Streit um Überbrückungsrente «Ältere Arbeitslose einfach abschieben?» – «Job ist besser als Rente»

Von Julia Käser

2.6.2020

Wird sich das Parlament bei der Überbrückungsrente einig werden?
Wird sich das Parlament bei der Überbrückungsrente einig werden?
Bild: Keystone

Der Streit um die älteren Arbeitslosen geht weiter. Während sich das Problem wegen der Krise weiter zuspitzen könnte, droht die SVP mit dem Referendum. Doch wird sich das Parlament überhaupt einigen können?

Ältere Arbeitslose finden hierzulande nur schwer eine neue Stelle – und werden auf dem Arbeitsmarkt diskriminiert. Das belegt eine diesjährige Studie der Universität Lausanne. Ein Versuch mit fiktiven Bewerbungen brachte ans Licht, dass Bewerberinnen und Bewerber über 55 Jahren seltener zum Vorstellungsgespräch eingeladen werden als ihre jüngere Konkurrenz.

Nach zwei Jahren Jobsuche sind 35 Prozent der 60-Jährigen noch immer arbeitslos. Bei den 35-Jährigen sind es zum selben Zeitpunkt fünf Prozent, bei den 40- bis 50-Jährigen zwölf Prozent. 

Um dem Problem entgegenzuwirken und den Betroffenen künftig den Gang zum Sozialamt zu ersparen, sollen über 60-jährige Arbeitslose, die von der ALV ausgesteuert sind, vom Bund eine Überbrückungsrente erhalten – so schlägt es der Bundesrat vor. Das Parlament konnte sich über die Ausgestaltung dieser Überbrückungsleistungen bisher nicht einigen. 

«Betroffene möchten arbeiten – keine Leistungen»

Nun geht der Streit um die älteren Arbeitslosen nach Abbruch der Frühlingssession weiter – und die Thematik ist aktueller denn je: Aufgrund der Corona-Krise droht die Arbeitslosigkeit in der Schweiz stark anzusteigen. Laut SVP-Nationalrätin Therese Schläpfer sind ältere Arbeitnehmer von dieser Entwicklung besonders betroffen: «Sie werden zuerst entlassen.»

Für Schläpfer ist das aber kein Grund, sich für die Überbrückungsrente auszusprechen. «Die Betroffenen können ihre Beiträge in die Pensionskasse nicht mehr leisten. Der Lebensstandard kann bei der Pensionierung nicht mehr aufrechterhalten werden.» Zweitens liege das Problem ohnehin anderswo. «Am liebsten möchten ältere Arbeitslose keine Überbrückungsleistungen, sondern einfach wieder arbeiten», sagt sie zu «Bluewin». Arbeit sei in jedem Fall besser als eine Rente.



Angesetzt werden müsse deshalb bei der Zuwanderung. Würde diese begrenzt, liesse sich der grösste Teil des Problems beheben, ist sich Schläpfer sicher. «Dann nämlich wäre es auch nicht möglich, dass nun im Zuge der Corona-Krise entlassene ältere Arbeitslose später durch jüngere ausländische Arbeitskräfte ersetzt werden.» 

Einigung im Parlament fraglich

Aus diesem Grund hält Schläpfer das von SVP-Präsident Albert Rösti angekündigte Referendum – sollte sich das Parlament wider erwartet einigen und für die Überbrückungsrente aussprechen – für nötig. «Dieses würde dem Volk die Möglichkeit geben, bei der Suche nach der besten Lösung für ältere Arbeitslose mitzureden.»

Doch so weit ist man im Parlament noch nicht. Obwohl sich die beiden Kammern in der Zwischenzeit annähern konnten, blieb eine grosse Differenz bisher bestehen. So sagt auch Schläpfer, sie zweifle daran, dass es zu einer Einigung  komme – zu weit würden die verschiedenen Meinungen momentan auseinanderliegen. 

Während der Ständerat die Überbrückungsrente für Alleinstehende beim Zweifachen des allgemeinen Lebensbedarfs plafondieren will, stellt sich der Nationalrat gegen diese Leistungsobergrenze. 

Umstrittene Plafondierung als grosse Differenz

Eine, die sich für eine angemessene Höhe der Leistung engagiert hat, ist SP-Nationalrätin Flavia Wasserfallen. «Im schlimmsten Fall könnten die Leistungen mit Plafond unter das Niveau der Sozialhilfe fallen», sagt sie zu «Bluewin». 

Doch diese Differenz hin oder her, wichtig sei in erster Linie, dass die Überbrückungsrente überhaupt vom Parlament verabschiedet werde. Das sei momentan alles andere als gesichert. «Die Frage ist eine grundlegende: Will man ältere Arbeitslose in die Sozialhilfe abschieben, oder ihnen nach langer Erwerbstätigkeit einen würdigen Übergang in die Rente ermöglichen.»

Tatsächlich müssen Betroffene bestimmte Voraussetzung erfüllen, damit sie Überbrückungsleistungen beziehen könnten. Eine davon ist, dass sie mindestens 20 Jahre lang mit einem Erwerbseinkommen von mindestens 75 Prozent der maximalen AHV-Rente in die AHV eingezahlt haben.

«SVP fährt einfach ausländerfeindlichen Kurs weiter»

Im Hinblick auf die Referendumsankündigung seitens SVP sagt Wasserfallen, diese demaskiere die Strategie der Partei und zeige, dass «die SVP nicht an echten Lösungen für ältere Arbeitslose interessiert sei, sondern einfach Problembewirtschaftung betreibe».

Das von Albert Rösti gegenüber «Blick» geäusserte Argument, die Überbrückungsrente würde angesichts der Corona-Krise geradezu dazu verleiten, ältere Arbeitslose zu entlassen, ist gemäss der SP-Politikerin haltlos. «Im Kanton Waadt gibt es bereits eine entsprechende Rente für über 60-jährige Ausgesteuerte. Die Arbeitslosenrate dort ist nicht etwa gestiegen, sondern gesunken.» 

Ob die Überbrückungsrente tatsächlich auch schweizweit eingeführt wird, hängt auch vom weiteren Verlauf der Debatte ab. Nächste Woche wird nun eine Einigungskonferenz zum Einsatz kommen. 

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