Zustimmung schrumpft CO₂-Gesetz droht zu scheitern – FDP in Erklärungsnot

Von Alex Rudolf und Lia Pescatore

2.6.2021

Die FDP-Spitze spricht sich für das CO2-Gesetz ein. Dieses trifft jedoch auf grossen Widerstand. Ein Aspekt, der für Kritik sorgt, ist die Flugticket-Abgabe.
Die FDP-Spitze spricht sich für das CO2-Gesetz ein. Dieses trifft jedoch auf grossen Widerstand. Ein Aspekt, der für Kritik sorgt, ist die Flugticket-Abgabe.
KEYSTONE/Ennio Leanza

Überraschung kurz vor dem Abstimmungssonntag: Das CO₂-Gesetz steht auf der Kippe. Darum sehen linke und rechte Parteien die FDP in der Verantwortung.

Von Alex Rudolf und Lia Pescatore

2.6.2021

Die komfortable Mehrheit für das CO₂-Gesetz ist geschmolzen. Laut der neuesten GfS-Umfrage von heute sprechen sich nur noch 54 Prozent der Stimmberechtigten für ein Ja aus. Bei der letzten Umfrage waren es noch 60 Prozent. Diese Zahlen machen die Befürworter der Vorlage nervös. «Wir legen alle Energie auf die Schlussmobilisierung», sagt Nationalrätin Priska Seiler Graf (SP/ZH).

Als Grund für die schlechten Umfragewerte zieht Seiler Graf die FDP ins Feld. Diese habe ihre Basis nicht von einem Ja überzeugen können. «Ich sehe die FDP eindeutig in der Pflicht, hier nochmals einen Effort hinzulegen. Denn die freisinnigen Wähler*innen könnten das Zünglein an der Waage sein.»



Auch der grünliberale Nationalrat Martin Bäumle nimmt die FDP und die Mitte in die Pflicht: «Sie müssen ihre Leute, die das Gesetz unterstützen, an die Urne bringen.» Es werde ansonsten nicht einfach werden am 13. Juni.

Walti: CO₂-Gesetz ist mit FDP-Werten vereinbar

Fragen wir also nach bei der Partei, der die anderen den schwarzen Peter zuschieben. Hat die FDP ihre Basis nicht unter Kontrolle? Fraktionschef Beat Walti verneint. Es sei ganz normal, dass Abstimmungen nicht nur an den beiden Polen, sondern auch im Mittelfeld entschieden werden.

Das CO₂-Gesetz sei ein Kompromiss, aber ein liberaler. «Anstatt mit Verboten versucht das Gesetz mit Anreizmechanismen, den Leuten ein sinnvolles Verhalten aufzuzeigen, es lässt ihnen aber die Entscheidungsfreiheit», sagt Walti. Darum sei es mit den Werten der FDP vereinbar.

Nationalrat und Fraktionschef Beat Walti (FDP/ZH)

Nationalrat und Fraktionschef Beat Walti (FDP/ZH)

02.06.2021

Es könne gut sein, dass die Wählerschaft, die weniger eng an die Partei angebunden ist, anderer Ansicht sei. «Aber die Gremien stehen in der Mehrheit hinter dem Gesetz», sagt Walti.

Dies betont auch FDP-Frauen-Präsidentin und Nationalrätin Susanne Vincenz-Stauffacher, die im Ja-Komitee zum CO₂-Gesetz sitzt. 78 Prozent hätten an der Delegiertenversammlung Ja gesagt zum Gesetz. «Da ist es nicht vermessen zu sagen, dass die Basis hinter diesem Kurs steht», sagt sie.

Susanne Vincenz-Stauffacher (FDP/SG)

Susanne Vincenz-Stauffacher (FDP/SG)

02.06.2021

Wasserfallen: Die FDP war zu wenig konkret

Doch warum schrumpft der Ja-Anteil, Herr Fraktionschef? Walti sieht die Komplexität der Vorlage als Grund. «Es hat sich gezeigt, dass die Umsetzung von Klimaschutz im Alltag schwierig ist.» Schliesslich könne kein Pelz gewaschen werden, ohne dass er nass werde, sagt er.

Dass die FDP vor den Parlamentswahlen 2019 unvermittelt einen grünen Kurs einschlug, kam nicht bei allen Parteiexponenten gut an. Nationalrat Christian Wasserfallen etwa kritisierte dies öffentlichkeitswirksam und trat am Ende des Wahljahres aus dem fünfköpfigen Parteipräsidium zurück. Behält er rückblickend recht und die FDP-Basis ist nicht bereit für grüne Politik? «Die FDP stellte damals nur allgemeine Fragen zum Klima. Daher sind unsere Wählerinnen und Wähler nun skeptisch, weil es konkret wird.»

Dass allein seine Partei für das mögliche Scheitern der Vorlage verantwortlich sein soll, weist er von sich. «Die vorgeschlagene Lösung überzeugt schlichtweg nicht, da es sich um eine Umverteilung in Milliardenhöhe handelt», sagt Wasserfallen.

Nationalrat Christian Wasserfallen (FDP/BE)

Nationalrat Christian Wasserfallen (FDP/BE)

02.06.2021

Die SVP wittert Sozialismus

Einer, der sich dagegen über die Umfrageergebnisse freut, ist der ehemalige SVP-Chef Albert Rösti (SVP/BE). Gemeinsam mit der EDU bekämpft seine Partei die Vorlage. «Wir konnten wohl aufzeigen, dass das Gesetz viel kostet und ungerecht ist.» Auch er kann sich einen Seitenhieb an die Adresse der FDP nicht verkneifen: «Für mich ist es unverständlich, dass sich die Freisinnigen für ein derart ‹sozialistisches Umverteilungsgesetz› starkmachen.»