Kein Geld, kein Essen, kein PlanDer längste Stillstand: Wie der US-Shutdown Alltag, Wirtschaft und Politik lähmt
dpa
1.11.2025 - 13:51
Mehr als ein Haushaltsstreit: Der Shutdown als Machtprobe in Washington.
Keystone/AP Photo/Evan Vucci
Seit einem Monat stehen die Regierungsgeschäfte in den USA in weiten Teilen still. Der Shutdown beeinflusst nicht nur das Leben der Amerikaner – auch Menschen aus dem Ausland spüren Folgen.
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01.11.2025, 13:51
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Seit einem Monat geht in vielen Behörden und Institutionen in den USA kaum noch etwas. Die Republikaner von US-Präsident Donald Trump und die Demokraten können sich nicht auf einen Bundeshaushalt einigen. Eine Lösung des Konflikts ist nicht in Sicht.
Der bislang längste Shutdown dauerte 35 Tage. Experten halten es durchaus für wahrscheinlich, dass der jetzige Stillstand noch Wochen andauern könnte.
Was ist ein Shutdown?
Das amerikanische Parlament – der Kongress – konnte sich bis Ende September nicht auf einen neuen Bundeshaushalt einigen. Ein Entwurf von Trumps Republikanischer Partei für einen Übergangsetat fand keine erforderliche Mehrheit. Zuvor war ein demokratischer Vorschlag gescheitert. Weil keine Mittel mehr zur Verfügung stehen, kamen Teile der Regierungstätigkeit zum Erliegen.
Nicht als systemrelevant eingestufte Institutionen wie das Büro für Arbeitsmarktstatistik mussten schliessen oder ihre Angestellten in Zwangsurlaub schicken. Die Regierungsarbeit kommt also bei einem Shutdown in grossen Teilen zum temporären Stillstand, bis die Haushaltssperre gelöst ist.
Welche Streitpunkte gibt es zwischen den Parteien?
Ein zentraler Knackpunkt ist die Debatte um die Gesundheitsausgaben:
Medicaid: Die Demokraten wollen Kürzungen beim staatlichen Vorsorgeprogramm für einkommensschwache Menschen rückgängig machen. Diese Einschnitte waren Teil von Trumps großem Steuergesetz. Die Republikaner lehnen Änderungen ab, weil das Gesetz erst im Sommer verabschiedet wurde.
Obamacare: Die Republikaner wollen die Subventionen für private Krankenversicherungen begrenzen. Die sollen nur noch zwei Jahre lang und auch nur für Menschen mit legalem Aufenthaltsstatus gelten. Die Demokraten halten dagegen eine dauerhafte Fortsetzung der Zuschüsse für angemessen, um Millionen von Amerikanern den Zugang zu einer bezahlbaren Krankenversicherung zu sichern. Denn in den USA gibt es im Gegensatz zu Deutschland keine allgemeine staatliche Krankenversicherung.
Ab heute werden dann neue Krankenversicherungsprämien festgelegt – weil über eine Verlängerung der Subventionen bislang nicht entschieden ist, könnten die Eigenanteile vieler Versicherter deutlich steigen.
Allerdings könnten sich die Republikaner damit selbst schaden: Laut gemeinnütziger Kaiser Family Foundation leben etwa drei Viertel der Begünstigten in Bundesstaaten, die Trump bei der vergangenen Präsidentschaftswahl gewonnen hatte. Steigende Kosten träfen die eigene Wählerbasis – und innerhalb der Partei dürfte die Debatte darüber stärker werden, ob ideologische Prinzipien oder die Interessen der eigenen Wählerinnen und Wähler schwerer wiegen.
Welche Folgen hat die Haushaltssperre für das Regierungspersonal?
Etliche Regierungsmitarbeiter erhalten kein Gehalt mehr, auch wenn es meist doch noch rückwirkend ausgezahlt wird. Viele von ihnen leben – wie auch zahlreiche andere Amerikaner – von Gehaltsscheck zu Gehaltsscheck und haben kaum Rücklagen. Beschäftigte in wichtigen Bereichen wie Militär, Grenzschutz, Notfalldienste oder Luftsicherung arbeiten zunächst unbezahlt weiter – das Geld wird in der Regel nachträglich gezahlt. Kongressmitglieder und der Präsident bekommen ihr Gehalt weiter. Für Subunternehmer ist eine Nachzahlung nicht garantiert.
