiel um das Kosovo beginnt

Von Thomas Brey, dpa

17.2.2018

Im Dauerkonflikt zwischen Kosovo und Serbien herrscht Stillstand überall: Bei der EU-Vermittlung und den beiden tief zerstrittenen Nachbarländern sowieso. Jetzt soll aber endlich eine Lösung kommen.

Was wurde nicht schon alles aufgeboten, um den jahrzehntelangen Kosovo-Konflikt zu lösen? Die NATO zwang 1999 unter Beteiligung der Bundeswehr in ihrem ersten Kampfeinsatz nach dem Zweiten Weltkrieg serbisches Militär und Freischärler zum Rückzug aus dem Kosovo. Dort hatten sie zuvor bis zu 800'000 Albaner gewaltsam vertrieben. 2007 stellte der frühere finnische Präsident und Friedensnobelpreisträger Martti Ahtisaari im Namen der UN nach schwierigen Verhandlungen seinen Kosovo-Plan vor - er existierte nur auf dem Papier.

Es gibt seit fast zwei Jahrzehnten eine UN-Kosovo-Verwaltung (UNMIK) und seit zehn Jahren die grösste ausländische EU-Rechtsstaatsmission (EULEX), die beim Aufbau demokratischer Strukturen helfen soll. Schliesslich sorgt die von der NATO geführte Schutztruppe (KFOR) für Sicherheit, bei der Bundeswehrsoldaten einer der wichtigsten Teile sind. Schliesslich vermittelt die EU-Aussenbeauftragte Federica Mogherini seit vielen Jahren weitgehend erfolglos zwischen Kosovo und Serbien. 2013 gab es zwar ein erstes Abkommen - doch wurde das nie umgesetzt.

Niemand konnte bisher den gordischen Knoten zerschlagen. Die über 90-prozentige albanische Bevölkerungsmehrheit verlangt die völkerrechtliche Anerkennung durch Serbien, wie es bisher schon mehr als 110 Staaten weltweit getan hatten. Belgrad will seine frühere Provinz wieder zurückhaben, weil hier seine mittelalterlichen Klöster und Schlachtfelder liegen. Jetzt hat Serbiens Staatspräsident Aleksandar Vucic als der unbestritten alles bestimmende Politiker in diesem Balkanland Vorschläge für eine dauerhafte Lösung angekündigt.

«Sie verhalten sich wie Prostituierte»

Obwohl er noch kein einziges Detail veröffentlicht hat, schrillten bei seinen Landsleuten die Alarmglocken. Bischof Amfilohije, immerhin die Nummer zwei in der Orthodoxen Kirche, beschuldigte Vucic sofort, «das Kosovo zu verraten». «Sie verhalten sich wie Prostituierte» und wollten das Kosovo gegen die EU-Mitgliedschaft regelrecht verkaufen, donnerte Nationaldichter Matija Beckovic in der Zeitung «Danas» über Vucic und dessen Regierung. In der Tat wiederholt die EU gebetsmühlenartig, dass eine Mitgliedschaft des Beitrittskandidaten Serbien nur möglich ist, wenn der Kosovo-Konflikt gelöst ist.

Wenn jemand dieses europäische Dauerproblem einer Lösung näher bringen kann, so ist das der starke Mann Vucic. Das sagen jedenfalls europäische Diplomaten hinter vorgehaltener Hand. Denn der habe einen historisch so überragenden Einfluss in seiner Heimat, dass er möglicherweise seine emotional aufgewühlten Landsleute umstimmen kann. Allerdings haben westliche Politiker auch klargemacht, dass Vucic als Gegenleistung für seine jahrelange Unterstützung «jetzt liefern muss». Spätestens bis zum kommenden Jahr soll die Frage vom Tisch sein, heisst es.

Was kann Vucic theoretisch anbieten, um seine Bürger mit dem Verlust des Kosovos als dem «Herzen Serbiens» und dem «serbischen Jerusalem» zu versöhnen? Es gibt viele Spekulationen, von denen die meisten einen Gebietstausch unterstellen. Nordkosovo mit seiner lokalen serbischen Mehrheit soll zu Serbien kommen. Im Gegenzug könnte das sogenannte Presevo-Tal in Südserbien mit seinen geschätzten bis zu 100'000 Albanern Kosovo zugeschlagen werden. Schliesslich muss auch noch eine Lösung zum Schutz der serbischen Kosovo-Klöster gefunden werden, wobei der Vatikan als Vorbild dienen könnte, heisst es.

Als Reaktion auf die noch unbekannten Vucic-Pläne hat die komplette nationalistische Intellektuellen- und Politikerriege im letzten Monat unter massgeblichem Einfluss der Kirche einen «Appell zur Verteidigung Kosovos» unterschrieben. Hauptforderungen: Ende der EU-Vermittlung zwischen den verfeindeten Nachbarn; Stopp der EU-Mission im Kosovo (EULEX) und der NATO-Schutztruppe KFOR; Einfrieren des Streits nach dem Vorbild des Zypernkonflikts. Brüssel und Washington dürften die Haare zu Berge stehen und auch Vucic weiss, dass in diesem Fall ein EU-Beitritt des armen Landes eine Utopie bleibt.

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