Berset-Nachfolge Wer für die SP im Rennen ist – und wer nicht will

sr, sda

2.9.2023 - 13:26

Das Rennen um die Nachfolge von SP-Bundesrat Alain Berset läuft,
Das Rennen um die Nachfolge von SP-Bundesrat Alain Berset läuft,
KEYSTONE

Das Kandidierendenkarussell für die Nachfolge von SP-Bundesrat Alain Berset dreht sich seit dessen Rücktrittsankündigung.

Keystone-SDA, sr, sda

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Bei der SP dreht sich das Kandidierendenkarussell.
  • Die Nachfolge von SP-Bundesrat Alain Berset ist seit dessen Rücktrittsankündigung das grosse Thema. 
  • Diese Kandidaten wollen – und diese nicht.

Bei den Sozialdemokraten kommen neben den im Dezember unterlegenen Kandidierenden um die Nachfolge von Simonetta Sommaruga neue Namen ins Spiel:

Wie ist die Ausgangslage?

Die Nachfolgerin oder der Nachfolger für Berset wird noch nicht in der Herbstsession bestimmt, sondern bei den Gesamterneuerungswahlen der Landesregierung am 13. Dezember. Alle interessierten Parteimitglieder können bis zum 29. Oktober eine Kandidatur einreichen. Die Partei will für die Wahl von Alain Bersets Nachfolge eine Auswahl von mehreren Kandidatinnen und Kandidaten nominieren. Auf Kriterien verzichtet sie.

Unklar ist derzeit, ob andere Parteien den zweiten SP-Sitz im Bundesrat infrage stellen werden. Die Grünen und auch die GLP liessen nach Bersets Rücktrittsankündigung durchblicken, dass sie einen Angriff nicht ausschliessen. Konkreter dürfte es erst Ende Oktober werden, nach den eidgenössischen Wahlen vom 22. Oktober.

Generell kann erwartet werden, dass wegen der welschen SP-Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider Deutschschweizer Politiker in der Poleposition sind.

Wer will kandidieren?

MUSTAFA ATICI: Der Basler SP-Nationalrat Mustafa Atici (Jahrgang 1969) bekundet Interesse an der Nachfolge von Alain Berset. «Ja, ich will!», sagte er gegenüber dem Basler Lokalmedium «Primenews». Der in der Türkei geborene Unternehmer wäre damit das erste Bundesratsmitglied mit direktem Migrationshintergrund. Atici sitzt seit Ende 2019 im Nationalrat. Er gilt als enger Wegbegleiter des Basler Regierungspräsidenten Beat Jans, der als Favorit für die Nachfolge von Berset gehandelt wird. Aticis Wahlchancen sind dagegen minim.

Wer ist im Gespräch?

BEAT JANS: Dem früheren Nationalrat und heutigen Basler Regierungspräsidenten Beat Jans (Jahrgang 1964) wird das Format eines Bundesrats zugeschrieben. Jans gab nach Bersets Rücktrittsankündigung an, dass er sich eine Kandidatur über die Sommerferien gemeinsam mit seiner Familie überlegen werde. «Ich fühle mich geehrt, für das Amt des Bundesrats ins Spiel gebracht zu werden, und natürlich wäre das eine sehr faszinierende Aufgabe für mich», sagte er. Politbeobachter sehen Jans im Falle einer Kandidatur als einen der Favoriten auf den Regierungsposten. Er hätte auch rein aus regionalpolitischen Überlegungen gute Chancen. Der Kanton Basel-Stadt war schon lange nicht mehr im Bundesrat vertreten.

JON PULT: Der Bündner Nationalrat Jon Pult (Jahrgang 1984) möchte sich «sorgfältig und in aller Ruhe» eine Bundesratskandidatur überlegen, wie er nach Bersets Rücktrittsankündigung bekanntgegeben hat. Er sei von vielen für die Berset-Nachfolge ins Spiel gebracht worden und wolle im Herbst entscheiden, nachdem seine Partei und die Fraktion das Nominationsverfahren bestimmt hätten. Bis dahin wolle er sich darauf konzentrieren, die Wiederwahl in den Nationalrat zu schaffen. Pult gilt als eines der grössten Talente der SP und als guter Rhetoriker. Schon ein Jahr nach seinem Einzug ins Parlament machte ihn die SP zum Vizepräsidenten.

