Tote Schafe im Kanton Uri Experte: «Problembären gibt es nicht, Menschen sind das Problem»

Silvana Guanziroli

20.10.2018

M13 wanderte 2013 von Italien her ins Engadin ein. Das Tier zeigte von Anfang an wenig Scheu – und wurde zum Problembär. Das Tier wurde durch einen Jäger erlegt.
M13 wanderte 2013 von Italien her ins Engadin ein. Das Tier zeigte von Anfang an wenig Scheu – und wurde zum Problembär. Das Tier wurde durch einen Jäger erlegt.
Keystone

Ein Bär hat es sich im Gotthard-Gebiet gemütlich gemacht – zum Leidwesen der Schäfer. Der Bären-Experte David Bittner findet aber, dass nicht der Bär das Problem sei, sondern der Mensch.

Die Schäfer im Kanton Uri sind aufgebraucht. Aus ihrer Sicht hat ein Bär am 11. August auf der Göscheneralp fünf Schafe gerissen. Zwei tötete er, drei weitere verletzte er so schwer, dass sie am anderen Tag notgeschlachtet werden mussten.

Um ihren Verdacht zu beweisen, installierten die Bauern eine Fotofalle. Und tatsächlich: Wenige Tage später näherte sich der Bär erneut der Herde. Seitdem ist der Fall im Kanton ein Politikum. 

Der Bärenexperte David Bittner vermutet, dass es sich beim besagten Bären um das Tier mit der Bezeichnung M29 handelt. «Das ist ein männliches Jungtier, das im letzten Sommer nach 190 Jahren als erster Bär wieder in den Kanton Bern einwanderte und so ein Stückchen Wildnis zurückbrachte», sagt er zu «Bluewin». 

Dieser unbekannte Bär wurde von einer Fotofalle im Schweizerischen Nationalpark aufgenommen. Das Bild entstand am 9. Juli 2017
Dieser unbekannte Bär wurde von einer Fotofalle im Schweizerischen Nationalpark aufgenommen. Das Bild entstand am 9. Juli 2017
Keystone

Schweiz erschiesst Problembären

Es ist nicht das erste Mal, dass ein Bär in der Schweiz für Ärger sorgt. 2013 kam ein zweijähriges Männchen mit der Bezeichnung M13 von Italien her ins Engadin. Das Tier zeigte von Anfang an wenig Scheu vor dem Menschen – und wurde zum Problembär. Weil er sich immer wieder bewohntem Gebiet näherte, fielen im November desselben Jahres die tödlichen Schüsse.

Seither warnen Bären-Gegner in der Schweiz davor, dass das Land für freilebende Raubtiere schlicht zu klein sei. Droht dem Bär auf der Göscheneralp jetzt das gleiche Schicksal wie dem Artgenossen vor fünf Jahren?

Schäfer verzichten auf Herdenschutz

Von zu engen Platzverhältnissen will Bärenexperte Bittner nichts wissen. «Trotz der dichtbesiedelten Kulturlandschaft weist die Schweiz, insbesondere in den Bergregionen, noch einen natürlichen Lebensraum auf, wo Bär und Wolf natürlich vorkommen können», sagt er. «Ein Zusammenleben, ein friedliches Nebeneinander ist möglich, wenn man es will.»

Bittner kritisiert das Verhalten der Landwirte. «Ich finde, dass der Ausdruck Problem- und auch Risikobär diesen faszinierenden Wildtieren nicht gerecht wird. Wir Menschen sind es, die Probleme haben, uns diesen intelligenten Geschöpfen anzupassen, durch unser falsches Verhalten, indem wir beispielsweise unsere Nutztierherden nicht schützen.»

In der Schweiz werden jährlich rund 300 Schafe und Geissen gerissen. Der grösste Übeltäter ist der Wolf. Der Bär hingegen gilt eher als Pflanzenfresser und wird in der Regel erst von den Kadaverspuren angelockt.

Der sogenannte Problembär M13 zeigte zu wenig Scheu vor dem Menschen.
Der sogenannte Problembär M13 zeigte zu wenig Scheu vor dem Menschen.
Keystone

Bei Bärenkontakt – so verhalten Sie sich richtig:

- Seien Sie beim Wandern laut, Bären gehen dem Menschen aus dem Weg.

-  Treffen Sie auf einen Bären, bleiben Sie ruhig. Hat das Tier Sie nicht gesehen, dann gehen Sie leise zurück.  

- Hat das Tier Sie wahrgenommen, bleiben Sie stehen, machen Sie sich gross und sprechen Sie ruhig auf das Tier ein.

- Vermeiden Sie hektische Bewegungen, schreien Sie nicht. 

- Rennen Sie niemals weg! Gehen Sie langsam rückwärts. Er soll merken, dass Sie keine Gefahr sind.

- Kommt der Bär aggressiv auf Sie zu, bleiben Sie unbedingt stehen. Vermeiden Sie Augenkontakt.

- Greift Sie der Bär an, legen Sie sich breitbeinig auf den Bauch, Arme über Kopf und Genick, stellen Sie sich tot. Der Bär verliert schnell das Interesse und geht. Er ist ja eigentlich ein Pflanzenfresser.

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