Vergewaltigungs-Urteil Empörte Feministinnen rufen zu Demo vor Gericht auf

uri

6.8.2021

Das vom Appellationsgericht Basel-Stadt gefällte Urteil im Vergewaltigungsfall an der Elsässerstrasse sorgt für Kritik. (Archiv)
Das vom Appellationsgericht Basel-Stadt gefällte Urteil im Vergewaltigungsfall an der Elsässerstrasse sorgt für Kritik. (Archiv)
Bild: Keystone

Die Wellen schlagen hoch, nachdem das Basler Appellationsgericht das Strafmass für einen wegen Vergewaltigung verurteilten Mann deutlich reduziert hat. Der «Feministische Streik Basel» ruft nun zur Demo vor dem Gerichtsgebäude auf.

uri

6.8.2021

Der heute 33-jährige Mann hatte im Februar 2020 gemeinsam mit einem Jugendlichen eine damals 33 Jahre alte Frau vor ihrer Wohnung im Basler Quartier St. Johann vergewaltigt. Das Strafgericht hatte gegen den Portugiesen daraufhin eine unbedingte Freiheitsstrafe von 51 Monaten und einen Landesverweis von acht Jahren ausgesprochen.

Das Basler Appellationsgericht reduzierte das Strafmass vergangenen Freitag auf eine Freiheitsstrafe von 36 Monaten, davon 18 Monate unbedingt. Der Täter wird somit bereits in der kommenden Woche aus dem Strafvollzug entlassen, da er sich bereits seit 18 Monaten in Untersuchungs- und Sicherheitshaft befindet. Auch erhielt der Mann nun lediglich einen Landesverweis von sechs Jahren. Das Gericht reduzierte zudem die Genugtuung für das Opfer um 3000 Franken.

Urteil sorgt für Kritik

Das Urteil sorgte – nicht zuletzt in den sozialen Medien – für Wut und Ärger. Die Organisation «Feministischer Streik Basel» kritisiert das Urteil des Appellationsgerichts auf ihrer Website scharf und fordert neben einer «selbstkritischen Aufarbeitung dieses frauenfeindlichen und moralisch aufgeladenen Urteils» und der «sofortigen Aufgleisung einer Schulung mit entsprechenden Expert*innen» auch «den sofortigen Rücktritt von Gerichtspräsidentin Liselotte Henz».

Henz hatte in dem mündlichen Urteil vergangene Woche nach Medienberichten von Signalen gesprochen, die das Opfer beim Besuch eines Clubs ausgesandt habe – die Frau habe «mit dem Feuer gespielt». Zudem habe die Tat nicht lange gedauert, und das Opfer sei nicht schwer verletzt worden.

Ronja Jansen, die Präsidentin der Jungsozialist*innen Schweiz, sprach nach der Entscheidung gegenüber «20 Minuten» von einem «Armutszeugnis für die Schweiz». Als «völlig unverständlich» bezeichnete SVP-Vizepräsidentin und Nationalrätin Céline Amaudruz den Entscheid. Es sei «unbegreiflich, dass man einer Frau eine zweideutige Haltung vorwerfen kann, wenn sie Nein sagt».

Aufruf zur Demonstration

Der «Feministische Streik Basel» ruft nun zu einer Solidaritätsdemonstration mit dem Opfer am 8. August um 14 Uhr vor dem Appellationsgericht auf. Wie die Organisation auf Facebook schreibt, organisiere man die Demonstration nicht selbst und bitte «ausdrücklich darum, Gewalt und Vandalismus zu Hause zu lassen».

Die Kundgebung «sei offen für alle Geschlechter, aber nicht für toxische Männlichkeit». Auch wisse man zum jetzigen Zeitpunkt nicht, ob die Demonstration bewilligt sein werde oder nicht.

Die Kantonspolizei Basel teilte «20 Minuten» mit, man habe Kenntnis von dem Aufruf, noch sei aber kein Gesuch um eine Bewilligung eingegangen.

Appellationsgericht sieht Missverständnisse

Das Appellationsgericht selbst liess am Donnerstag verlautbaren, es seien offenbar zahlreiche Missverständnisse entstanden. So sei das Urteil von einem Dreiergericht und nicht von der vorsitzenden Gerichtspräsidentin allein gefällt worden. Auch habe das Gericht den Schuldspruch der Vorinstanz wegen Vergewaltigung, versuchter Vergewaltigung und sexueller Nötigung zum Nachteil des Opfers bestätigt.

Zudem sei bei Freiheitsstrafen über 24 bis zu 36 Monaten «zwingend der teilbedingte Vollzug zu gewähren». Dies, wenn der Täter noch nicht vorbestraft und eine schlechte Rückfallprognose vorhanden sei. Die vom Gericht ausgesprochene unbedingte Freiheitsstrafe von 18 Monaten entspreche somit dem gesetzlich möglichen Maximum, teilte das Gericht weiter mit.

Expertin verteidigt Argumentation des Gerichts

Die Strafrechtsdozentin und ehemalige Luzerner Kantonsrichterin Marianne Heer kritisierte bei SRF den Aufruf zur Kundgebung. Sie sagte, eine Demonstration sei zwar ein demokratisches Grundrecht, doch übe das «grossen Druck auf die Richterinnen und Richter» aus. Das könne dazu führen, dass diese bei künftigen Urteilen stärker auf die öffentliche Reaktion achten könnten, anstatt dem Gesetz zu folgen.

Zudem verteidigte Heer die Argumentation des Appellationsgerichts: «Das Gesetz sieht ausdrücklich vor, dass das Verhalten des Opfers vor dem Sexualdelikt strafmildernd sein kann», sagte sie bei SRF. Auch sei das niedrigere Strafmass korrekt. Es sei das «in der Schweiz übliche Strafmass bei Ersttätern bei Vergewaltigung».

Mit Material von SDA und dpa