Der parteiübergreifende Think-Tank Bipartisan Policy Center schätzt, dass Ende Oktober mindestens 670'000 Regierungsmitarbeiter zwangsweise in den Urlaub geschickt wurden. Etwa 730'000 weitere Mitarbeiter arbeiten unbezahlt. Viele bangen zudem um ihre Jobs. Die Regierung wollte Stellen dauerhaft streichen. Entlassungen im Zuge des Shutdowns wurden vorläufig gerichtlich untersagt.
Für Regierungsmitarbeiter gibt es mittlerweile einige Hilfsangebote. Die gemeinnützige World Central Kitchen zum Beispiel teilte Essen an zwangsbeurlaubte Angestellte aus. Manche Restaurants und Bars in Washington bieten spezielle Rabatte bei Vorlage eines Dienstausweises an. An Flughäfen spendeten Airlines Mahlzeiten an betroffene Angestellte.
Shutdown bedroht Nahrungsmittelhilfe für US-Bürger
STORY: Nationalgardisten im Einsatz bei einer Tafel in Los Angeles am Donnerstag: Der US-Bundesstaat Kalifornien hat die uniformierten Kräfte als Helfer geschickt, um bei der Lebensmittelversorgung mit anzupacken. Durch den Regierungsstillstand in den USA, den sogenannten «Shutdown», hatte sich hier eine Lücke aufgetan. David May, Marketingchef Los Angeles Regional Food Bank «Wir sind sehr dankbar für die Hilfe der Nationalgarde. Schauen Sie auf die COVID-19-Pandemie zurück, da hatte sie rund zwei Jahre lang eine ähnliche Rolle inne. Sie helfen dabei, die Lebensmittel vorzubereiten und sorgen dafür, dass diese gesund und sicher sind, wenn wir sie an die Bevölkerung verteilen.» Aber nicht nur die Verteilung der Lebensmittel ist für die Helfer eine Herausforderung. Auch die staatliche Nahrungsmittelhilfe SNAP könnte zum Erliegen kommen. Das Programm, über das Bedürftige Lebensmittelmarken bekommen, läuft am Samstag aus. Der Notfallplan des US-Landwirtschaftsministeriums hatte ursprünglich Reservemittel für SNAP vorgesehen. Am vergangenen Wochenende teilte die Behörde jedoch mit, dass ab 1. November keine Leistungen mehr ausgezahlt würden. Eine Koalition von demokratisch geführten US-Bundesstaaten reichte am Dienstag Klage dagegen ein. David May, Marketingchef Los Angeles Regional Food Bank «Das muss dringend gelöst werden. Wir halten uns aus der Politik heraus. Wir wissen nur, dass es Menschen gibt, die mit Ernährungsunsicherheit zu kämpfen haben. Es gibt Menschen in unseren Gemeinden, die Hunger leiden. Und als Tafel wollen wir das nicht sehen. Wir möchten, dass die Menschen die Lebensmittel bekommen, die sie brauchen. Wir möchten nicht, dass Menschen hungern.» Demokraten und Republikaner im Kongress geben sich gegenseitig die Schuld für den seit 30 Tagen andauernden Shutdown. Im Zuge des Stillstands ist auch die Zahl der Menschen gewachsen, die Hilfe in Anspruch nehmen müssen, so wie hier in der US-Hauptstadt Washington reihen sich auch Bundesbedienstete in die Warteschlangen ein. Anthony Spade, Bundesangestellter «Normalerweise hätte ich heute mein Gehalt bekommen. Aber auf meinem Konto war nichts zu sehen. Ich muss Rechnungen bezahlen. Ich habe eine Familie, für die ich sorgen muss. Das bringt eine Menge Unsicherheit mit sich. Ich bin froh, dass ich hier die Gelegenheit habe, Hilfe zu bekommen.» Landesweit sind 750.000 Bundesbedienstete seit dem Ende der Finanzierung beurlaubt. Die Trump-Regierung hat zwar Massnahmen ergriffen, um Soldaten, Bundespolizisten und Einwanderungsbeamte zu bezahlen, andere Bundesangestellte bleiben jedoch weiter ohne Bezahlung.
