Party-Sommer in PristinaBundesrat könnte die Reise-Quarantäne wieder einführen
aru
29.8.2021
Der Bundesrat zieht die Reissleine und spricht von Reisebeschränkungen im Herbst. Einer der Gründe dürfte der Party-Sommer im Balkan gewesen sein.
aru
29.08.2021, 12:35
30.08.2021, 13:59
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Bei der Bewältigung der Corona-Pandemie könne eine Reisequarantäne bald wieder eine Rolle spielen. Dies sagt Gesundheitsminister Alain Berset (SP) der «NZZ am Sonntag».
Reagiert der Bundesrat damit auf die zahlreichen Balkan-Reiserückehrer*innen, die sich in den Ferien infiziert und das Virus zurück in die Schweiz gebracht haben? Das ist gut möglich, denn in den Schweizer Spitälern sei ein beträchtlicher Teil der Patienten kürzlich in den Balkan-Ferien gewesen, wie Experten des Bundes diese Woche an einer Medienkonferenz erklärten.
«Der Eindruck der Community ist, dass man einen Sündenbock sucht für etwas, was an sich nichts mit dem Migrationshintergrund zu tun hat.»
Die «Sonntagszeitung» zeichnet derweil ein düsteres Bild vom Partysommer im Balkan: In Pristina, der Hauptstadt Kosovos, habe beispielsweise eine Stimmung wie auf Mallorca geherrscht. In den Diskotheken habe kaum jemand eine Maske getragen, da die Regierung vor den Sommerferien sämtliche Einschränkungen für Feste aufgehoben hatte.
Gefälschte PCR-Tests zu kaufen
Auch die Rückreise in die Schweiz sei kein Problem gewesen: «Rund um den Flughafen konnte man an jeder Ecke gefälschte PCR-Testnachweise kaufen,» sagte ein Kosovo-Reisender gegenüber der Zeitung.
Allein im Juli seien am dortigen Flughafen 446'340 Menschen angekommen. Rund fünfmal mehr als im selben Monat vor einem Jahr, der wegen der Corona-Massnahmen sehr tiefe Zahlen aufwies.
Zu Beginn dieses Sommers sei im Kosovo kaum jemand geimpft gewesen, schreibt die Zeitung weiter. So hätten Einheimische oft noch keine Möglichkeit gehabt, das Vakzin zu beziehen. Die Touristen mit Wurzeln im Kosovo hätten in ihrer Wahlheimat oft noch keinen Gebrauch von den Impf-Möglichkeiten gemacht.
«Die Regierung hat in den letzten Monaten auch keine Impfkampagne führen können – und das könnte auf die Haltung der Kosovaren in der Schweiz abgefärbt haben», sagte der Migrationsexperte Hamit Zeqiri gegenüber der «NZZ».
Kosovo hat den Ernst der Lage erkannt
Aktuell erlebt das Land ein exponentielles Wachstum der Infektionen, das Gesundheitssystem ist völlig überlastet.
Die Regierung im Kosovo hat den Ernst der Lage erkannt und per 20. August alle Discos geschlossen, Hochzeiten und Familienfeste wurden verboten. Für Anlässe mit über 100 Personen braucht es eine Impfung oder einen negativen Test.
In der Balkan-Community bestehe derzeit aber auch viel Unmut über die mediale Berichterstattung. «Der Eindruck der Community ist, dass man einen Sündenbock sucht für etwas, was an sich nichts mit dem Migrationshintergrund zu tun hat», sagt der aus Bosnien stammende Politologe Nenad Stojanovic zu der «NZZ».