Immer in LebensgefahrJunge Kambodschaner wollen nicht mehr auf Palmen klettern
Von Sopheng Cheang, AP
16.3.2024 - 22:12
Chin Choeun verrichtet seit Jahrzehnten eine harte Arbeit: Er erntet Palmensaft, aus dem Zucker gewonnen wird. Seine Söhne und Enkel wollen auf diese Weise nicht ihr Geld verdienen.
DPA, Von Sopheng Cheang, AP
16.03.2024, 22:12
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Seit Jahrzehnten verdienen Palmenkletterer in Kambodscha mit dem Ernten von Saft ihren Lebensunterhalt.
Vielen Kambodschanern der jüngeren Generation ist die Arbeit zu hart und gefährlich.
Junge Menschen wandern lieber in die Grossstädte ab, um dort weniger waghalsig ihr Geld zu verdienen
Fast zwölf Stunden täglich bringt Chin Choeun damit zu, Saft von Palmen zu ernten, den er zusammen mit seiner Frau zu Palmzucker verarbeitet.
Der 54-Jährige brüstet sich damit, einer der geschicktesten Palmenkletterer Kambodschas zu sein. Beigebracht hat ihm das sein Vater. Aber nach 36 Jahren, in denen er einen Baum nach dem anderen erklommen hat, will sich Choeun zur Ruhe setzen – irgendwann in den kommenden Jahren. Der Grund sind altersbedingte Sicherheitsbedenken.
«Es war ein Job, den ich von meinem Vater übernommen habe. Es war sein Vermächtnis, und ich möchte nicht, dass es wegen mir endet, aber ich weiss, dass es nach mir vorbei sein wird», sagt Choeun. Seine Söhne finden den harten und gefährlichen Job nämlich wenig reizvoll.
Auf 20 Bäume am Tag
Junge Menschen aus den ländlichen Regionen Kambodschas haben heute mehr Möglichkeiten, Geld zu verdienen, als die Generation Choeuns, die nur in der Landwirtschaft arbeiten konnte. Viele der Jungen sind abgewandert, um in grossen Städten ihr Glück zu suchen, teils sogar in anderen Ländern wie Thailand, Südkorea oder Japan.
«Ich bedauere, dass meine Söhne und Enkelsöhne mir nicht nachfolgen können, aber ich respektiere ihre Entscheidung», sagt Choeun, der vier Kinder und zehn Enkel hat.
Palmenkletterer schneiden den Stumpf des Baumes an, an dem sich die Frucht befindet, und binden einen Bambusbehälter daran fest, der über Nacht die austretende Flüssigkeit auffängt. Am nächsten Morgen müssen sie erneut hinaufklettern, um die Ernte einzufahren, die dann in einem grossen Topf gekocht und mit einem Holzstab gerührt wird, bis sie eindickt.
Es ist eine anstrengende Arbeit. Choeun malocht von sechs Uhr in der Frühe bis 18 Uhr am Abend. In dieser Zeit klettert er auf 20 Bäume, um sein Werk zu verrichten. Seine Frau Chin Ith kocht den Saft über dem offenen Feuer und rührt, bis die gewünschte Konsistenz erreicht ist.
12 Stunden klettern für 22 Franken
Aus dem Saft, den Choeun an einem Tag sammelt, lassen sich etwa zehn Kilogramm Zucker gewinnen. Mit dem Verkauf an lokale Händler verdient er etwa 100’000 kambodschanische Riel (rund 22 Franken) pro Tag.
Auch in anderen Bereichen des täglichen Lebens der Kambodschaner spielen Palmen eine wichtige Rolle, vor allem auf dem Land. Palmblätter werden verwendet, um Dächer zu decken, Hüte, Matten und Körbe herzustellen. Und aus dem Stamm lassen sich Boote, Möbel, Souvenirs und sogar ganze Häuser fertigen. Die Palmyra-Frucht wird für Desserts wie Palmkuchen verwendet und aus den Blüten lässt sich ein süsser Saft gewinnen, der auch für alkoholische Getränke genutzt werden kann.
Palmen werden als offizieller Baum Kambodschas angesehen. Inoffiziellen Zahlen zufolge wachsen zwischen drei Millionen und sechs Millionen Palmen natürlich im ganzen Land, wenngleich Holzeinschlag mit der Ausbreitung urbaner Gebiete zu einer Gewohnheit wird.