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Wie wirkt sich all das auf die Wirtschaft aus?
Die Haushaltssperre wirkt sich in mehrfacher Hinsicht negativ auf die Wirtschaft aus. Die vielen Regierungsmitarbeiter müssen ihre Ausgaben herunterfahren – die Konsumlaune im gesamten Land rutscht ab. Zudem vergeben Behörden und Institute keine Aufträge mehr, so dass auch die Privatwirtschaft unter den fehlenden Ausschreibungen leidet.
Das überparteiliche Haushaltsbüro des Kongresses schätzte jüngst, dass der US-Wirtschaft bei einer Shutdown-Dauer von vier und acht Wochen sieben bis 14 Milliarden Dollar (sechs bis zwölf Milliarden Euro) dauerhaft verloren gehen.
Das ist deutlich mehr als beim bisher längsten Shutdown über den Jahreswechsel 2018/19: Dem Haushaltsbüro zufolge gingen damals insgesamt drei Milliarden Dollar an Wirtschaftsleistung dauerhaft verloren. Mit «dauerhaftem» Verlust ist jener Teil der entgangenen Wirtschaftsaktivität gemeint, der selbst nach dem Ende eines Shutdowns etwa durch nachträgliche Gehaltszahlungen und Projektvergaben nicht kompensiert werden kann.
Welche Folgen hat der Shutdown für Bevölkerung und Touristen?
Nach Regierungsangaben erhalten rund 42 Millionen Amerikaner Essensmarken – ihnen droht zu Beginn des Novembers der Ausfall von Lebensmittelhilfen. Betroffen sind vor allem Familien mit geringem Einkommen, Alleinerziehende und Ältere, die auf monatliche Leistungen des sogenannten SNAP-Programms angewiesen sind («Supplemental Nutrition Assistance Program»).
Dutzende Städte klagen deswegen gegen die Regierung. Zuletzt hatte eine Bundesrichterin die Trump-Regierung in einer vorläufigen Anordnung dazu angewiesen, staatliche Lebensmittelhilfen aufrechtzuerhalten.
Ferner werden Medien zufolge Anträge bei Behörden nur verzögert bearbeitet. Im Flugverkehr häufen sich Verspätungen und Ausfälle. Touristen, die in die Vereinigten Staaten wollen, müssen etwa für die Visumbearbeitung oder die Einreise mehr Zeit einplanen. Auch das Kulturangebot ist beeinträchtigt: Zahlreiche Museen – auch die der Smithsonian Institution – sind geschlossen. Nationalparks bleiben zwar offen, allerdings nicht die Besucherzentren vor Ort.
Wie blicken die Amerikaner auf den Shutdown?
Umfragen zufolge macht eine Mehrheit der Amerikaner die Republikaner für die Haushaltssperre verantwortlich. Das könnte wiederum den Demokraten bei den anstehenden Wahlen zugutekommen. Am 4. November 2025 werden die neuen Bürgermeister von New York und New Jersey sowie die neue Gouverneurin des Bundesstaates Virginia gewählt. Die Ergebnisse gelten als Stimmungstest für die wichtigen Kongresswahlen (Midterms) im November 2026.
Wie geht es nun weiter?
Ende November steht mit Thanksgiving (Erntedankfest) einer der wichtigsten US-Feiertage bevor. Traditionell reisen dann Hunderttausende zu ihren Familien und Freunden. Angesichts der ohnehin schwierigen Personalsituation an den Flughäfen könnten dann kurzfristige Reiseänderungen die Stimmung im Land noch weiter trüben.
Mit dem 4. November würde der Shutdown so lange dauern wie 2018, als sich der Stillstand 35 Tage langgezogen hatte. Auch damals regierte Trump die USA. Erst, nachdem die Mehrheit der Bevölkerung die Republikaner für die Haushaltsblockade verantwortlich gemacht und sich wirtschaftliche Verluste angehäuft hatten, bewegten sich beide Parteien aufeinander zu. Trump unterschrieb am 25. Januar 2019 ein Gesetz, das die teilweise Wiederaufnahme der Regierungsgeschäfte ermöglichte.
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