MedizinCholesterinsenker werden zu häufig empfohlen
SDA
6.12.2018 - 10:55
Cholesterinsenker werden einer Zürcher Studie zufolge weltweit oft schon empfohlen, wenn die Nebenwirkungen schwerer wiegen als der Nutzen. In der Schweiz hingegen könnten Hausärzte gerade bei jüngeren Patienten etwas häufiger Statine empfehlen.
Alter, Geschlecht, Rauchen, Cholesterinspiegel: Aus diesen und weiteren Faktoren berechnen Mediziner das individuelle Risiko eines Patienten, in den nächsten zehn Jahren einen Herzinfarkt oder Hirnschlag zu erleiden. Viele medizinische Richtlinien weltweit empfehlen die Einnahme von cholesterinsenkenden Mitteln zur Prävention schon ab einem Risiko von 7,5 oder 10 Prozent. Dabei schaden die Statine bei so geringem Risiko mehr als sie nutzen, berichten Forschende um Milo Puhan von der Universität Zürich.
Statine können auch zu Muskelschmerzen, grauem Star, Leberschäden oder Diabetes führen. Diese möglichen Nebenwirkungen wurden jedoch bei der Erstellung der Richtlinien zu wenig berücksichtigt, schreibt die Universität Zürich am Donnerstag in einer Mitteilung. "Die Schwellenwerte wurden ohne erkennbare Systematik so festgelegt", sagte Puhan im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA.
Neue Richtwerte
Mit seinem Team trug Puhan daher alle Daten aus der Fachliteratur über Nutzen und Nebenwirkungen der Statin-Einnahme zusammen und befragte Patientinnen und Patienten zu ihrer Perspektive. Auf dieser Basis errechneten die Forschenden neue Schwellenwerte für Frauen und Männer in verschiedenen Altersgruppen.
Für 70- bis 75-Jährige überwiegt der Nutzen gegenüber den Nebenwirkungen ab einem Risiko von rund 21 Prozent, in den nächsten zehn Jahren einen Herzinfarkt oder Hirnschlag zu erleiden. Bei den 40- bis 45-Jährigen Frauen liegt der Schwellenwert bei 17 Prozent, bei den Männern bei 14 Prozent.
Eine Schweizer Hausärztevereinigung setzt den Schwellenwert bei 20 Prozent an. "Bei den Älteren liegt man damit ziemlich gut, aber bei den Jüngeren dürften die Hausärzte ruhig etwas früher Statine empfehlen."
Die tiefen Schwellenwerte von 7,5 oder 10 Prozent wurden in der Regel von Kardiologen erarbeitet, die mehr mit Herzpatienten als mit gesunden wie in der Primärprävention zu tun hätten und daher die anderen Nebenwirkungen wohl geringer einschätzten, sagte Puhan der Keystone-SDA. "Hausärzte sind sich der möglichen Schäden bewusster."
Vier Präparate verglichen
Ausserdem verglichen die Forschenden vier häufig eingesetzte Statin-Präparate. Dabei stellten sie fest, dass die Präparate Atorvastatin und Rosuvastatin ein besseres Gleichgewicht von Nutzen und Nebenwirkungen aufweisen als Simvastatin und Pravastatin. Alle vier Statine sind auch in der Schweiz im Handel.
Angesichts der Ergebnisse, welche im Fachblatt "Annals of Internal Medicine" veröffentlicht wurden, empfiehlt Puhan Patientinnen und Patienten, ihr persönliches Risiko und die möglichen Nebenwirkungen der Statin-Einnahme mit Hausarzt oder Hausärztin sorgfältig abzuwägen.
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