«Es ist ein Schock gewesen»So dreist legen Betrüger in Zürich Wohnungssuchende rein – eine Warnung
Philipp Dahm
27.10.2025
Potenzielle Mieterinnen und Mieter stehen in Zürich bei einer Besichtigung Schlange: Die Wohnungsnot ruft auch Betrüger auf den Plan.
Bild:Keystone
L. H. hat von einer günstigen Wohnung in Zürich geträumt und dafür teuer bezahlt: Betrüger haben ihn mit einer falschen Wohnungsanzeige hinters Licht geführt. Er berichtet blue News davon, damit andere nicht auch in die Falle tappen. Ein Drama in sechs Akten.
«Es ist ein Schock gewesen für mich. Ich muss auch Rechnungen zahlen», klagt L. H.. Der Schweizer hat gedacht, er habe einen Glücksgriff auf dem Wohnungsmarkt gelandet: «Das Angebot ist so schön: In der Stadt Zürich bekommt man sowas eigentlich nicht.»
Doch H. geht Betrügern auf den Leim. Im Nachhinein ist man immer klüger. Das weiss jetzt auch H.. Er stutzt nicht, als die scheinbare Vermieterin in holprigem Deutsch schreibt.
Er schöpft auch zu spät Verdacht, als ihm die vermeintliche Vermieterin eine Kopie ihres Ausweises und von dem ihrer Tochter schickt: «Das macht man ja eigentlich nicht. Das war schon dubios. Leider habe ich erst Verdacht geschöpft, als ich vor Ort gewesen bin.»
Hast du etwas Ähnliches erlebt?
Hast auch du mit Betrügern zu tun gehabt, die Wohungssuchende über den Tisch ziehen wollten? Dann melde dich bei uns!
Auch, als auf seine Mails nur Minuten später Antwortmails kamen, die eine Zeitverschiebung von zwei Stunden zeigen, merkte er dies nicht. Wer in Zürich eine Wohnung sucht, der ist schon froh, wenn er nur schon ein valables Angebot erhält. Damit spielen auch die Betrüger. Und diese wiederum spielen in seinem Fall mit einer geklauten Identität einer Ärztin in Zürich. Wir nennen sie hier Silvana Plättli. Aber der Reihe nach.
29. September: Ein Angebot, das man nicht ablehnen kann
Dabei waren die Anzeichen da, dass mit diesem Angebot etwas nicht stimmt: Am Montag schreibt die Frau, die hier Silvana Plättli genannt wird, um 16.48 Uhr zurück – und beginnt mit «Guten Morgen» und einem Komma, nach der Anrede. Die Offerte ist zu gut, um wahr zu sein.
So legen Betrüger Wohnungssuchende in der Schweiz rein
Was für ein Angebot! Scheinbar wird dieses möblierte 27-Quadratmeter-Studio im ersten Stock eines Altbaus in der Stampfenbachstrasse 151 in Zürich vermietet. Inklusive sei neben dem «Schlafzimmer» ...
Bild: zVg
... die «Eingangshalle», ...
Bild: zVg
... das «Wohnzimmer», ...
Bild: zVg
... die «separate, ausgestatteten und eingerichteten Küche» mit Mikrowelle und Kaffeemaschine sowie ...
Bild: zVg
... dem Duschraum mit WC. Kostenpunkt: 998 Franken inklusive pro Monat. Die Offerte entpuppt sich bald als Betrug.
Bild: zVg
Die Fotos sind 2018 und 2019 auf diesem Facebook-Account benutzt worden, um eine Wohnung im französischen Saint-Étienne zu vermieten. Auch dieses Angebot riecht nach Betrug.
Bild: Facebook
So legen Betrüger Wohnungssuchende in der Schweiz rein
Was für ein Angebot! Scheinbar wird dieses möblierte 27-Quadratmeter-Studio im ersten Stock eines Altbaus in der Stampfenbachstrasse 151 in Zürich vermietet. Inklusive sei neben dem «Schlafzimmer» ...
Bild: zVg
... die «Eingangshalle», ...
Bild: zVg
... das «Wohnzimmer», ...
Bild: zVg
... die «separate, ausgestatteten und eingerichteten Küche» mit Mikrowelle und Kaffeemaschine sowie ...
Bild: zVg
... dem Duschraum mit WC. Kostenpunkt: 998 Franken inklusive pro Monat. Die Offerte entpuppt sich bald als Betrug.
Bild: zVg
Die Fotos sind 2018 und 2019 auf diesem Facebook-Account benutzt worden, um eine Wohnung im französischen Saint-Étienne zu vermieten. Auch dieses Angebot riecht nach Betrug.
