In Thailand sind die Geister wahre Naschkatzen. Um sich ihre Gunst zu sichern, werden sie von Gläubigen mit allerlei Leckereien versorgt – speziell mit roter Erdbeer-Limo. Was hat es mit den kuriosen Opfergaben auf sich?
An einem Schrein für den Hindu-Gott Ganesha giessen Frauen eine knallrote Flüssigkeit in Becher und überreichen sie wartenden Gläubigen. Die positionieren die leuchtenden Drinks ehrfürchtig vor einer Statue des Gottes mit dem Elefantenkopf.
«Ganesha mag das», sagt eine Frau, die den roten Trank auf dem Huai Kwang Night Market in Bangkok verteilt. Der auch von Buddhisten verehrte Gott gilt als Beseitiger von Hindernissen – und als extrem naschhaft. Wo in Thailand ein Schrein steht, sind Gläschen, Tassen und Flaschen mit rotem Inhalt nicht weit. Am populärsten ist Erdbeer-Fanta, denn die Götter scheinen eine Schwäche für zuckersüsse Limo zu haben. Aber was hat es mit dem kuriosen Brauch auf sich?
Der Glaube an Götter und Geister gehört ebenso zur Kultur des südostasiatischen Landes wie Kickboxen und Go-Go-Bars. Buddhismus und Animismus gehen dabei Hand in Hand. Die Darbringung von Opfergaben, um die übernatürlichen Wesen gütig zu stimmen, ist Teil des Lebensstils vieler Thais. Blumen, Obst und Reis sind traditionell beliebte Geschenke, mittlerweile gehört aber auch rote Fanta fest zur Präsentpalette – samt Strohhalm, der in Richtung der Geister platziert wird. Dennoch werden die kleinen Flaschen nie leerer.
«Die Geister können das natürlich nicht trinken, aber was sie sich einverleiben können, ist gutes Karma, das wir ihnen widmen», sagt Robtis Waiyasusri, Kunstprofessor an der Dhurakij Pundit Universität, der auch Religion und Philosophie studiert hat. «Physische Opfergaben sind im Grunde nur Symbole des Respekts.»
Sie seien eine Art «Medium», um eine Verbindung zwischen dem Geist und den Menschen herzustellen, erklärt Waiyasusri, der auch den YouTube-Kanal «Ghost Guru» mit mehr als 100 Episoden zum Glauben an Übernatürliches betreibt. Mittlerweile hat er 37 000 Follower. «Manche Leute wissen nicht, wie sie zu den Geistern beten sollen, weil sie das noch nie gemacht haben, aber wenn sie als Zeichen der Verehrung physische Objekte wie rote Getränke darbringen, dann können sie leichter eine Beziehung aufbauen.»
Auf den meisten Grundstücken des alten Siam finden sich bis heute Geisterhäuschen – so genannte San Phra Phum, oft handgeschnitzt und aus Teakholz. Sie sollen dazu dienen, die Geister, die das Gelände zuvor bewohnt haben, zu besänftigen. Und die wollen gefüttert werden.
Haben rote Drinks als Geister-Gabe denn eine lange Tradition? Nein, sagt Waiyasusri. «Früher haben die Leute vor allem Lebensmittel, Wasser und Zuckerrohr-Saft benutzt, um die Geister zu ehren. Der Aufstieg der Erdbeer-Fanta habe mit der grossen Beliebtheit von roten süssen Getränken bei Kindern zu tun. «Zunächst haben die Leute dann nur Kinder-Geistern die rote Limonade offeriert, weil sie dachten, die wüssten das zu schätzen und es würde sie empfänglicher dafür machen, ihre Gebete zu erhören», erläutert der Experte.
Mit der Zeit hätten dann immer mehr Thais die grellroten Opfergaben kopiert, so dass sie jetzt allgegenwärtig seien, wann immer ein Geist angebetet werde. Warum das so ist, wissen die meisten aber gar nicht mehr. «Das machen wir eben so», lautet oft die achselzuckende Antwort auf die Frage nach den Hintergründen.
Auch andere Theorien halten sich hartnäckig. So etwa die, dass die roten Flüssigkeiten an die Blutopfer in alten Zeiten erinnern, als die Menschen an den Schreinen noch Tiere schlachteten. Zudem gilt die Farbe Rot mehr als jede andere als glückverheissend – man denke etwa an die Tradition in südeuropäischen Ländern wie Italien und Spanien, zu Silvester rote Unterwäsche zu tragen, um sich für das neue Jahr die Gunst des Schicksals zu sichern.
Nach wie vor können sich aber vor allem Figuren und Skulpturen von Kinder-Geistern – wie etwa dem populären Kuman Thong – der zuckrigen Limo sicher sein. Solche jugendlichen Geistwesen sollen die Fähigkeit haben, Wünsche zu erfüllen, wenn sie entsprechend gut behandelt werden. Das bestätigt auch der Mönch Phra Anuchit Upanan: Um jugendliche Geister fröhlich zu stimmen, müssten Opfergaben wie süsse Snacks, Spielzeug und rote Fanta her.
Dass der Glaube an Kinder-Geister zumindest nach Ansicht vieler Thailander funktionieren kann, zeigte kürzlich der Fall einer 23-Jährigen, die nördlich von Bangkok in einem Kuman-Tong-Schrein gebetet hatte. Kurz darauf gewann sie viel Geld in der staatlichen Lotterie. Die Frau erklärte, Kuman Thong sei ihr im Traum erschienen und habe ihr die Gewinn-Nummern verraten. Zum Dank bekam der junge Geist 1000 Flaschen Erdbeer-Fanta.
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