Prävention gegen Gewalt 30 Fälle gemeldet: Das leistet die Basler «Anlaufstelle Radikalisierung»

Von Johannes F. Kretschmann

18.9.2018

An die Anlaufstelle Radikalisierung können sich Angehörige, Lehrpersonen oder sonstige Bezugspersonen von gefährdeten Personen wenden. (Symbolbild)
An die Anlaufstelle Radikalisierung können sich Angehörige, Lehrpersonen oder sonstige Bezugspersonen von gefährdeten Personen wenden. (Symbolbild)
Bild: Tauseef Mustafa/AFP/Getty Images)

An wen sollen sich besorgte Angehörige wenden, wenn ihre Lieben extremistische Ansichten vertreten oder sogar in gewaltbereiten Kreisen verkehren? Der Kanton Basel-Stadt will mit der «Anlaufstelle Radikalisierung» rechtzeitig Betroffene erreichen. Bluewin hat nachgefragt.

Seitdem in Europa islamistische Terroranschläge verübt werden, ist auch in der Schweiz der Eindruck einer erhöhten Bedrohungslage entstanden. Der Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt beauftragte deswegen im Oktober 2016 das Justiz- und Sicherheitsdepartement, eine Anlaufstelle Radikalisierung auszustatten und zu betreiben. Und das Angebot wird rege genutzt: 30 Fälle hat die Stelle seit der Inbetriebnahme behandelt, wie die Psychologin Annina Baumann, die auch als Leiterin des Teams Prävention gegen Gewalt fungiert, erklärt. 

Die Anlaufstelle, die persönlich, telefonisch oder per Mail in Anspruch genommen werden kann, ist Baumann zufolge nicht speziell für den Komplex Islamismus ausgerichtet. Sie steht «der ganzen Bevölkerung des Kantons Basel-Stadt offen», besonders Menschen, die in den Bereichen Schule, Jugend- und Sozialarbeit, Berufsbildung, Sport und Freizeit mit Fällen von Radikalisierung und Extremismus konfrontiert werden.

«Mobbingsituationen und Aufmerksamkeitsbelange»

Ein Team aus fünf Mitarbeitern gewährleistet den Betrieb: Psychologinnen, Sozialpädagogen und Polizisten mit Zusatzausbildung zum Gewaltberater.  Konkrete Beispiele von Ratsuchenden will Baumann «wegen der Nachvollziehbarkeit» nicht schildern. Grundsätzlich sei jedoch bei vielen Fällen «eine tiefgehende Problematik erkennbar». Sie zählt hier «Identitätssuche, Mobbingsituationen, Aufmerksamkeitsbelange» auf und sieht radikale Äusserungen als Mittel für Menschen in Krisen, die sich Gehör verschaffen wollen. Ideologische Motive wären demzufolge also mehr Symptome als Ursachen für Extremismus.

Beim Thema Verschwiegenheit ist der «Faktor Gewalt» die rote Linie. Wenn Gewaltbereitschaft gegeben ist, kümmern sich die Behörden um strafrechtlich relevante Aspekte und erstatten entsprechend Meldung. Die Anlaufstelle arbeitet eng mit der Task Force Radikalisierung zusammen, die ein koordiniertes Handeln sicherstellt und sich mit den zuständigen Fachstellen des Kantons Basel-Landschaft austauscht.

Bedenken von Experten

Nach der Eröffnung der Anlaufstelle in Basel äusserten Experten aber auch Bedenken. Der Religionswissenschaftler Johannes Saal von der Uni Luzern lobte gemäss der TagesWoche zwar den Ansatz, befand es aber als problematisch, dass die Anlaufstelle von der Kantonspolizei betreut werde. Das mache es für Angehörige möglicherweise schwierig, ein Vertrauensverhältnis aufzubauen. Eltern würde ihre Kinder nicht gern bei der Polizei melden.

Auch Baumann sieht ein «gegenseitiges Vertrauensverhältnis bei der Kontaktaufnahme» als «elementare Grundvoraussetzung bei der Arbeit im Bereich Prävention». Sie streicht jedoch die Vorzüge bei der Nähe zur Polizei heraus: «Das Team Prävention gegen Gewalt verfügt gerade in diesem Bereich über grosse Erfahrung, was mit ein Grund war, die Anlaufstelle Radikalisierung genau hier anzusiedeln.» Und wenn Gefahr in Verzug ist, erweise sich die Implementierung bei der Kantonspolizei als gewichtiger Vorteil, «weil kurze Dienstwege rasche Handlungsmöglichkeiten ermöglichen.»

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