Bild: Facebook
Silvana Plättli schreibt, sie vermiete das erste Mal und das Studio sei gerade erst renoviert worden. Die scheinbare Schweizerin schreibt von einem «Außengang». Später wird sich herausstellen, dass es diese Frau zwar wirklich gibt, sie aber mit dem Betrug nichts zu tun hat – ein klarer Fall von Identitätsmissbrauch.
Sie ist der Sprache nicht besonders mächtig, wie etwa dieser gefettete Satz in der Mail erahnen lässt: «MÖGLICHKEIT, EINIGE DER MÖBEL, DIE SIE BEREITS HABEN, ZU ENTFERNEN, WENN SIE WOLLEN.» Auch der Preis von nur 998 Franken monatlich macht H. nicht misstrauisch.
30. September: «Ich bewege mich nicht unnötig»
H. ist einfach nur froh, endlich – aber vermeintlich – eine neue Bleibe gefunden zu haben. «Danke, dass Sie mir die Chance geben, dieses Studio zu mieten», schreibt er am Dienstag um 8.38 Uhr zurück. Er fragt, ob es einen Keller oder einen Abstellplatz gibt: Mit der Zahlung einer Kaution und zwei Monatsmieten im Voraus sei er einverstanden.
«Ich habe gerade Ihre E-Mail erhalten», antwortet Silvana Plättli um 15.28 Uhr, «und möchte bestätigen, dass wir an Ihrem Profil interessiert sind.» Deshalb solle ein «Formular» ausgefüllt werden. Diese Angaben soll H. machen:
zVg
Ein Parkplatz sei für H. «reserviert» worden. Um «die Wohnung bis zu ihrer Ankunft zu garantieren», müsse er allerdings eine Kaution in Höhe von einer Monatsmiete vorab überweisen.
Danach folge die Besichtigung mit anschliessender Vertragsunterschrift, bei der die weiteren Vorabzahlungen geleistet werden sollten. Die Anweisungen, was H. zur Besichtigung mitbringen soll, sind klipp und klar:
zVg
1. Oktober: Vorab-Kasse an den «Buchhalter»
Punkt 12 Uhr am Mittwochmittag schickt H. die gewünschten Informationen: Er wolle schon am folgenden Montag, den 6. Oktober das Studio besichtigen, direkt einziehen und für ein Jahr bleiben.
Das gefällt Silvana Plättli, doch sie erinnert H. in ihrer Mail von 15.37 Uhr daran, dass er jene «Kaution hinterlegen» müsse, «um die Miete bis zu Ihrer Ankunft und Ihrem Einzug zu garantieren». Im Gegenzug würden eine Vertragskopie sowie eine Quittung zugeschickt und der Termin vereinbart.
Gleichzeitig mahnt die Person: «Es ist wichtig, dass Sie meine Wohnung so pfleglich behandeln, als wäre es Ihre eigene.» Neben der Peitsche gibt es aber auch ein Zuckerbrot: Der Parkplatz ist aufgewertet worden. «Ich bestätige außerdem, dass eine private Garage für Sie reserviert ist», steht da mit deutschem S.
«Dubios»: Die Pseudo-Vermieterin schickt nicht nur eine Kopie ihres eigenen Ausweises (im Bild), sondern auch von dem ihrer Tochter.
zVg
Silvana Plättli versichert weiterhin, dass die Kaution «nach Vertragsende zurückerstattet» werde – und setzt noch einen drauf: «Zur zusätzlichen Sicherheit fügen wir auch Kopien der Ausweise von mir und meiner Tochter bei.» Wenn alles okay sei, werde Plättli H. die Daten ihres «Buchhalters» für die Überweisung senden.
3. Oktober: «Ich bitte Sie, schnell zu handeln»
Nachdem H. am Vortag um die Daten des Buchhalters gebeten hat, antwortet Silvana Plättli am Freitag um 7.53 Uhr. Sie schickt ihm die Information mit der Aufforderung, einen Zahlungsbeleg via Mail zu senden. Im Gegenzug beraumt Plättli einen Termin am Montag um 17 Uhr in der Wohnung an und fordert H. zudem auf, alle Akten mitzunehmen.
Was der nicht weiss: Der Name des «Buchhalters» findet sich unter der angegebenen Adresse nicht. Nur eine Galerie und eine Bank haben dort ihren Sitz. Es handelt sich dabei aber nicht um die Bank, die die Kautionszahlung empfängt.
