«Unethisch und problematisch» Reisebüro ködert Touristen mit Impf-Ferien in Russland

tafu

4.3.2021

Moskau dürfte für Impfwillige bald ein attraktives Reiseziel werden.
Moskau dürfte für Impfwillige bald ein attraktives Reiseziel werden.
Bild: Keystone/Alessandro Della Bella

Während viele noch immer auf einen Impftermin warten, tritt ein Reiseveranstalter mit einem ganz besonderen Angebot auf den Markt: Impf-Ferien in Russland. 

tafu

4.3.2021

Auf einen Impftermin müssen viele hierzulande noch eine Weile warten.  Mit Tricksereien konnten sich ganz Eilige Impfungen im Ausland ergattern – allerdings unter teils zwielichtigen oder moralisch fragwürdigen Bedingungen. Auch ein deutscher Reiseanbieter sorgte bereits im Februar für Aufsehen, als er im Rahmen von drei- bis vierwöchigen Erholungs- und Gesundheitsferien Impfungen in Aussicht stellte.

Allerdings war eine Buchung solcher Reisen bisher nicht möglich. Umso verlockender scheint da das Angebot eines Reiseanbieters aus Norwegen, der nun als Erster mit einem konkreten Angebot auf den deutschen Markt tritt.

Wie «Die Welt»» berichtet, bietet der Veranstalter namens World Visitor bereits jetzt Reisen für Impfwillige an. Das Ziel: Russland. Für 2999 Euro soll in Kürze ein dreiwöchiger Kuraufenthalt verfügbar sein. Albert Sigl, deutscher Mitinhaber des Reiseveranstalters, zeigt sich optimistisch, dass bereits in der kommenden Woche entsprechende Reisen buchbar sind. Warum die Wahl auf Russland fällt, ist leicht erklärt: Nur hier ist Corona-Impftourismus bisher erlaubt.



In der 22-tägigen Gesundheitsreise sind gemäss Angaben des Veranstalters Flug, Übernachtung im Kur- und Wellnesshotel, Transfers, eine deutschsprachige Reiseleitung sowie die Vereinbarung von zwei Arztterminen in einem Impfzentrum in Russland enthalten. Zusätzlich können zwischen den beiden Impfterminen Ausflüge hinzugebucht werden.

Geimpft wird nur mit Zusatzkosten

Wer genauer hinschaut merkt, dass ein entscheidendes Detail fehlt: Zwar werden die Arzttermine vereinbart, von der Impfung selbst ist allerdings nicht die Rede. «Wir geben weder ein Heilversprechen, eine Impfzusage noch andere Zusagen zum medizinischen Aspekt Ihres Vorhabens», heisst es in den Hinweisen zu den Reisedetails auf der Website.

«Der Arzttermin selbst und die Beauftragung zur Impfung, sowie des Dolmetschers obliegt Ihnen.» Dafür würden Zusatzkosten von etwa 70 bis 100 Euro pro Termin anfallen. Erst nach einem Beratungsgespräch entscheide man sich dann, ob man sich tatsächlich den russischen Impfstoff Sputnik-V spritzen lassen möchte. Denn: Von der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA) ist der Impfstoff noch nicht zugelassen.



Wie genau so eine Impfreise ablaufen soll, das habe «Welt» aus einer exklusiv vorliegenden Pressemitteilung vorab erfahren. Vor dem Abflug müssten die Reisenden auf eigene Kosten einen PCR-Test durchführen lassen, der bei Abflug nicht älter als 72 Stunden sein darf.

Der Flug werde von der russischen Fluggesellschaft Aeroflot durchgeführt. Statt einer längeren Reise gebe es auch noch andere Varianten, beispielsweise zwei Kurztrips nach Moskau, bei denen die Reisenden in einem Transithotel an einem der Moskauer Flughäfen übernachten und selbst für die Impfung diesen nicht verlassen müssen. Für diese Lösung werde das russische Aussenministerium offenbar in Kürze die Erlaubnis erteilen, so Albert Sigl.

Noch viele Unsicherheiten

Auch für die 22-tägige Reise ist eine Genehmigung nötig – besser gesagt: eine spezielle Einladung für medizinisch veranlagte Reisen des russischen Innenministeriums. Doch auch das stelle laut Veranstalter kein Problem dar, innerhalb von acht bis zehn Tagen werde eine solche Einladung besorgt.

Subventioniert von der russischen Regierung sei die Reise allerdings nicht, so der Veranstalter. Die Kosten fielen vergleichsweise gering aus, da auch in Russland viele Hotels Leerstände hätten. Daher handle es sich auch um ein Geschäftsmodell auf Zeit, das seiner Meinung nach ganz sicher Nachahmer finden werde.



Bevor Impfwillige nun eine solche Reise buchen, sollten sie gewisse Dinge berücksichtigen. So fehle es bisher komplett an Informationen von russischer Seite, erklärt Robert Bartel von der Verbraucherzentrale Brandenburg der «Welt». Ausserdem seien die Rahmenbedingungen für eine solche Reise noch zu unsicher, Reisetermine stünden noch nicht fest. Man muss sich auf die Angaben des norwegischen Veranstalters verlassen.

Moralisch und ethisch vertretbar?

Moralische Bedenken brauche man nach Aussage des Veranstalters bei einer solchen Reise allerdings keine haben, wie auf seiner Website zu lesen ist. Man nehme niemandem den Impfstoff weg, denn schliesslich könne sich jeder in Russland impfen lassen. Für jeden, der diese Möglichkeit wahrnehme, würde in seinem Heimatland innerhalb der Impfreihenfolge ein Platz frei werden.

Karl Lauterbach, Gesundheitsexperte der SPD in Deutschland, ordnet dieses Vorgehen allerdings deutlich anders ein. Solche Reisen seien «sehr problematisch» und ein «unethisches Geschäftsmodell», erklärte er dem WDR. Überschüssige Impfdosen sollten besser bedürftigeren Ländern zur Verfügung gestellt werden, die Schwierigkeiten hätten, ihre Bürger zu impfen.