Bundeskanzler Thurnherr zum Rücktritt «Es ist nun Zeit, den Stab weiterzugeben»

sda/aru

16.8.2023

Überraschender Rücktritt in Bern: Bundeskanzler Walter Thurnherr gibt das Amt ab. Dies, obwohl es eine der spannendsten Tätigkeiten sei, die es in der Schweiz gebe. Die SVP erhebt bereits Anspruch auf den Sitz.

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Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Bundeskanzler Walter Thurnherr tritt zurück.
  • Das Mitglied der Mitte-Partei ist acht Jahre als Bundeskanzler im Amt. 
  • Die SVP erhebt bereits Anspruch auf den frei werdenden Sitz des Bundeskanzlers.

Bundeskanzler Walter Turnheer hat bei seiner Rücktrittserklärung auf Ende Legislatur am Mittwoch auf acht befriedigende Jahre zurückgeblickt. Er habe sich zu dem Schritt zu einer Zeit entschieden, in der er immer noch auf der Höhe der Anforderungen stehe. Er sei gerne Bundeskanzler.

Sein Rücktrittsschreiben habe er dem Nationalratspräsidenten und dem Bundesrat am Mittwoch zugestellt, sagte Turnheer vor den Bundeshausmedien. Er habe sein anspruchsvolles Amt geschätzt und schätze es weiterhin.

Als Schnittstelle zwischen Regierung und Parlament, bei der Beratung der Bundesräte, der digitalen Transformation und anderem mehr habe er viele Aufgaben gehabt. Er werde jetzt noch einige Projekte abschliessen und andere weiterentwickeln.

Ohne seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hätte seine Arbeit nicht so gut geklappt, sagte er und dankte ihnen. Im Bundesrat sei er als Stabschef immer auf ein offenes Ohr gestossen.

Bundeskanzler Walter Thurnherr.
Bundeskanzler Walter Thurnherr.
KEYSTONE/ALESSANDRO DELLA VALLE

Am 13. Dezember, demselben Tag, an dem ein*e Nachfolger*in für Bundesrat Alain Berset bestimmt wird, soll nun auch die Nachfolge von Thurnherr geklärt werden. Bis Ende Jahr wird er aber noch in seiner bisherigen Funktion bleiben. 

Laut Bundeskanzler Walter Thurnherr hat seine Rücktrittsankündigung nichts mit der Ambiance im Bundesrat zu tun. «Die Stimmung ist sehr gut.» Er bezeichnete die laufende Legislatur jedoch als «schlimmste seit dem Zweiten Weltkrieg».

Pandemie und CS-Notübernahme haben geprägt

Eine Krise habe die nächste gejagt, sagte Thurnherr am Mittwoch vor den Medien in Bern. Thurnherr hob die «sehr dramatische Pandemiephase» hervor, und auch die CS-Notübernahme sei nicht spurlos am Land vorbeigezogen.

Der Bundesrat sei all diese Krisen «sehr konstruktiv und positiv» angegangen. Das sei auch ein Grund dafür, dass es der Schweiz im Vergleich mit anderen Ländern sehr gut gehe. «Wir haben praktisch keine Inflation, eine tiefe Arbeitslosigkeit, günstige Studienmöglichkeiten und ein gutes Gesundheitswesen.»

Anders als vor 34 Jahren bei seinem Eintritt in die Bundesverwaltung sei der Spirit im Land, so Thurnherr. Die Aufbruchstimmung sei von einer fatalistischen Stimmung abgelöst worden. Viele hätten sich damit abgefunden, dass die Situation nicht besser werde, sondern schlechter.

Der soziale Ausgleich müsse gesichert werden

Thurnherr appellierte an die Gesellschaft, zu gewissen Dingen Sorge zu tragen. Die Voraussetzungen für den sozialen Ausgleich müssten gesichert bleiben. Die Aussicht auf die kommenden Jahrzehnte könne einen aber etwas skeptisch machen.

Die SVP erhebt nach dem angekündigten Rücktritt von Bundeskanzler Walter Thurnherr Anspruch auf den Sitz. Die SVP als grösste Partei der Schweiz habe noch nie den Bundeskanzler gestellt, schrieb SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi im Kurznachrichtendienst X, vormals Twitter.

Der Zuger Nationalrat Aeschi verwies auf die gescheiterte SVP-Kandidatur von Nathalie Falcone-Goumaz als Bundeskanzlerin im Jahr 2007. Die Waadtländerin war damals stellvertretende Generalsekretärin im Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartement (EVD). Gewählt wurde in jenem Jahr Vizekanzlerin Corina Casanova von der CVP, der heutigen Mitte. Die Bündnerin war die Vorgängerin des zurücktretenden Thurnherr.

Vergeblich für die FDP kandidiert hatte in jenem Jahr der damalige Generalsekretär des Departementes für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS), Markus Seiler. Der spätere Chef des Nachrichtendienstes des Bundes ist inzwischen Generalsekretär im Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA).

FDP würdigt Thurnherr als wichtige Stimme im Bundesrat

Für FDP-Fraktionspräsident Thierry Burkart ist der zurücktretende Bundeskanzler Walter Thurnherr ein hervorragender Bundeskanzler und eine wichtige (beratende) Stimme im Bundesrat. Der Aargauer Ständerat dankte Thurnherr für den jahrzehntelangen Dienst für die Schweiz und für die gute Zusammenarbeit.

Die FDP werde die Wahl des Nachfolgers oder der Nachfolgerin von Thurnherr im Kontext des Anforderungsprofils sowie der Gesamterneuerungswahlen des Bundesrates beurteilen, gab die FDP auf dem Kurznachrichtendienst X, vormals Twitter, bekannt.