MATTHIAS AEBISCHER: Der Berner Nationalrat Matthias Aebischer (Jahrgang 1967) überlegt sich eine Kandidatur für den Bundesrat. Es freue ihn, dass sein Name vielerorts ins Spiel gebracht worden sei, sagte er nach Bersets Rücktrittsankündigung. Aebischer möchte sich im Sommer Zeit nehmen, um über eine mögliche Kandidatur nachzudenken. Er müsse einige Gespräche führen und werde dies in aller Ruhe tun. Vor seiner Zeit im Nationalrat war Aebischer unter anderem Moderator verschiedener Sendungen beim Schweizer Radio und Fernsehen SRF und erlangte dadurch in der Deutschschweiz grosse Bekanntheit.

DANIEL JOSITSCH: Der Zürcher Ständerat will am 5. September über eine mögliche Kandidatur informieren. Nach dem Rücktritt von Simonetta Sommaruga im vergangenen Jahr hatte der 58-Jährige an einer Kandidatur festgehalten, obwohl die SP ein reines Frauenticket beschlossen hatte. Bei der Wahl durch die Vereinigte Bundesversammlung erhielt er in den ersten Wahlgängen zahlreiche Stimmen. Schliesslich setzte sich jedoch die jurassische Ständerätin Elisabeth Baume-Schneider gegen die Basler Ständerätin Eva Herzog durch. Für ihn als Bundesrat spricht unter anderem seine Erfahrung in Bundesbern und seine urbane Herkunft. Jositsch gilt als Vertreter des rechten Flügels der SP.

CÉDRIC WERMUTH: Offen ist, ob sich Cédric Wermuth (Jahrgang 1986) als Co-Präsident der SP eine Kandidatur vorstellen könnte. Der Aargauer Nationalrat liess sich bisher nicht in die Karten blicken. Er konzentriere sich auf den bevorstehenden Wahlkampf seiner Partei, sagte er nur. Wermuth brächte zweifelsfrei die Erfahrung und das politische Gewicht mit, um selber zu kandidieren. Er gilt auch als guter Redner und spricht sehr gut Französisch.

JEAN-FRANCOIS STEIERT: Überraschend interessiert sich auch ein Anwärter aus einem Westschweizer Kanton für die Nachfolge von Alain Berset: Jean-François Steiert (Jahrgang 1961), Freiburger Verkehrsminister, überlegt sich, ob er antreten will, wie Recherchen der «NZZ am Sonntag» zeigten. «Ich werde mir im Herbst Gedanken zu einer Kandidatur machen», sagte er auf Anfrage. Steiert kommt wie der abtretende Berset aus dem Kanton Freiburg. Tritt er tatsächlich an, wird die Kantonszugehörigkeit zum Thema werden: Die lateinische Schweiz ist mit vier Vertretern aktuell im Bundesrat übervertreten. Allerdings ist Steiert perfekt bilingue.

FABIAN MOLINA: Eine mögliche Kandidatur prüft laut den Tamedia-Zeitungen auch der Zürcher Nationalrat Fabian Molina (Jahrgang 1990). Der ehemalige Juso-Präsident rückte im März 2018 als Nationalrat nach, nachdem Tim Guldimann überraschend seinen Rücktritt bekanntgegeben hatte. Bei den Nationalratswahlen 2019 konnte Molina seinen Sitz verteidigen. Seit 2017 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Hilfswerk Swissaid und seit Juni 2019 Co-Präsident der Entwicklungsorganisation.

EVA HERZOG: Die Basler Ständerätin und frühere Finanzdirektorin Eva Herzog (Jahrgang 1961) war im Dezember bei der Sommaruga-Nachfolge als Favoritin gehandelt worden, unterlag aber schliesslich gegen Elisabeth Baume-Schneider. Sie will eine erneute Kandidatur als Bundesrätin nicht ausschliessen, wie sie sagte. «Ich habe Zeit, mir das zu überlegen», sagte sie. Herzog soll im nächsten Jahr das Ständeratspräsidium übernehmen. Als Vertreterin eines Stadtkantons und einer starken Wirtschaftsregion würde Herzog wiederum gute Argumente für ein Amt im Bundesrat mitbringen.

