Nach der KatastropheIm Erdbebengebiet steigt die Angst vor Krankheiten und Seuchen
dpa/SDA/tpfi
19.2.2023 - 19:54
Mehr als 46.000 Tote – viele Schulen in Syrien zerstört - Gallery
Ein Mann sitzt neben seinem eingestürzten Haus in Kharamanmaras, während ein Suchteam unter den Trümmern weiter nach Menschen sucht.
Bild: dpa
Helfer gehen in Adiyaman an Trümmern vorbei.
Bild: dpa
Christian Atsu von Newcastle United (l) in Aktion gegen Joe Gomez von Liverpool. Atsus Leiche ist nach den Erdbeben in der Türkei unter Trümmern gefunden worden.
Bild: dpa
Eine Familie sitzt in einem Zelt in Aleppo, nachdem das verheerende ihr Haus zerstört hat.
Bild: dpa
Türkische Frauen bereiten in einem Behelfslager in Kahramanmaras draussen Essen zu.
Bild: dpa
Menschen suchen nach persönlichen Gegenständen in den Trümmern eines zerstörten Gebäudes in Kahramanmaras.
Bild: dpa
Eine von der Gemeinde Kayseri bereitgestellte mobile Toilette für Frauen neben einem eingestürzten Gebäude im Epizentrum des Erdbebens.
Bild: dpa
Die einzige Quelle für fliessendes Wasser in einem Behelfslager in Kahramanmaras.
Bild: dpa
Mehr als 46.000 Tote – viele Schulen in Syrien zerstört - Gallery
Ein Mann sitzt neben seinem eingestürzten Haus in Kharamanmaras, während ein Suchteam unter den Trümmern weiter nach Menschen sucht.
Bild: dpa
Helfer gehen in Adiyaman an Trümmern vorbei.
Bild: dpa
Christian Atsu von Newcastle United (l) in Aktion gegen Joe Gomez von Liverpool. Atsus Leiche ist nach den Erdbeben in der Türkei unter Trümmern gefunden worden.
Bild: dpa
Eine Familie sitzt in einem Zelt in Aleppo, nachdem das verheerende ihr Haus zerstört hat.
Bild: dpa
Türkische Frauen bereiten in einem Behelfslager in Kahramanmaras draussen Essen zu.
Bild: dpa
Menschen suchen nach persönlichen Gegenständen in den Trümmern eines zerstörten Gebäudes in Kahramanmaras.
Bild: dpa
Eine von der Gemeinde Kayseri bereitgestellte mobile Toilette für Frauen neben einem eingestürzten Gebäude im Epizentrum des Erdbebens.
Bild: dpa
Die einzige Quelle für fliessendes Wasser in einem Behelfslager in Kahramanmaras.
Bild: dpa
Beschädigte Wasserleitungen, Mangel an sanitären Anlagen und Leichen unter den Trümmern – in den Erdbebengebieten kämpfen die Menschen mit den Auswirkungen. Ärzte fürchten den Ausbruch von Infektionskrankheiten.
19.02.2023, 19:54
19.02.2023, 20:09
dpa/SDA/tpfi
Manchmal geht Elif Yasar in ihr einsturzgefährdetes Haus, um sich zu waschen. Eigentlich hätte sie es nach dem Erdbeben nicht mehr betreten dürfen. «Wir haben seit zwei Wochen nicht mehr geduscht», erzählt sie halb entschuldigend. Mit einem Ofen heize sie mit ihrer Tochter Melike dann das mitgebrachte Wasser auf, es gebe keines aus der Leitung, aber immerhin Privatsphäre. Einer stehe an der Tür, sollte ein Nachbeben kommen könne man schnell raus, so die Hoffnung.
Seit dem Beben vor zwei Wochen wohnt die 40-Jährige mit ihrer Familie in einem Lager am Eingang der südtürkischen Stadt Kahramanmaras. Zelt reiht sich hier an Zelt. Ofenrohre ragen heraus, geheizt wird mit Kohleöfen – der Geruch hängt in der Luft, Qualm vernebelt die Sicht.
Menschen in Notunterkünften
Etwa 1,6 Millionen Menschen leben alleine in der Türkei in der Erdbebenregion in Notunterkünften. Wie viele es in Syrien sind, ist unklar. Menschen aus 40’000 Haushalten seien nach der Katastrophe obdachlos geworden, heisst es vom UN-Nothilfebüro Ocha.
Die Menschen bleiben in Zelten, bei Verwandten auf dem Dorf oder in Zügen am Bahnhof. Einige sind vergleichsweise gut versorgt, mit Heizern, regelmässigen Mahlzeiten, Duschen und Kinderbetreuung. Andere hausen in unbeheizten Zelten, und es gibt kein fliessendes Wasser oder sanitäre Anlagen. Im völlig zerstörten Antakya etwa berichten Menschen, dass sie ihre Notdurft draussen verrichten müssen. Dadurch können nach Ansicht von Medizinern Keime ins Grundwasser geraten. Angesichts der prekären Lebensumstände vieler Erdbebenopfer warnen Ärzte bereits vor der nächste Katastrophe in der Türkei und Syrien: Dem Ausbruch von Seuchen.
