Bundesrat Albert Rösti an der Andrehfeier der Tunnelbohrmaschine «Paulina» in Airolo TI.
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Monatelang steht die Bohrmaschine «Paulina» im Gotthard-Südportal still. Interne Protokolle zeigen nun: Sowohl Experten als auch die Baufirma selbst warnten vor einer Blockade – doch das Bundesamt für Strassen liess weiterbohren.
Redaktion blue News
23.10.2025, 11:31
Sven Ziegler
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
Interne Dokumente belegen, dass das Astra trotz Warnungen eine Blockade der Bohrmaschine in Kauf nahm.
Die Baufirma hatte bereits Mitte Juni 2025 auf «äusserst kritische geologische Verhältnisse» hingewiesen.
Die Folge: monatelanger Baustopp, Verzögerungen bis zu zwei Jahren und Mehrkosten von bis zu 20 Millionen Franken.
Die 116 Meter lange Tunnelbohrmaschine «Paulina», die seit Monaten am Südportal des Gotthards stillsteht, ist zum Symbol eines millionenschweren Baustellen-Fiaskos geworden. Laut Recherchen der SRF-«Rundschau» liegen dem Bundesamt für Strassen (Astra) seit Juni interne Warnungen vor – doch die Arbeiten wurden trotzdem fortgesetzt.
Bereits am 6. Juni 2025 hielt die Bauleitung schriftlich fest, dass «man ziemlich am Limit» arbeite. Zehn Tage später wurde die Alarmschwelle für den Materialfluss überschritten – ein Hinweis auf gefährliche Hohlräume im Gestein. Am 18. Juni beschloss das Astra trotzdem, dass künftig keine automatischen Unterbrüche mehr erfolgen sollten, sondern lediglich eine Meldung genüge.
Einen Tag darauf warnte die Baufirma ausdrücklich vor einem «realen Risiko, dass die Maschine stecken bleibt». Das Astra aber ordnete an, weiterzubohren. Am 23. Juni forderte die Bauleitung einen sofortigen Stopp, blieb jedoch ungehört. Kurz danach blieb «Paulina» endgültig stehen.
«Man hätte stoppen müssen»
Die Folgen sind gravierend: Der Bohrkopf liess sich laut Protokollen nicht mehr drehen. Um ihn zu befreien, musste ein seitlicher Zugang gesprengt werden – ein Aufwand, der laut Insidern bis zu zwei Jahre Verzögerung und bis zu 20 Millionen Franken Mehrkosten verursachen könnte.
Politiker reagieren empört. FDP-Nationalrat Alex Farinelli sagt gegenüber SRF: «Wenn man das liest, ist das Fazit einfach: Man hätte die Arbeiten stoppen sollen.» Auch SP-Nationalrat Jon Pult kritisiert: «Wenn unabhängige Experten schon im Vorfeld vor der zerrütteten Zone gewarnt haben, fragt man sich, ob man hier mit dem Kopf durch die Wand wollte.»
Astra spricht von «kontrolliertem Stopp»
Das Astra weist die Vorwürfe zurück und erklärt, die Maschine sei «kontrolliert angehalten» worden – nicht blockiert. «Paulina» sei aufgrund der schwierigen Geologie bewusst gestoppt worden, heisst es in einer Stellungnahme.
Für den emeritierten Geologieprofessor Adrian Pfiffner ist das eine beschönigende Darstellung: «Aus dem Protokoll entnehme ich, dass die Maschine steckengeblieben ist und nicht mehr angeworfen werden konnte. Das ist kein kontrolliertes Abstellen.»
Die zweite Röhre des Gotthard-Strassentunnels ist eines der teuersten Infrastrukturprojekte der Schweiz: 16,9 Kilometer Länge, über zwei Milliarden Franken Kosten, geplanter Abschluss 2030. Während die Arbeiten auf der Nordseite planmässig verlaufen, droht das Südportal nun zum Problemfall des Projekts zu werden.