Millionengeschenke Ärzte und Spitäler kassieren jedes Jahr mehr

dor

21.11.2019

Pharmakonzerne zahlen jedes Jahr viel Geld an Ärzte, Spitäler und Organisationen.
Pharmakonzerne zahlen jedes Jahr viel Geld an Ärzte, Spitäler und Organisationen.
Bild: Keystone

Ärzte, Spitäler und Gesundheitsorganisationen lassen sich von Pharmakonzernen mit Millionen unterstützen. Das Sponsoring legt jedes Jahr zu. 2018 hat die Pharmabranche mehr als 181 Millionen Franken überwiesen.

Die Zuwendungen der Pharmaindustrie an Ärzte, Spitäler, Forscher, Apotheken und Organisationen in der Gesundheitsbranche sind weltweit ein umstrittenes Thema – auch in der Schweiz. Die Pharmabranche zahlt hierzulande jährlich Gelder in Millionenhöhe. Und jedes Jahr werden die Geldflüsse grösser. 2018 stieg das Volumen der offengelegten Zahlungen im Vergleich zum Vorjahr um fast 20 Millionen Franken von 162,6 Millionen Franken auf 181,4 Millionen Franken. 2016 waren es noch 156 Millionen Franken, 2015 141 Millionen Franken.

Insgesamt hat die Pharmaindustrie Ärzte, Spitäler und andere Unternehmen und Organisationen in den vergangenen vier Jahren rund 640 Millionen Franken zukommen lassen. Das geht aus einer jetzt veröffentlichten Recherche der «Handelszeitung» in Zusammenarbeit mit «Blick», «Beobachter» und «Le Temps» hervor, bei der Geldflüsse der Pharmamultis durchleuchtet und ausgewertet wurden. Bereits im vergangenen April veröffentlichte das Recherche-Netzwerk erste Ergebnisse. Nun liegen Zahlen für 2018 vor. Auf www.pharmagelder.ch können die Daten eingesehen und durchsucht werden.

Von den Zahlungen gingen der Recherche zufolge 12 Millionen Franken direkt an einzelne Ärzte. 97 Millionen Franken erhielten Spitäler, Arztpraxen sowie Institutionen und Firmen der Gesundheitsbranche – meist in Form von Sponsoring. 72 Millionen flossen in Forschungs- und Entwicklungspartnerschaften. Es gehe um Wissensaustausch und um Zusammenarbeit mit Ärzten – das sei für Forschung und Entwicklung neuer Therapie unerlässlich, teilen Novartis und Roche auf Anfrage dem «Blick» mit.

Die Ärzteverbindung FMH sagte der Zeitung, dass bereits viele Pharmafirmen der Empfehlung von des Pharma-Branchenverbands Scienceindustries folgten, nur mit Leistungserbringern zusammenzuarbeiten, die einer Publikation der Entschädigungen zustimmen.

Nicht alle Zahlungen bekannt

Nicht alle Zahlungen werden von der Branche namentlich offengelegt. Bei 22 Prozent der Zahlungen an Ärzte und 6 Prozent der Zahlungen an Organisationen ist der Empfänger unbekannt. Zahlungen im Rahmen von Forschungspartnerschaften werden gar nicht namentlich offengelegt.

Wie die Auswertung zeigt, gibt es grosse Unterschiede zwischen den Unternehmen: Der Basler Pharmakonzern Novartis hat 2018 praktisch alle Zahlungen namentlich zugewiesen, Merck dagegen legt nur einen Drittel der Zahlungen an einzelne Ärzte offen. Immerhin: Im Vergleich zum Vorjahr haben die Offenlegungsquoten bei den meisten Firmen zugenommen.

Wie die von den Pharmaunternehmen offengelegten Daten zeigen, wird die Hälfte aller Empfänger von einem einzigen Pharmaunternehmen gesponsert. Diese Sponsoring-Ballung steht im Widerspruch zur Haltung von Scienceindustries. Der Verband empfiehlt seinen Mitgliedern, nur Personen oder Organisationen zu sponsern, die mehrere Unterstützer haben.

Für den Konsumentenschutz sind gerade im Gesundheitswesen intransparente Geldflüsse besonders problematisch, wie der «Blick» schreibt. Der Konsumentenschutz fordere, dass die Zuwendungen durch den Bund reguliert werden. Zuwendungen für Anwendungsbeobachtungen und andere Konstrukte, welche in erster Linie Marketing-Zwecke erfüllten, müssten zudem verboten werden.

Eigene Transparenzregeln

2015 hatte sich die Pharmabranche eigene Transparenzregeln auferlegt, wie mit Spenden und Sponsoring umzugehen sei. Kritiker beanstanden, dass es sich um eine freiwillige Selbstregulierungsmassnahme der Branche handelt, dabei sei keine Transparenz gewährleistet.

Zu den grössten Geldgebern gehörten laut der Recherche auch 2018 die Basler Pharmakonzerne. Von Novartis und Roche flossen 22,4 respektive 19,9 Millionen Franken an Ärzte, Spitäler, Organisationen und Universitäten.

Die Pharmaindustrie bezahlte den Ärzten Aufwendungen für Kongresse, Honorare als Referenten, für Beraterdienste und übernahm ihre Spesen. Einige Ärzte erzielten so ein beachtliches Zusatzeinkommen. Zwölf Ärzte kamen seit 2015 auf einen Zusatzverdienst von über 100'000 Franken.

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