Tiefe Impfquote Was machen eigentlich Kinder in der Statistik?

Von Andreas Fischer

23.9.2021

Primarschüler turnen im Januar 2021 in Allschwil BL mit Masken.
Primarschüler turnen im Januar 2021 in Allschwil BL mit Masken.
Archivbild: KEYSTONE

Das Bundesamt für Gesundheit rechnet bei der Impfquote auch Kinder unter 12 mit ein. Dabei können sich diese noch gar nicht gegen Covid-19 impfen lassen. Ist die Schweiz deshalb das Schlusslicht Westeuropas?

Von Andreas Fischer

23.9.2021

Die Impfquote gibt zu reden. Die Schweiz ist mit knapp 54 Prozent vollständig geimpfter Personen Schlusslicht in Westeuropa. In Deutschland macht man sich sogar über die eidgenössischen Impfmuffel (kostenpflichtiger Inhalt) lustig. Nun vermutet SVP-Nationalrätin Martina Bircher, dass der Bundesrat die Impfquote bewusst zu tief ausweisen könne, um die Aufrechterhaltung von Massnahmen zu rechtfertigen. Schliesslich rechnet das Bundesamt für Gesundheit (BAG) auch Kinder unter 12, die sich noch gar nicht impfen lassen können, in die Statistik ein.

Wird die Impfquote wirklich zu niedrig ausgewiesen? Der Berner Epidemiologe Christian Althaus, ehemaliges Mitglied er Science Taskforce, ist anderer Meinung: «Da SARS-CoV-2 in der gesamten Bevölkerung zirkuliert, macht es Sinn, die Impfrate pro Gesamtbevölkerung anzugeben», antwortet er auf eine Anfrage von «blue News».



«Der präzise Beitrag der unter 12-Jährigen zur Übertragung in der gesamten Bevölkerung ist schwierig zu quantifizieren», räumt Christian Althaus ein. Sicher ist aber: Auch Kinder und Jugendliche können an Covid-19 erkranken und andere mit dem Coronavirus infizieren. Der Bundesrat antwortete auf die Anfrage von Martina Bircher kurz und knapp: «Grundsätzlich können alle Personen zur Infektionsdynamik beitragen.»

Andere Länder, andere Angaben

In den Nachbarländern der Schweiz werden die Impfquoten dennoch unterschiedlich dargestellt. Frankreich weist sie auch explizit für Erwachsene über 18 Jahre aus. Sie lag bei der letzten Veröffentlichung aktueller Zahlen am 15. September mit 84 Prozent natürlich deutlich höher als in der Gesamtbevölkerung, von der 64,2 Prozent vollständig geimpft sind. Auch Italien verfährt ähnlich. Dort wird Impffortschritt anhand der Quote der über 12-Jährigen, mehr als 76 Prozent, angezeigt. Bezogen auf Gesamtbevölkerung sind 66,2 Prozent der Menschen komplett geimpft.

In Deutschland wird als Standard die anhand der Gesamtbevölkerung ermittelte Quote veröffentlicht. «Es ist ja gerade das Ziel, den Anteil der Geimpften an der Gesamtbevölkerung zu wissen, darum geht es ja infektionsepidemiologisch», argumentiert das deutsche Robert-Koch-Institut (RKI) auf «blue News»-Nachfrage ähnlich wie Christian Althaus. In Deutschland werden neben der Quote aber auch «die absoluten Zahlen angegeben, sodass jeder von der Gesamtzahl abziehen kann, was er möchte».

Etwa um die Impfquoten für einzelne Altersgruppen zu berechnen: Das RKI übernimmt für die über 18-Jährigen gleich selbst. 74 Prozent der Erwachsenen haben in Deutschland vollständigen Impfschutz. In der Gesamtbevölkerung liegt die Impfquote bei 63,4 Prozent (jeweils Stand 22.9.). Man muss allerdings etwas suchen, um die Daten zu finden.

Nachbarn sind bedeutend weiter

In der Schweiz ist es etwas komplizierter, aber nicht unmöglich, die entsprechenden Zahlen zu finden. Beim Bundesamt für Statistik findet sich die Bevölkerungzusammensetzung nach Alter sortiert, das BAG kommuniziert nicht nur die Impfquote (aktuell: 53,88 Prozent), sondern auch die Zahl Geimpfter.



Mit ein wenig Addition und Dreisatz kann man selbst ausrechnen, dass die Quote der vollständig Geimpften bei allen Personen, die sich überhaupt impfen lassen können (ab 12 Jahre), bei etwa 60 Prozent liegt. Bei den Erwachsenen über 18 Jahre beträgt sie rund 65 Prozent. Die meisten Nachbarländer und viele andere westeuropäische Staaten sind bedeutend weiter, was auch daran liegt, dass etwa in Frankreich und Italien eine Impfpflicht für einige Berufsgruppen gilt.

Dabei sei eine hohe Durchimpfung wichtig, um die Herdenimmunität zu erreichen. Die Wissenschaft geht davon aus, so Althaus, «dass bei einer Impfrate von über 80 Prozent der Gesamtbevölkerung die Übertragung von SARS-CoV-2 stark eingeschränkt ist. Dieser Wert kann mit einer hohen Impfrate (90 Prozent) unter Erwachsenen gut erreicht werden».

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