Empörung im Paradies Spannungen zwischen Indien und den Malediven — wegen Strandfotos von Modi

AP/dpa/toko

11.1.2024 - 20:16

Indiens Premierminister Modi am Strand von Lakshadweep.
Indiens Premierminister Modi am Strand von Lakshadweep.
Press Information Bureau, Gouvernment of India

Mit Bildern von einem Strandaufenthalt wollte Indiens Ministerpräsident für das Urlauben auf einer einheimischen Inselgruppe werben. Aber das schlug Wellen, mit denen er wohl nicht gerechnet hatte.

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  • Mit Fotos vor traumhafter Strandkulisse hat der indische Premierminister für Streit auf Social Media und weitere diplomatische Spannungen mit den Malediven gesorgt.
  • Die Bilder zeigen Narendra Modi auf der indischen Inselgruppe Lakshadweep nahe den Malediven — und erinnern an das benachbarte tropische Reiseziel.
  • Modis Posting führte auf den Malediven zu grossem Protest. Die Luxus-Traumdestination ist stark auf ausländisch Gästen angewiesen, von denen besonders viele aus Indien kommen.
  • Drei Regierungsmitglieder fielen am vergangenen Wochenende über Modi her, nannten ihn einen «Clown», einen «Terroristen» und eine «Marionette von Israel». Sie löschten ihre Social-Media-Beiträge schliesslich und wurden wegen Postens abfälliger Bemerkungen über Indien vom Dienst suspendiert.

Es begann mit Fotos, die Indiens Regierungschef Narendra Modi vergangene Woche auf X, ehemals Twitter, postete – von einem Besuch auf der entlegenen Inselkette Lakshadweep im Indischen Ozean. Sie zeigten ihn beim Spaziergang an einem Postkarten-schönen weissen Sandstrand, beim Faulenzen auf einem Stuhl am türkisblauen Wasser und beim Schnorcheln. «Es war eine aufregende Erfahrung», schwärmte er über Letzteres und liess sich auch sonst überschwänglich über die unberührte Schönheit des relativ wenig bekannten Archipels aus, der nach Ansicht seiner Regierung bislang wenig genutztes Potenzial für Tourismus bietet. 

Inder – insbesondere Modi-Unterstützer – reagierten mit bewundernden Kommentaren in sozialen Medien auf die Aufnahmen. Aber rund 130 Kilometer südlich von Lakshadweep, auf den Malediven, lösten sie einen Sturm der Empörung aus. Viele in dem kleinen Inselstaat sahen in Modis Tourismus-Werbung einen Versuch, Besucher von ihren Stränden wegzulocken und sie für sein eigenes winziges Inselparadies zu gewinnen. Drei Regierungsmitglieder fielen am vergangenen Wochenende über Modi her, nannten ihn einen «Clown», einen «Terroristen» und eine «Marionette von Israel». Andere Malediver beleidigten indische Touristen in sozialen Medien.

Regierung zieht Notbremse

Indien seinerseits reagierte postwendend. Regierungsbeamte, Bollywood-Stars und andere Prominenz riefen Leute auf, sich bei ihren Ferienplänen Lakshwadeep zuzuwenden. Urlauber posteten auf X Screenshots mit dem Hashtag #BoycottMaldives, um zu zeigen, dass sie ihre geplanten Reisen in den Inselstaat abgesagt hatten. Am Montag schloss sich das indische Reiseportal EaseMyTrip den Protesten an und setzte das Buchen von Flügen auf die Malediven aus – «aus Solidarität mit unserer Nation».

Die maledivische Regierung zog schliesslich die Bremse an, um den Zank unter Kontrolle zu bringen. Die drei Regierungsmitglieder löschten ihre Social-Media-Beiträge und wurden wegen Postens abfälliger Bemerkungen über Indien vom Dienst suspendiert. 

Der kleine Inselrepublik ist auf Touristen angewiesen.
Der kleine Inselrepublik ist auf Touristen angewiesen.
AP Photo/ Gemunu Amarasinghe/Keystone (Symbolbild)

Der jüngste Vorfall wirft ein Schlaglicht darauf, wie fragil das Verhältnis zwischen den beiden Ländern ist – das zu einer Zeit, in der Neu Delhi und Peking im Zuge ihres Machtwettbewerbes in der Region nach verstärktem Einfluss auf den Inselstaat streben. Er sitzt damit sozusagen zwischen zwei Stühlen, seine aufeinander folgende Regierungen sind entweder indien- oder chinafreundlich gewesen. Die Auseinandersetzung zeigt zudem die grosse Rolle auf, die der Tourismus auf den Malediven spielt.

Indische Besucher sind die grösste Gruppe

Sie sind seit den 1970er Jahren global zu einem äusserst begehrten Urlaubsziel geworden, insbesondere auch für die Reicheren, die den dort angebotenen Luxus lieben. Einkünfte aus dem Tourismus sind eine wesentliche Säule der Wirtschaft des Landes. Auf Nationalitäten bezogen waren indische Besucher im vergangenen Jahr die grösste Gruppe. Sie machten der offiziellen maledivischen Tourismus-Webseite zufolge fast 11 Prozent des Tourismusmarktes der Inselnation aus. Viele der indischen Besucher sind wohlhabend und geben viel Geld aus. Entwickelt sich Lakshadweep zu einer Konkurrenz, könnte das den Malediven finanziell erhebliche Einbussen bescheren.

Indien ist auch ein strategischer Verbündeter des Staates, hat militärisches Personal auf der Inselgruppe stationiert. Die Beziehungen zwischen den Malediven und Indien haben sich aber verschlechtert, seit Mohamed Muizzu im vergangenen November zum Präsidenten gewählt worden ist. Er gilt als chinafreundlich und hat sich im Wahlkampf unter dem Motto «Indien raus» für einen Abzug des indischen Militärpersonals stark gemacht. Es stelle eine Bedrohung für die Souveränität seines Landes dar, argumentierte er.

Experten: Malediven können sich Distanzierung nicht leisten 

Während maledivische Präsidenten Neu Delhi traditionell zum Ziel ihrer ersten Auslandsreise nach dem Amtsantritt gemacht und damit Indiens Bedeutung für ihren Staat unterstrichen haben, zog es Muizzu im Dezember zunächst in die Türkei, gefolgt diese Woche von einem Besuch in China. Dort beschrieb er am Dienstag Peking als den engsten Verbündeten der Malediven und rief China zu verstärkten Investitionen im Land auf.

Experten sagen indes, dass es sich die Malediven nicht leisten könnten, sich von Indien zu distanzieren und die Suspendierung der Regierungsmitglieder und Verurteilung ihrer Bemerkungen zeigten, wie sehr die Führung in Malé die Beziehungen zu Neu Delhi wertschätze.

Tatsächlich gibt es Hinweise darauf, dass die Malediven die Spannungen nicht weiter eskalieren lassen möchten. So ersuchte die dortige Vereinigung der Tour- und Reiseveranstalter am Dienstag EasyMyTrip, die bedauernswerten Kommentare, die zur Kontroverse führten, zu ignorieren. Sie «spiegelten nicht die Empfindungen der Malediver im Allgemeinen wider». Und Aussenminister Moosa Zameer bekräftigte auf X, sein Land sei «der Pflege eines positiven und konstruktiven Dialoges mit unseren Partnern» verpflichtet.