Plötzlich hat es Silvana Plättli eilig: «Haben Sie meinen letzten Brief erhalten?», fragt sie um 12 Uhr nach und drängt: «Ich bitte Sie, schnell zu handeln, um die Zusendung des Mietvertrags und die Besichtigung der Wohnung nicht zu verzögern.» Wie immer unterzeichnet sie das Mail mit «Aufrichtig».
H. bestätigt den Termin am Montag und antwortet um 15.11 Uhr: «Habe den gewünschten Betrag überwiesen.» Plättli kontert um 15.15 Uhr: «Ich habe Ihre Nachricht erhalten. Bitte senden Sie mir eine Bestätigung der Überweisung, wenn möglich einen Screenshot, der die Validierung der Überweisung belegt.» Um 15.21 Uhr schickt H. einen Beleg der Inlandszahlung.
4. Oktober: Jetzt auch mit Steuerberaterin
Am Samstag bestätigt Silvana Plättli um 14.57 Uhr den «Erhalt der Kautionsbestätigung», doch sie kann den Mietvertrag noch nicht zu senden. Der Grund: «Ich warte daher auf die Gutschrift des Betrags auf dem Konto meiner Steuerberaterin.»
6. Oktober: Mit dem «Verkehrsunfall» der Tochter fliegt der Schwindel auf
Es ist Montag: H. freut sich darauf, endlich seine Wohnung zu sehen. Um 8.31 Uhr schreibt er noch ein Mal und fragt, ob die Garage schon verfügbar sei.
Die Antwort folgt um 13.32 Uhr: «Ich möchte Sie darüber informieren, dass meine Tochter gestern Abend einen Verkehrsunfall hatte und ich sie zur Behandlung ins Krankenhaus bringen musste.»
Silvana Plättli will den Termin auf Mittwoch verschieben – und schickt «zur Sicherheit» eine Kopie ihres Arztausweises.
In der Mail ist dieses Bild unter folgendem Namen abgespeichert: «Plaettli* Medecin Medico physician.jpg». Auffällig: Der Ausweis war nur bis 2019 gültig. (* Name geändert)
Nachdem H. um 14.34 Uhr um eine Natelnummer bittet und betont, er wolle den Termin doch gerne wahrnehmen, folgt die Antwort bereits um 14.42 Uhr: Silvana Plättli werde ihr «Bestes tun», um rechtzeitig vor Ort zu sein.
Die Sache hat jedoch einen kleinen Haken: «Ich bitte Sie jedoch, die erste Miete auf die Daten meines Steuerberaters zu überweisen, damit ich bestimmte Rechnungen begleichen und an der Besichtigung teilnehmen kann.»
Nachdem H. nun darauf besteht, weitere Zahlungen vor Ort in bar vornehmen zu wollen, wird der Termin auf den 8. Oktober verschoben. Silvana Plättli schickt um 21.15 Uhr einen «Mietvertrag». Nun müsse aber gezahlt werden: «Der Notar bittet Sie zunächst, die erste Monatsmiete in Höhe von 998 CHF als Garantie für Ihren Aufenthalt zu überweisen.»
Kein Happy End für H.: In der Stampfenbachstrasse 151 dämmert es dem Schweizer schliesslich, dass er betrogen worden ist.
Google Maps
Nun schaltet H. die Polizei ein, doch es ist zu spät: 24 Stunden nach der Überweisung könne das Geld noch zurückgeholt werden. Da die Betrüger die Zahlung jedoch am Freitag forciert haben, sind die knapp 1000 Franken verloren.
Die Mails der Betrüger sind zeitlich zwei Stunden voraus: Wenn sie um 3. Oktober um 17.15 Uhr schreiben, ist es in der Schweiz 15.15 Uhr. In diesem Protokoll wurden die Zeiten angepasst.
Die Zeitzone MESZ +2 alias UTC +3 umfasst alle gelb gefärbten Staaten und in der Sommerzeit, die zum Zeitpunkt des Betruges galt, auch die roten Länder. Der oder die Täter könnten also in Osteuropa, dem Nahen Osten oder Ostafrika sitzen.
Die Zeitzone UTC +3 alias MESZ +2.
Commons/Theklan
Silvana Plättli praktiziert unter ihrem echten Namen tatsächlich als Ärztin in Zürich. blue News hat sie kontaktiert, um mehr zu erfahren: Wie sind der oder die Betrüger in den Besitz ihrer ID und der ihrer Tochter gekommen?
Inzwischen hat die Redaktion ihre Rückmeldung erhalten: Bald gibt es dazu mehr hier auf blue News.