Kampf um FachleuteArmee reisst Rettungssanitäter aus ihrem Job
stm
4.1.2022
Die Armee mobilisiert im Kampf gegen Corona, und Angehörige mit medizinischen Kenntnissen besonders gefragt. Doch das führt zum Konflikt mit der zivilen Gesundheitsversorgung, wie der Fall zweier Sanitäter zeigt.
stm
04.01.2022, 20:00
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Vor kurzem haben zwei Rettungssanitäter ihr Aufgebot für den «Assistenzdienst Corona» erhalten, wie deren Vorgesetzter «20 Minuten» erzählt hat.
Der Chef des Rettungsdienstes, der anonym bleibt, zeigt sich fassungslos. Das Spitalbataillon bestehe zum grössten Teil aus Personen, die im Gesundheitswesen arbeiten, teilt er mit. Sie würden in ihrem zivilen Job dringend gebraucht.
Der Vorgesetzte der zwei Rettungssanitäter hat erfahren, dass seine Mitarbeiter wahrscheinlich Dienst in einem Impfzentrum leisten müssen. Als Sanitätssoldaten dürfen sie aber keine Impfungen verabreichen. Sie müssten wohl banale Aufgaben verrichten, für die es keine medizinische Ausbildung brauche, ist er überzeugt.
Er fügt an, dass sein Unternehmen auf jede Arbeitskraft angewiesen sei. Jedes Jahr verlegten dessen Mitarbeitende 6500 Patient*innen zwischen Spitälern und Kliniken. Die Auslastung sei gerade jetzt mit den hohen Fallzahlen besonders hoch, Ausfälle wögen schwer, so die Führungskraft.
Doch wie viele Armeeangehörige, die als Zivilisten im Gesundheitswesen arbeiten, sind eigentlich für den Assistenzdienst Corona aufgeboten worden? Das kann die Führunfg selbst nicht sagen: Sie habe keine Informationen darüber, wo und in welcher Funktion ihre Soldaten im zivilen Leben arbeiten.
Gesuche um Dispensation sind oft chancenlos
Bekannt ist dagegen, wie viele Schweizer*innen für die Sanitäts- und Spitalformationen infrage kommen: Es sind 7'639, die von der Armee kürzlich auch speziell angeschrieben worden sind. «Dies mit der Absicht, keine der nicht für die Auftragserfüllung zwingend benötigten Fachkräften aus dem Gesundheitswesen aufzubieten», erklärt Sprecher Stefan Hofer auf Anfrage von blue News.
Die beiden besagten Rettungssanitäter haben gemäss «20 Minuten» ein Gesuch um Dispensation gestellt, das die Armee ohne Begründung ablehnte. Weil der Chef des Rettungsdienstes insistierte, erhielt er schliesslich von der Armee eine Liste zugestellt, aus der hervorgeht, dass ausschliesslich «Intensiv- und Anästhesieärzte» sowie «Notärzte und Ärzte der Notfallstationen» dispensiert würden.
Zwar stehe in dem Dokument, dass die Armee grosszügig dispensiere, auch noch nach dem Einrücken. Bei den beiden Rettungssanitätern trifft dies offensichtlich nicht zu. Die Frage ist, woran das liegen könnte?
«Einzelne Fachpersonen werden weiter benötigt»
«Um Einsätze im Assistenzdienst durch die Armee leisten zu können, benötigt das militärische Gesundheitswesen Personal, um die medizinische Grundversorgung der aufgebotenen Angehörigen der Armee sicherzustellen», führt Sprecher Hofer aus. «Einzelne Fachpersonen aus dem Gesundheitswesen werden weiter benötigt, um die Einsatzbereitschaft der Sanitäts- und Spitalsoldaten zu erstellen.»
Hofer betont, dass die Mitglieder dieser Formationen frühzeitig über mögliche Konflikte informieren sollen. «Die vordienstliche Dispensation trägt dazu bei, dass medizinische Fachkräfte dem zivilen Gesundheitswesen nicht kurzfristig entzogen werden« schreibt der Sprecher. «Dies gilt aktuell besonders für Gesundheitsfachpersonen in spezifischen COVID-Funktionen.»
Laut Hofer sind aktuell «zusammen mit den Freiwilligen und den Durchdienern 280 Armeeangehörige im Assistenzdienst-Einsatz». Zahlreiche Kantone haben die Armee um Hilfe in der Bewältigung der Pandemie gebeten. Nun kämpfen die Truppen und das zivile Gesundheitswesen um die gleichen Fachleute.