Globaler Trend Atomkraftwerke könnten in der Schweiz ein Comeback feiern

Von Andreas Fischer

2.1.2023

Im Kanton Aargau stehen das AKW Leibstadt (Bild) und die beiden Reaktoren in Beznau.
Im Kanton Aargau stehen das AKW Leibstadt (Bild) und die beiden Reaktoren in Beznau.
KEYSTONE/ALESSANDRO DELLA BELLA

Plötzlich erlebt die Kernkraft eine Renaissance: Immer mehr Länder planen neue AKW. Ein neuer Reaktortyp spielt dabei eine wichtige Rolle. Kippt jetzt auch das AKW-Verbot in der Schweiz?

Von Andreas Fischer

2.1.2023

Auf der ganzen Welt sind derzeit 500 neue AKW im Bau oder geplant – so viele wie noch nie. Immer mehr Länder, darunter auch einige EU-Staaten, kommen zum Schluss, dass sie nur mit Atomkraft schnell vom CO2 wegkommen.

Selbst der Weltklimarat IPCC hält das für eine gute Idee. Und was macht die Schweiz? Sie gerät mit ihrem 2017 vom Stimmvolk beschlossenen AKW-Verbot unter Druck. Denn ohne Kernenergie muss sie – selbst bei einem planmässigen Ausbau der Fotovoltaik – 40 Prozent des Stromes im Winter importieren.

Laut einer neuen Studie des Bundes, auf die sich die «SonntagsZeitung» beruft, wird das für die Schweiz hochproblematisch, wenn es ihr nicht gelingt, ein Stromabkommen mit der EU auszuhandeln. «Allein um das AKW Leibstadt zu ersetzen, bräuchte es mehr als 400 grosse alpine Solaranlagen wie diejenige, die oberhalb Gondo geplant ist», sagte ETH-Professorin Annalisa Manera der «SonntagsZeitung».

Debatte über AKW-Verbot nimmt Fahrt auf

In der Gesellschaft ist jedenfalls eine neue Diskussion über Atomkraftwerke entbrannt. Befürworter der Kernenergie finden sich nicht mehr nur im rechten Lager: Auch Fachleute und Parlamentarier bis in die politische Mitte hinein plädieren für eine Aufhebung des AKW-Verbots. Laut einer Umfrage von Tamedia seien auch 47 Prozent der Bevölkerung für den Bau neuer AKW.

«Blackout stoppen»: Mit einer Initiative unter diesem Titel fordern bürgerliche Politiker*innen eine sichere, eigenständige und saubere Stromversorgung für die Schweiz. Was sie damit meinen: Auch der Bau neuer Atomkraftwerke soll wieder möglich sein. Die Unterschriftensammlung hat im August begonnen.

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Braucht die Schweiz neue Atomkraftwerke?

Kleine Reaktoren sollen Abhilfe schaffen

Ein neuer Typ von Reaktor könnte laut Energieexperten durchaus zu einer Renaissance von Atomkraftwerken führen. Small-Modular-Reaktoren (SMR) haben einen Durchmesser von lediglich 2,7 Meter, sie gelten aufgrund ihres passiven Kühlsystems als sicher und können in Massenproduktion hergestellt werden, wie Nuklearexpertin Manera erklärt. Die Bauzeit eines AKW, in dem mehrere SMR-Module installiert werden können, würde sich mit dieser Art von Reaktoren auf drei Jahre verkürzen.

Um die Abhängigkeit vom Ausland zu verringern, braucht es keine neuen AKW, findet hingegen Nils Epprecht. Der Geschäftsleiter der Energiestiftung Schweiz sagte der «SonntagsZeitung»: «Wir sollten schnell ein gegenseitiges Stromversorgungsabkommen mit der EU aushandeln, von dem alle Seiten profitieren.»

Auch die Energie-Expertin Almut Kirchner findet es «unseriös, in der Schweiz mit neuen AKW zu planen». Überall auf der Welt verzögere sich der Bau, und fragwürdige, riesige Kostenüberschreitungen seien das Ergebnis. Wenn der Anteil von Sonnen- und Windenergie steigt, könne die Kernkraft sich sogar als Hindernis erweisen. «Ihre Bandlast ist dann zu gross und macht das System unflexibel», sagte Kirchner.

*Mit Material der Nachrichtenagentur Keystone-SDA.

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