Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf sind vor allem als Spassvögel bekannt – machen aber auch immer wieder auf ernste Themen aufmerksam. Der jüngste Beitrag zu sexuellen Übergriffen auf Frauen wird im Netz viel diskutiert – und kommt gut an.
Sexistische Sprüche und Nachrichten oder ungefragt Bilder von männlichen Geschlechtsteilen geschickt bekommen – viele Frauen kennen das. Auch dass bei Vergewaltigungen zumindest eine Mitschuld bei der Kleidung einer Frau gesucht wird, ist keine Seltenheit.
Auf all diese Themen haben die Moderatoren Joko Winterscheidt (41) und Klaas Heufer-Umlauf (36) mit ihrer Sendung «Männerwelten – Belästigung von Frauen» ein Schlaglicht geworfen – und ernteten dafür im Netz vor allem Dank und Zustimmung. Zahlreiche Nutzerinnen und Nutzer von sozialen Medien zeigten sich bestürzt und berichteten ebenso von ähnlichen Erfahrungen – von sexueller Belästigung bis hin zu sexueller Gewalt.
Winterscheidt und Heufer-Umlauf hatten bei ProSieben 15 Minuten freie Sendezeit erspielt und sie für das ernste Thema genutzt. Als «Nichts für schwache Nerven», hatte Heufer-Umlauf den Beitrag bei Twitter angekündigt. In ihrem gemeinsamen Twitter-Account schrieben Joko und Klaas mit Blick auf die Corona-Pandemie: «Fast die Hälfte aller Frauen in Deutschland wurde schon einmal sexuell belästigt. Auch in den aktuellen Krisenzeiten dürfen andere wichtige Themen nicht untergehen.» Die Autorin und Journalistin Sophie Passmann führte ab 20.15 Uhr durch die fingierte Kunstausstellung «Männerwelten».
Rund 2,04 Millionen Zuschauerinnen und Zuschauer sahen die Sendung am Mittwochabend im Fernsehen, das entspricht einem Marktanteil von 6,3 Prozent. Auf Youtube wurde der Beitrag bis Donnerstagmittag mehr als eine Millionen mal aufgerufen. ProSieben kündigte auf Twitter an, den Beitrag am späten Donnerstagabend noch einmal zu senden: «Weil es so wichtig ist.»
Auf Twitter wurde der Hashtag #maennerwelten bis Donnerstagmittag mehr als 18 000 mal benutzt. Der Grundtenor: Danke an Joko und Klaas, dass sie dieses wichtige Thema zu dieser Sendezeit thematisieren. «Es ist nicht deine Schuld. Niemals #Männerwelten», twitterte etwa die frauenpolitische Sprecherin und stellvertretende Vorsitzende der Grünen im Bund, Ricarda Lang. Die Journalistin Anne Will verlinkte den Beitrag in einem Tweet mit dem Zusatz «Pflichtprogramm».
Aussenminister Heiko Maas (SPD) bedankte sich mit einem Tweet bei den Moderatoren sowie allen Frauen, die «von ihren grausamen Erfahrungen berichtet haben». «Lasst uns gemeinsam gegen Sexismus und sexualisierte Gewalt kämpfen.» Der SPD-Europaabgeordnete Tiemo Wölken bezeichnete die Viertelstunde als «die wahrscheinlich wichtigsten 15 Minuten Fernsehen des Jahres». Die Frauen hätten «uns Männern den abscheulichen #Männerwelten-Spiegel vorgehalten».
Lob kam auch von anderer Seite der Bundesregierung: «Als Bundesfrauenministerium begrüssen wir (...) jedes Engagement, das unsere Bemühungen um mehr öffentliche Aufmerksamkeit für diese Problematik unterstützt und aufzeigt, was Handlungsmöglichkeiten sind und wo Betroffene von sexueller oder digitaler Gewalt und ihr Umfeld Hilfsangebote finden», sagte ein Sprecher von Ministerin Franziska Giffey (SPD).
Zu Beginn der Sendung wurden Dick Pics – mit unkenntlich gemachten Genitalien – präsentiert, die viele Frauen im Internet ungefragt zugeschickt bekommen. Sie finde dies «einfach unter aller Sau» und «verstörend» sagte dabei die Moderatorin Palina Rojinski im Gespräch mit Passmann. Fernsehmoderatorin Jeannine Michaelsen, Moderatorin, Autorin und DJ Visa Vie und Model Stefanie Giesinger trugen Hasskommentare vor, mit denen sie in sozialen Netzwerken beleidigt worden sind. Schauspielerin Collien Ulmen-Fernandes und Entertainerin Katrin Bauerfeind präsentierten ausserdem übergriffige Chatverläufe.
Einige Nutzerinnen teilten in sozialen Netzwerken eigene Erfahrungen von sexueller Belästigung. Es sei normal, im Netz sexuell belästigt zu werden, schrieb etwa Nutzerin «Schmagülzchen» auf Twitter: «Ich bekomme jeden Tag mindestens ein Schwanzbild oder eine derbe Anmache von einem Wildfremden.»
Vereinzelt wurde in dem sozialen Netzwerk kritisiert, dass in «Männerwelten» nur ein paar Perspektiven von sexueller Belästigung und Gewalt gegen Frauen beleuchtet wurden. Erfahrungen von etwa queeren Frauen seien nicht thematisiert worden.
Stevie Schmiedel von der Protestkampagne Pinkstinks findet es «grossartig», dass die beiden Moderatoren ihre Marke und die prominente Sendezeit nutzen, «um auf ein Thema aufmerksam zu machen, dass immer, aber besonders in diesen Wochen zu wenig Aufmerksamkeit erfährt». Gleichzeitig müsse beobachtet werden, wie das Thema in Zukunft thematisiert wird. «Werden Joko und Klaas dann in Zukunft auf Sexismen in ihren Shows verzichten? Und Pro Sieben auf Germanys Next Topmodel?», sagte Schmiedel. Man dürfe das Thema Abwertung von Frauen nicht gesondert betrachten: «Es ist ein Gesamtpaket, das nicht aus dem Nichts kommt.»
«Männerwelten» macht sprachlos, rüttelt auf und erschüttert, eine solche Sendung war längst überfällig, heisst es von Christa Stolle, Bundesgeschäftsführerin der Organisation Terre des Femmes. «Wir danken Joko und Klaas, dass sie dieses Thema zur besten Sendezeit öffentlich gemacht haben.»
Winterscheidt und Heufer-Umlauf haben mit ihrer Sendung «Joko & Klaas Live» bereits mehrmals Aufsehen erregt. Zum Show-Auftakt im Mai 2019 hatten Winterscheidt und Heufer-Umlauf in ihrer Sendung drei Menschen Raum gegeben, um über die Themen Flüchtlingshilfe, Obdachlosigkeit und Kampf gegen Rechtsextremismus zu sprechen.
Männerwelten – Belästigung von Frauen / Joko & Klaas 15 Minuten Live
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