Jugendkriminalität 5 Prozent begehen drei Viertel der gemeldeten Straftaten

mmi

11.10.2022

Nicht nur die Zahl von jugendlichen Kriminellen ist gestiegen. Auch die Opferzahl hat zugenommen.
Nicht nur die Zahl von jugendlichen Kriminellen ist gestiegen. Auch die Opferzahl hat zugenommen.
Getty Images

Die Zahl der gewalttätigen Jugendlichen ist in den vergangenen zehn Jahren erneut gestiegen. Davon begehen 5 Prozent der Jungen drei Viertel aller Straftaten. Zeitgleich werden Jugendliche vermehrt Opfer von Gewalttaten.

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In der Schweiz sind im vergangenen Jahr insgesamt 20'902 Urteile gegen Jugendliche ausgesprochen worden. Das sind 7,5 Prozent mehr als 2020.

Die NZZ berichtet heute, die Kriminalitätsstatistik des Bundesamtes für Statistik (BfS) zeige, dass Jugendliche in praktisch allen Bereichen des Strafgesetzbuches mehr Delikte begangen haben.

Besonders auffällig: Bei strafbaren Handlungen gegen die sexuelle Integrität haben sich die registrierten Straftaten innerhalb von drei Jahren von 419 auf 837 verdoppelt.

Umfrage bestätigt Statistik

Diese Entwicklung wird nun durch eine repräsentative Befragung bestätigt, die im letzten Jahr vom Institut für Delinquenz und Kriminalprävention der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) durchgeführt wurde.

Studienleiter Patrik Manzoni sagte in der NZZ, die Umfrageergebnisse zeigten, dass die Delinquenz im Vergleich zur letzten Umfrage von 2013 weiter gestiegen sei. Befragt wurden 11'000 Jugendliche im Alter zwischen 13 und 17 Jahren. Davon war gut die Hälfte weiblichen und die anderen 50 Prozent männlichen Geschlechts.

Ladendiebstahl, Vandalismus und Waffenbesitz

Seit 2013 haben vor allem die klassischen Jugenddelikte zugenommen: 29 Prozent (+13 Prozent) der Befragten gaben an, in ihrem Leben schon einmal einen Ladendiebstahl begangen zu haben. Zu Vandalismus bekannten sich 15 Prozent (+ 4 Prozent), und über 14 Prozent (+ 4Prozent) trugen schon mindestens einmal eine Waffe mit sich.

Internationales Monitoring von Jugendkriminalität

  • Die ZHAW-Studie ist Teil der International Self-Report Delinquency Study (ISRD). Nebst der Schweiz nehmen 52 weitere Länder an der weltweit grössten internationale Erhebung zur Analyse von Jugendkriminalität und Viktimisierung teil.

Schwerwiegende Raubdelikte haben sich sogar verdoppelt

Gleichzeitig hat sich die Zahl der seltenen, aber schwerwiegenderen Raubdelikte verdoppelt (2013: 1 Prozent; 2021: 2,3 Prozent).

Zudem wurden die Jugendlichen erstmals zu online ausgeübten Taten befragt. 8 Prozent der Befragten gaben an, mindesten einmal in ihrem Leben schon eine Hassnachricht verschickt zu haben.

Über 4 Prozent gaben sogar zu, schon einmal jemanden im Internet sexuell belästigt zu haben.

Danach gefragt, ob sie in den vergangenen zwölf Monaten ein bestimmtes Delikt ausgeübt hätten, bezichtigten sich mehr Jugendliche als 2013 leichterer Delikte wie Ladendiebstahl und Vandalismus.

Gleichzeitig gaben mehr Befragte an, schon einmal einen Raub begangen zu haben. Die Studienleiter halten es für möglich, dass auch die Pandemie Spuren hinterlassen hat.

Jeder Zehnte ist Opfer schwerer Gewalt ausgeübt von den Eltern

Doch nicht nur die Zahl der Täterschaft ist gestiegen. Im Vergleich zu 2013 gaben auch mehr Jugendliche an, Opfer eines Delikts geworden zu sein. Davon erlebten 43 Prozent einen einfachen Diebstahl, 33 Prozent klagten über elterliche Gewalt.

Und 19 Prozent wurden in sozialen Netzwerken bedroht. Davon gaben 8 Prozent an, dass im Internet intime Fotos gegen ihren Willen verbreitet worden seien.

Fast 9 Prozent der Jugendlichen gaben an, schon einmal einen körperlichen Angriff erfahren zu haben. Jeder Zehnte musste schwere elterliche Gewalt wie Faustschläge oder Fusstritte erleiden.

Auch sogenannte Hate-Crimes. Rund 12 Prozent (+ 5 Prozent gegenüber der Befragung von 2013) gaben an, wegen ihrer Hautfarbe, Religion oder sexuellen Orientierung beleidigt worden zu sein.

5 Prozent sind Wiederholungstäter

Auffällig ist die Verteilkurve. Laut der Studie begehen nämlich rund 5 Prozent der Jugendlichen drei Viertel aller berichteten Straftaten. Das deckt sich mit den bisherigen Erkenntnissen.

Laut der St. Galler Kriminologin Nora Markwalder, Strafrechtlerin an der Universität St. Gallen, begehen viele Jugendliche irgendwann einmal ein leichteres Delikt wie beispielsweise Ladendiebstahl. Die meisten hören damit wieder auf.

Doch rund 5 Prozent machen allerdings auch nach ihrem 18. Geburtstag weiter. Meist seien das diejenigen, die schon früh schwerere und wiederholte Delikte begangen hätten.

Präventionsprogramme sind unerlässlich

Die Studienleiter der ZHAW-Umfrage halten deshalb gezielte Präventionsprogramme für unabdingbar. Da diese sowohl schul- als auch quartierbezogen durchgeführt werden sollten, sei die Koordination zwischen Lehrern, Eltern und Sozialarbeitern zentral.