Schwierige Lage in Syrien
In Syrien ist die Lage noch schwieriger als im Nachbarland: Im Nordwesten seien die Menschen aufgrund von Krieg und Vertreibung seit langem medizinisch unterversorgt, sagt die stellvertretende Vorsitzende von Ärzte ohne Grenzen, Parnian Parvanta. «Schon vor den Erdbeben gab es in dieser Region Fälle von Cholera.» Laut UN gibt es derzeit in Nordwestsyrien 47’000 Verdachtsfälle sowie 20 Todesfälle, die womöglich im Zusammenhang mit Cholera stehen. Im vergangenen Jahr starben in Syrien Dutzende an der Durchfall-Erkrankung.
Eigentlich ist Cholera leicht zu behandeln – wenn Betroffene Zugang zu medizinischer Versorgung haben. Cholera kann laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) durch erheblichen Flüssigkeitsverlust zu Nierenversagen oder gar zum Tod führen.
Probleme bei der Wasseraufbereitung
Die Erdstösse haben Ärzte ohne Grenzen zufolge Krankenhäuser und Sanitäranlagen zerstört. Deshalb gebe es an vielen Orten Probleme bei der Wasseraufbereitung. Die vielen noch immer nicht geborgenen Leichen könnten zudem das Wasser verunreinigen, warnt Thomas Geiner, erdbebenerfahrener Mediziner und Teil des Teams der Katastrophenhelfer vom Verein Navis. Auch in der Türkei werden noch Tausende Tote in den Trümmern vermutet. Die Behörden versuchen sie, auch mit Hilfe aus Deutschland, so schnell wie möglich zu bergen.
«In den Regionen, wo Menschen keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser haben, drohen irgendwann Seuchen», warnt auch Geiner. Parvanta von Ärzte ohne Grenzen fürchtet angesichts der bereits grassierenden Cholera sogar den Ausbruch einer Epidemie im Erdbebengebiet. «Die Situation könnte ausser Kontrolle geraten», sagt auch der für Syrien zuständige UN-Nothilfekoordinator Muhannad Hadi. Er sieht auch in der Türkei die Gefahr für einen Cholera-Ausbruch – vor allem wenn die Temperaturen wieder steigen.
Infektionskrankheiten vermeiden
Der Chef der Ärztekammer Adana, Selahattin Mentes, erkennt in der Türkei aktuell zwar noch keine Anzeichen dafür, warnt aber: Sichere Unterkünfte wie Container, Versorgung mit fliessendem Wasser, Hygiene und Müllentsorgung seien nun das Drängendste, um Infektionskrankheiten zu vermeiden. Auch die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen fordert eine rasche Notfallversorgung mit Wasser und Sanitäranlagen im Erdbebengebiet.
Ein weiterer Risikofaktor für Seuchen sind grosse Menschenansammlungen. In Camps, in denen vor Gewalt und Bomben Vertriebene vor allem in Syrien schon vor den Beben unter schlimmen Bedingungen gelebt haben, suchen nun auch noch die vielen neuen Obdachlosen Zuflucht. «Die Ressourcen an diesen Orten reichen bei weitem nicht aus, um dem Bedarf der Menschen an Trinkwasser, Hygieneartikeln und anderen Gütern der Grundversorgung gerecht zu werden», warnt Parvanta. Auch fehlende Impfungen können hier zum Problem werden – und etwa die Ausbreitung der Masern begünstigen.
Die Situation in der Türkei und Syrien erinnere ihn an die Lage in Haiti nach dem Erdbeben 2010, sagt Mediziner Geiner. Damals starben mehr als 200’000 Menschen in Folge des Bebens – und dann noch einmal Tausende an Cholera.
Blinken stockt Hilfe um 100 Millionen Dollar auf
Das erklärte US-Aussenminister Antony Blinken, der sich am Sonntag zu einem Besuch in der Türkei befand. Damit hätten die USA nun insgesamt 185 Millionen Dollar zugesagt. Die Hilfe solle den Erdbebenopfern in der Türkei und in Syrien zugute kommen, erklärte Blinken. Von dem Geld sollen Hilfsgüter wie Medikamente, Decken, Matratzen, Zelte und warme Kleidung gekauft werden. Ausserdem soll damit die Versorgung mit sauberem Wasser und sanitären Einrichtungen, aber auch Bildung für Kinder gewährleistet werden, hiess es.
Aussenminister Blinken machte sich am Sonntag zusammen mit seinem türkischen Amtskollegen Mevlüt Cavusoglu ein Bild von der Zerstörung in der schwer vom Erdbeben betroffenen Provinz Hatay. Ausserdem wolle er auf dem Luftwaffenstützpunkt Incirlik mit betroffenen Familien zusammenkommen, erklärte das Aussenministerium vorab.
Es war Blinkens erster Besuch in der Türkei seit seiner Amtsübernahme vor gut zwei Jahren. Am Nato-Flughafen Incirlik sind unter anderem Flugzeuge des US-Militärs stationiert. Diese hatten nach den Beben Ersthelfer in die betroffenen Gebiete in der Türkei transportiert. Über Incirlik kamen auch weitere Such- und Rettungsteams aus den USA in die Türkei. US-Hubschrauber halfen auch, in schwer erreichbare Gebiete zu kommen. Tonnenweise Hilfsgüter der Bundesregierung kamen ebenfalls über Incirlik in die Türkei.