Empörungswelle in Europa Bundesrat ändert heimlich seine Strategie – und rückt zu Trump

Sven Ziegler

16.2.2025

Karin Keller-Sutter lobte die Vance-Rede vom Samstag. 
Karin Keller-Sutter lobte die Vance-Rede vom Samstag. 
KEYSTONE

Die Schweiz scheint ihren Kurs in der Aussenpolitik zu ändern. Die Regierung rückt vermehrt Richtung US-Haltung – im Gegensatz zum restlichen Europa.

Sven Ziegler

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Der Bundesrat unterstützt Trumps Ukraine-Friedensplan und lobt das US-Engagement.
  • Karin Keller-Sutter löste mit Lob für US-Vizepräsident Vance eine Kontroverse aus. 
  • Welche Absichten die Schweiz mit der Annäherung an die USA verfolgt, ist unklar.

Die Schweiz vollzieht einen Wandel in ihrer Ukraine-Politik: Monate nach der Friedenskonferenz auf dem Bürgenstock stellt sich der Bundesrat nicht mehr so eindeutig an die Seite Kiews.

In einer Stellungnahme des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA) gegenüber der «SonntagsZeitung» wird Donald Trumps Friedensinitiative ausdrücklich begrüsst.

Die Schweiz «begrüsse jede Initiative», die zu einem umfassenden, gerechten und dauerhaften Frieden führen könne, schreibt das EDA gegenüber der «SonntagsZeitung» – und: «Die durch die USA angestossene neue Dynamik in diese Richtung ist grundsätzlich zu begrüssen.»

Empörung in Europa – Lob von Keller-Sutter

Damit rückt die Landesregierung ihre Position zumindest ein Stück weit Richtung US-Regierung von Donald Trump. Sie steht damit im Gegensatz zu den umliegenden Ländern ziemlich alleine da. Deutschland und Frankreich stellten sich in den vergangenen Tagen geschlossen gegen den Plan Trumps, in der Ukraine Frieden um jeden Preis erzwingen zu wollen. 

Trump hatte nach einem Telefonat mit Wladimir Putin eine Lösung skizziert, die unter anderem den Verzicht der Ukraine auf die Krim und den Donbass vorsieht. Das EDA sagt dazu gegenüber der «SonntagsZeitung», dass die Schweiz «jederzeit bereit ist, konkrete Gespräche für eine friedliche Lösung zu unterstützen.»

Auch nach der Rede von Vizepräsident J.D. Vance am Freitag an der Münchner Sicherheitskonferenz wurden unterschiedliche Ansichten deutlich. Vance holte dabei zum Rundumschlag gegen Europa aus, sprach etwa von eingeschränkter Meinungsfreiheit und warnte vor einer Ausgrenzung der AfD.

In Europa löste die Rede Empörung aus. So sagte der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz: «Wir werden es nicht akzeptieren, wenn Aussenstehende zugunsten dieser Partei in unsere Demokratie, in unsere Wahlen, in die demokratische Meinungsbildung eingreifen. Das gehört sich nicht – erst recht nicht unter Freunden und Verbündeten und das weisen wir entschieden zurück.»

Auch Vizekanzler Habeck reagierte mit klaren Worten. «Die amerikanische Regierung (...) hat sich quasi rhetorisch-politisch an die Seite der Autokraten gestellt», sagte er. Und in Richtung Vance gerichtet: «Halt Dich da raus und kümmer dich um deinen eigenen Kram.»

Nicht so die Schweiz. Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter lobte die Rede anschliessend als «Plädoyer für die direkte Demokratie.» US-Vizepräsident J.D. Vance habe in seiner Rede über «liberale Werte» gesprochen, die es zu verteidigen gelte und die sie teile.

Pistorius zu US-Vize Vance: «Das ist nicht akzeptabel»

Pistorius zu US-Vize Vance: «Das ist nicht akzeptabel»

Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius greift US-Vize-Präsident JD Vance wegen dessen Rede auf der Münchner Sicherheitskonferenz scharf an. Vance habe die Demokratien in Europa infrage gestellt und mit autoritären Systemen verglichen.

14.02.2025

Besonders Grüne und SP reagierten empört auf ihre Aussagen und warfen ihr vor, Werte zu vertreten, die nicht zur Schweiz passten. Und selbst Parteifreunde gehen auf Abstand. «Karin Keller-Sutter ist eine hervorragende Bundesrätin, sie hat aber wenig Interesse an der liberalen Philosophie», sagt Alt-Bundesrat Pascal Couchepin im Interview mit dem «SonntagsBlick»

Absichten der Schweiz unklar

Welche Absichten die Schweiz mit der Annäherung an die USA verfolgt, ist unklar. Erst vor einem Jahr richtete die Schweiz die Bürgenstock-Konferenz aus, empfing dabei Staats- und Regierungschefs aus aller Welt. Dass nun mit Trump ein Präsident an der Macht ist, der sich lieber direkt mit Putin in Verbindung setzt, anstatt den Weg über einen neutralen Drittstaat wie die Schweiz zu wählen, könnte der Landesregierung Bauchschmerzen bereiten, schreibt der «SonntagsBlick» weiter.

Denn erst Ende Januar wurde bekannt, dass die neue US-Regierung die Schweiz nicht als verbündeten Staat ansieht. Die Schweiz dürfe deswegen nicht mehr auf US-Computerchips für Projekte der künstlichen Intelligenz zugreifen.