Rahmenabkommen 2021 ist ein Entscheidungsjahr für die Beziehung Schweiz-EU

SDA/twei

28.12.2020

Werden sich 2021 öfter begegnen: Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga (rechts) und die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen.
Werden sich 2021 öfter begegnen: Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga (rechts) und die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen.
Bild: Keystone/Pool/Alessandro della Valle

Wie entwickelt sich das Verhältnis der Schweiz zur EU? Nachdem man in diesem Jahr durch das Coronavirus ausgebremst wurde, stehen 2021 wegweisende Entscheidungen an.

Während das Jahr 2020 im Verhältnis Schweiz-EU als verlorenes Jahr in die Geschichte eingehen dürfte, werden im kommenden Jahr wichtige europapolitische Weichen gestellt. 2021 wird sich zeigen, ob und unter welchen Bedingungen die Schweiz mit der EU ein institutionelles Rahmenabkommen abschliessen wird. Ausserdem dürfte der Brexit die innenpolitische Diskussion erneut anheizen.

Endlich, gegen Mitte November, gab der Bundesrat bekannt, dass er seine Position bei den drei offenen Punkten im Rahmenabkommen – den flankierenden Massnahmen, den staatlichen Beihilfen sowie der Unionsbürgerschaft – festgelegt habe. Viel zu spät jedoch, um im Jahr 2020 noch europapolitische Pflöcke einzuschlagen.



Mehrere Gründe dürften für das späte Agieren des Bundesrates verantwortlich sein: Da wäre zum einen das Coronavirus, das seit Ende Februar 2020 die Regierungen aller Länder vor sich hertreibt. Wegen des Virus wurde zudem die Abstimmung über die Begrenzungsinitiative, die Kündigung der Personenfreizügigkeit mit der EU, von Mai auf September verschoben, was dem beim Rahmenabkommen uneinigen Bundesrat sicherlich zugutekam.

Zahlreiche Aspekte stehen 2021 zur Diskussion

2021 jedoch wird die Schweiz nicht darum herumkommen, mit der EU über die Präzisierungen der drei Punkte zu reden. Ansonsten dürften weitere Nadelstiche seitens der EU wie etwa bei der Börsenäquivalenz folgen.



Möglichkeiten böten sich jedenfalls genügend. Denn die Schweiz möchte mit der EU im kommenden Jahr über eine Assoziierung am EU-Forschungsprogramm «Horizon Europe», dem Studentenaustauschprogramm «Erasmus plus» sowie am Kultur- und Medienprogramm «Kreatives Europa» verhandeln.

Ausserdem muss bis Ende Mai 2021 definitiv das Abkommen über technische Handelshemmnisse (MRA) aktualisiert sein, damit der Schweizer Medizinbranche keine Nachteile drohen.

Auswirkungen des Brexits

Das Jahr 2021 wird zudem zeigen, ob der EU-Austritt Grossbritanniens weiterhin einen grossen Einfluss auf die Verhandlungen zwischen der Schweiz und der EU haben wird. Bis anhin nämlich stand die Schweiz «in Geiselhaft» des Brexits, wie einst eine EU-Diplomatin gegenüber der Nachrichtenagentur Keystone-SDA sagte.



Das äusserte sich in einer harten Haltung der EU-Kommission gegenüber der Schweiz bei den Verhandlungen zum Rahmenabkommen. Grund dafür war die Furcht Brüssels, mit Zugeständnissen an Bern ein Präjudiz zu schaffen, auf das sich London bei seinen Verhandlungen mit der EU berufen könnte.

Doch diese «Gefahr» dürfte nun mit dem kurz vor Ablauf der Übergangsphase Ende dieses Jahres ausgehandelten Handelsabkommen zwischen dem Königreich und der EU gebannt sein – zumindest vorerst. Denn jetzt geht es in erster Linie um die Umsetzung des neuen Abkommens, bevor Brüssel und London wohl neue Verhandlungen aufnehmen werden.

Neue Diskussion über EuGH erwartet

In der Schweiz hingegen dürfte die Diskussion um den EU-Gerichtshof (EuGH) erneut aufflammen. Denn anders als im Rahmenabkommen spielt dieser beim Handelsabkommen zwischen Brüssel und London keine Rolle.

Noch blieb nicht viel Zeit, den 1246 Seiten langen Handelsvertrag gründlich zu studieren und auf die Schweiz zu übertragen. Doch scheint im Abkommen Grossbritannien kein EU-Recht zu übernehmen, um einen privilegierten Zugang zum EU-Binnenmarkt zu erhalten. Anders als das Königreich hat die Eidgenossenschaft in mehreren Bereichen einen besseren Zugang zum Binnenmarkt erhalten und dafür EU-Recht übernommen. Daher verlangt die EU von Bern auch die Anerkennung des EuGH.

Zu diesem Schluss kommen nach einer ersten Analyse auch die Europarechtler Christa Tobler und Jacques Beglinger. Sie schreiben in ihrem Brevier zum Rahmenabkommen, dass der Entwurf des Handelsabkommens «keine unionsrechtlichen Elemente enthält. Es werden also nicht Elemente aus dem EU-Recht in das Abkommen hinein übernommen, welche dann direkt für beide Vertragsparteien gelten».



Das wird EU-Kritiker in der Schweiz jedoch nicht davon abhalten, die Streichung des EuGH im Rahmenabkommen zu fordern. Wird das nicht gelingen, werden sie sich gegen das Abkommen stellen.

Hat der Bundesrat dereinst die Gespräche mit Brüssel abgeschlossen und das Rahmenabkommen zur Ratifizierung dem Parlament überwiesen, muss er seine Differenzen endlich überwinden und sich mit einer Stimme für den Rahmenvertrag aussprechen. Tut er das nicht, wird das Abkommen spätestens an der Urne versenkt. Dann aber stellt sich die Frage, ob es nicht ehrlicher gewesen wäre, das Abkommen erst gar nicht abzuschliessen.

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