EVI ALLEMANN: Die Berner Regierungsrätin und frühere Nationalrätin Evi Allemann (Jahrgang 1978) hatte sich vergangenes Jahr entschieden, für den freigewordenen Sommaruga-Sitz zu kandidieren. Sie unterlag damals in der internen Ausmarchung Eva Herzog und Elisabeth Baume-Schneider. Nach der Rücktrittsankündigung von Berset hat Allemann erneut ihr Interesse am Bundesratsamt angemeldet. Verantwortung als Bundesrätin zu übernehmen, reize sie nach wie vor. Ob sie ins Rennen um einen Bundesratssitz steige, entscheide sie im Herbst, wenn Partei und Fraktion das Anforderungsprofil verabschiedet hätten, liess Allemann verlauten.

MATTEA MEYER: Für die Zürcher Nationalrätin Mattea Meyer (Jahrgang 1987) gilt dasselbe wie für ihren Co-Parteichef Cédric Wermuth: Vor einer möglichen Bundesratskandidatur gelte es, die SP erfolgreich durch den Wahlherbst zu führen. Bei der Sommaruga-Nachfolge im vergangenen Jahr hatte sie mit Verweis auf ihr Parteiamt auf eine Bundesratskandidatur verzichtet. Nach der Rücktrittsankündigung Bersets machte sie keine weiteren Angaben zu ihren persönlichen Ambitionen.

PRISCA SEILER GRAF: Ebenfalls nicht ausschliessen will die Zürcher Nationalrätin und Co-Präsidentin der SP des Kantons Zürich Prisca Seiler Graf Ambitionen für die Berset-Nachfolge. Von 2005 bis 2015 war Seiler Graf (Jahrgang 1968) Kantonsrätin. 2015 wurde sie in den Nationalrat gewählt. Die dreifache Mutter hatte im Januar 2020 zusammen mit dem Walliser Nationalrat Mathias Reynard erfolglos für das Präsidium der SP Schweiz kandidiert.

TAMARA FUNICIELLO: Die Co-Präsidentin der SP-Frauen, Tamara Funiciello (Jahrgang 1990), erwägt eine Kandidatur als Nachfolgerin von Bundesrat Alain Berset. Es sei eine Tür, die nicht oft aufgehe, und man müsse das prüfen, sagte die Berner Nationalrätin und ehemalige Juso-Präsidentin. Die schweizerisch-italienische Doppelbürgerin will den Entscheid im Sommer treffen. Vor ihrer Zeit als Juso-Präsidentin arbeitete sie als Lagermitarbeiterin, Büro- und Serviceangestellte sowie als Gewerkschaftssekretärin.

Wer hat abgesagt?

FLAVIA WASSERFALLEN: Die Berner Nationalrätin Flavia Wasserfallen (Jahrgang 1979) hatte sich im vergangenen Jahr eine Bundesratskandidatur überlegt, verzichtet aber wie damals nun auch auf das Rennen um die Berset-Nachfolge. Sie hat sich für die Ständeratskampagne entschieden, wo sie den Berner SP-Sitz des abtretenden Hans Stöckli verteidigen will.

NADINE MASSHARDT: Schon bei der Sommaruga-Nachfolge wurde die Berner Nationalrätin Nadine Masshardt (Jahrgang 1984) als mögliche Kandidatin gehandelt, doch sie sagte früh ab. Nach Bersets Rücktrittsankündigung überlegte sich die Präsidentin der Stiftung Konsumentenschutz über den Sommer eine Kandidatur. Das hat sie nun getan: Sie steht nicht zur Verfügung, wie sie auf Anfrage sagte. Sie bestätigte damit einen Bericht von blick.ch. Masshardt wird den Kandidierendenprozess verantworten.

SAMIRA MARTI: Auch die Baselbieter Nationalrätin Samira Marti (Jahrgang 1994) hätte laut Politbeobachtern das Zeug für eine Bundesrätin. Sie hat bereits einen steilen politischen Aufstieg hinter sich und amtet als Fraktionsvizepräsidentin. Nun lässt sie sich zusammen mit dem Waadtländer Samuel Bendahan für die Nachfolge von Fraktionschef Roger Nordmann aufstellen und steht als Bundesratskandidatin nicht zur Verfügung. Wie sie dem Nachrichtenportal blick.ch verriet, verantwortet Marti zudem zusammen mit Nadine Masshardt den Kandidierendenprozess.