SP dafür, SVP dagegenWer gegen Frauen hetzt, könnte schon bald bestraft werden
Von Alex Rudolf
11.2.2022
Hetze wegen des Geschlechts ist nicht strafbar – noch nicht. Im Parlament formiert sich eine breite Allianz, die dies ändern will. Die SVP befürchtet, dass bald das Justizsystem lahmgelegt werden könnte.
Von Alex Rudolf
11.02.2022, 23:30
12.02.2022, 11:17
Alex Rudolf
Wer künftig jemanden wegen seines Geschlechts öffentlich abwertet, beleidigt oder bedroht, könnte strafrechtlich verfolgt werden: Dies fordern Nationalrätinnen aus allen Fraktionen mit Ausnahme der SVP. Sie reichten fünf parlamentarische Initiativen ein, in denen sie eine entsprechende Ausweitung der Rassismus-Strafnorm verlangen.
Politisch inszeniert wurde dies von Nationalrätin Min Li Marti (SP/ZH). «Aus meiner Sicht ist dies eine Frage der Logik. Das Gesetz schützt Menschen vor Hassrede wegen ihrer Hautfarbe, ihrer sexuellen Orientierung und ihres Glaubens. Warum das Geschlecht nicht dazugehört, erschliesst sich mir nicht», sagt Marti zu blue News.
1994 nahm das Stimmvolk die Rassismus-Strafnorm an, damals mit der Unterstützung der SVP. Vor zwei Jahren wurde das Gesetz um das Merkmal der sexuellen Orientierung erweitert, wogegen die SVP opponierte.
SVP hält weder Schwule noch Frauen für schützenswert
Nationalrätin Barbara Steinemann (SVP/ZH) hält eine erneute Erweiterung für unverhältnismässig. «Wer zu Gewalt an Frauen aufruft, der wird von der Gesellschaft geächtet. Das ist Strafe genug», sagt sie zu blue News. So würden 95 Prozent der Schweizer*innen wissen, dass man sich bei solchen Äusserungen disqualifiziere, ergänzt sie.
«Wer zu Gewalt an Frauen aufruft, der wird von der Gesellschaft geächtet. Das ist Strafe genug.»
Barbara Steinemann
Nationalrätin SVP/ZH
Die SVP sei prinzipiell dagegen, Menschengruppen als schwach und schutzbedürftig zu deklarieren, sagt Steinemann weiter. Und genau dies geschehe mit der Ausweitung der Rassismus-Strafnorm. «Weder Schwule noch Frauen sind besonders schützenswert, sondern sind genau gleich wie alle anderen Menschen», sagt sie.
Es gehe eben nicht um Schutzwürdigkeit, sagt Marti. «Mit der Erweiterung geben wir den Opfern von Hassrede ein Instrument in die Hand, mit dem sie rechtlich besser geschützt werden.»
Nur wenige Fälle landen vor Gericht
Seit der Erweiterung um die sexuelle Orientierung kamen nur wenige Vergehen auch tatsächlich vor Gericht. Wie die «NZZ» basierend auf Angaben des Dachverbands schwuler und bisexueller Männer schreibt, seien derzeit lediglich zwei Fälle von Hassrede wegen sexueller Orientierung hängig. «Seit der Einführung der Antirassismus-Strafnorm 1994 gab es verhältnismässig wenige Gerichtsfälle und Verurteilungen», sagt Marti. Aus ihrer Sicht gehe es bei diesem Gesetz auch um die Strahlkraft. «Wir signalisieren als Gesellschaft, was akzeptiert ist und was nicht.»
«Dass nur derart wenige Fälle von Hassrede vor Gericht kommen, zeigt mir, dass es keine Erweiterung braucht», sagt Steinemann.
Die Sache ins Rollen brachte ein frauenfeindliches Banner der Fans des FC Schaffhausen bei einem Match gegen die Mannschaft aus Winterthur im Jahr 2019. Darauf war zu lesen: «Winthi-Fraue figgä und verhaue.» Die Macher des Banners wurden freigesprochen, da er zwar moralisch verwerflich, aber nicht strafbar sei, hiess es damals. Dennoch sorgte der Vorfall schweizweit für Empörung.
Belastungsprobe für die Justiz?
Da die parlamentarischen Initiativen von Marti und ihren Kolleginnen wohl auf breite Unterstützung stossen, stellt sich die Frage, wie es danach weitergehen könnt. In der «NZZ» regt der Zürcher Strafrechtsprofessor Marc Thommen an, dass es anschliessend konsequenterweise auch einen Schutz Alter oder Behinderter vor Hassrede brauche.
«Wir signalisieren als Gesellschaft, was akzeptiert ist und was nicht.»
Min Li Marti
Nationalrätin SP/ZH
Für Steinemann ist dies unsinnig: «Denn unser Justizsystem ist bereits heute stark belastet. Mit solchen Änderungen geben wir noch mehr Menschen die Möglichkeit zu prozessieren», sagt sie. Eine Lähmung des Justizapparates wäre die Folge, ist sie überzeugt.
Für Marti steht fest, dass man gegen die Benachteiligung alter und behinderter Menschen etwas unternehmen muss – allenfalls im Rahmen einer Erweiterung der Rassismus-Strafnorm. «Es könne aber auch sein, dass diese Frage in anderen Gesetzen besser geregelt würde.»