Israel Zweite Explosionswelle schockt den Libanon

SDA

18.9.2024 - 19:21

Libanesische Soldaten und Feuerwehrleute versammeln vor einem Geschäft, in dem vermutlich ein Funkgerät explodiert ist. Foto: Mohammad Zaatari/AP/dpa
Libanesische Soldaten und Feuerwehrleute versammeln vor einem Geschäft, in dem vermutlich ein Funkgerät explodiert ist. Foto: Mohammad Zaatari/AP/dpa
Keystone

Bei erneuten Explosionen zahlreicher elektronischer Geräte sind im Libanon nach Behördenangaben über 450 Menschen verletzt worden. Ausserdem seien 14 weitere getötet worden. Wie am Vortag soll es viele Mitglieder der proiranischen Hisbollah getroffen haben, hiess es aus libanesischen Sicherheitskreisen.

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Bereits am Dienstag waren an mehreren Orten im Libanon gleichzeitig Hunderte Pager explodiert, die Menschen unter anderem in ihren Hosentaschen trugen. Dabei wurden rund 2.800 Menschen verletzt und mindestens 12 starben. Die Hisbollah machte Israel für den Angriff vom Dienstag verantwortlich und schwor Vergeltung. Israel selbst äusserte sich dazu nicht. Auch die Explosionen vom Mittwoch kommentierte Israel zunächst nicht.

Angesichts der Lage will der UN-Sicherheitsrat zu einer Dringlichkeitssitzung zusammenkommen. Das mächtigste Gremium der Vereinten Nationen soll sich nach Angaben aus Diplomatenkreisen am Freitag um 21.00 Uhr MESZ treffen.

Israels Verteidigungsminister Joav Galant kündigte eine «neue Phase» des Kriegs mit einem Fokus auf den Norden an.

Erneute Explosionen während Beerdigungszeremonien

Die zweite Explosionswelle durchzog den Libanon am späten Nachmittag. Während im südlichen Beiruter Vorort Beerdigungen für Opfer vom Vortag abgehalten wurden, wurden die erneuten Explosionen gemeldet. Aus Hisbollah-Kreisen hiess es, «drahtlose Geräte wie Walkie-Talkies» seien explodiert.

Videos in sozialen Medien zeigten, wie sich während der Beerdigungszeremonie Panik ausbreitete, nachdem Knallgeräusche zu hören waren. Der ranghohe Hisbollah-Funktionär Hashim Safieddine sagte als Reaktion auf die explodierten Pager vom Vortag: «Diese Aggression hat ihre eigene Strafe und Vergeltung, und die Strafe wird kommen.» Die Hisbollah hatte bereits zuvor Vergeltung angekündigt. Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah wird sich am Donnerstag an die Öffentlichkeit wenden.

Viele Häuser und Autos beschädigt

Auch in der Hafenstadt Tyrus im Süden des Landes waren Explosionsgeräusche zu hören, wie Menschen von vor Ort berichteten. Zahlreiche Krankenwagen seien im Einsatz. Lokale Medien berichteten ausserdem von Explosion in Sidon und weiteren Orten im Süden des Landes. Der libanesische Zivilschutz sagte, seine Teams seien im Süden und Osten des Landes und in den südlichen Vororten Beiruts im Einsatz, um Brände an Autos, in Geschäften und weiteren Gebäuden zu löschen. Diese Gebiete werden vor allem von der Hisbollah kontrolliert.

Bereits zuvor hatte die libanesische Regierung erklärt, sich auf einen möglichen israelischen Grossangriff vorzubereiten. Der Leiter des Notfallausschusses der Regierung, Nasser Yassin, sagte laut libanesischer Nachrichtenagentur NNA: «Wir haben mögliche Szenarien für den Fall ausgedehnter israelischer Angriffe vorgestellt.» Das Bildungsministerium habe eine Liste mit rund 100 Schulen vorgelegt, die als Notunterkünfte dienen könnten. Nahrungsmittelreserven reichten nach Regierungsangaben im Libanon für mehr als drei Monate.

UN-Generalsekretär sieht Hinweise auf «dramatische Eskalation»

UN-Generalsekretär António Guterres sieht angesichts der Explosionen Hinweise auf eine massive bevorstehende Eskalation in Nahost. «Die Logik hinter der Explosion all dieser Geräte besteht natürlich darin, dies als Präventivschlag vor einer grösseren Militäroperation zu tun», sagte Guterres in New York.

Es bestehe die «ernsthafte Gefahr einer dramatischen Eskalation», so Guterres weiter. Es müsse alles getan werden, um diese zu verhindern. Guterres sprach bei einer Pressekonferenz und bezog sich auf die Explosionen vom Dienstag – die Nachrichten der neuerlichen Detonationen trudelten während der Veranstaltung ein.

Das UN-Menschenrechtsbüro hatte den ersten mutmasslich von Israel koordinierten Angriff zu diesem Zeitpunkt bereits als «schockierend» verurteilt. Es verstosse gegen internationale Menschenrechtsnormen, einen Angriff gleichzeitig auf Tausende Personen durchzuführen, ohne zu wissen, wer das Gerät zum Zeitpunkt des Angriffs bei sich hatte, oder wo und in welcher Umgebung die Person sich gerade befand. Es könne sich auch um einen Verstoss gegen das humanitäre Völkerrecht handeln. Definitive Feststellungen, ob eine Tat gegen das humanitäre Völkerrecht verstösst, können nur Gerichte vornehmen.

Gegenseitiger Beschuss an der Grenze geht weiter

Immer wieder gab es in den vergangenen Monaten die Befürchtung, der seit Monaten andauernde Beschuss zwischen der Hisbollah und dem israelischen Militär könne sich neben dem Gaza-Krieg zu einem zweiten, grossen Kriegsschauplatz verwandeln. Seit Beginn des Kriegs im Gazastreifen zwischen Israel und der islamistischen Hamas vor fast einem Jahr kommt es auch zwischen Israel und der Hisbollah nahezu täglich zu militärischen Konfrontationen. Schon vor den Explosionen im Libanon hatte sich die Lage deutlich zugespitzt.

Auch am Mittwoch kam es wieder zu gegenseitigem Beschuss. Die Hisbollah handelt nach eigenen Aussagen in Solidarität mit der Hamas im Gazastreifen. Israels Armee teilte mit, dass mehr als 30 Geschosse aus dem Libanon Richtung Israel abgefeuert worden seien. Berichte über Verletzte gab es zunächst nicht. Die Hisbollah reklamierte mehrere Angriffe auf israelische Ziele für sich. Die libanesische Staatsagentur NNA berichtete von mehreren israelischen Angriffen auf Orte im Südlibanon.

Israels Verteidigungsminister Joav Galant kündigte bereits eine «neue Phase» des Kriegs an. Fokus sei die Front im Norden, wo die Armee sich die Gefechte mit der Hisbollah liefert, berichteten mehrere Medien unter Berufung auf Galants Büro. Kräfte und Ressourcen sollten in den Norden verlagert werden, zitierten israelische Medien Galant weiter. Er habe an das kürzlich festgelegte Kriegsziel Israels erinnert: die Rückkehr geflüchteter Bürger in das Grenzgebiet.