Angebote für Jugendliche Das Impfen an der Schule reisst den nächsten Corona-Graben auf

Von Lia Pescatore und Gil Bieler

21.8.2021

Jugendliche ab 12 Jahren warten vor dem Kinderspital Zürich auf ihre Corona-Impfung. 
Jugendliche ab 12 Jahren warten vor dem Kinderspital Zürich auf ihre Corona-Impfung. 
Bild: Keystone/Gaetan Bally

Sollen sich Jugendliche ab 12 Jahren gleich in der Schule gegen Covid impfen lassen können? Bei dieser Frage tut sich ein neuer Graben auf: Während eine Seite zum Handeln drängt, hat die andere Vorbehalte.

Von Lia Pescatore und Gil Bieler

21.8.2021

«Nicht verpassen, impfen lassen»: Mit diesem Aufruf will das Bundesamt für Gesundheit (BAG) seit Montag all jenen Beine machen, die mit einer Coronavirus-Impfung noch zuwarten. Angesprochen werden dabei auch explizit die Jungen. Konkret heisst es in der Mitteilung: «Die Kampagne erinnert alle bisher ungeimpften und zögernden Erwachsenen und Jugendlichen daran, dass jetzt der richtige Zeitpunkt für eine Impfung ist, auch im Hinblick auf steigende Fallzahlen und Virusmutationen.»

Bereits seit einiger Zeit rücken Kinder und Teenager vermehrt in den Fokus der Impfkampagne. So setzen erste Kantone mit Beginn des neuen Schuljahrs auch auf Impfangebote an den Schulen – was nicht nur auf Begeisterung stösst. 

Die lauteste Kritik kommt vom Verein «Freunde der Verfassung», der Corona-Massnahmen generell ablehnend gegenübersteht – er sammelt Unterschriften für eine Petition zum Thema. Darin werden Bund und Kantone aufgefordert, «jegliche Impfpropaganda an öffentlichen Schulen und Ausbildungsstätten zu unterlassen».

Ethikkommission hat Vorbehalte

Zumindest Bedenken gibt es auch vonseiten Ethik-Expert*innen. «Die Impfung ist ein freier Entscheid, es darf auch keine indirekte Impfpflicht geben», sagt Andrea Büchler, Kommissionspräsidentin der Nationalen Ethikkomission (NEK), auf Anfrage von «blue News». Es bedürfe zwar «angemessener Information», die Jugendliche müssten der Impfung aber – genau wie Erwachsene – «aus freiem Willen zustimmen».

«Der Einbezug der Jugendlichen in die Strategie zur Bekämpfung der Pandemie ist eine sensible Angelegenheit», findet Büchler. Anders als bei den Impfungen gegen Hepatitis B und Gebärmutterhalskrebs sei der individuelle Nutzen der Covid-Impfung für Kinder und Jugendliche weniger gut nachgewiesen. Schwere Krankheitsverläufe seien bei jüngeren Menschen deutlich seltener als bei Erwachsenen. Wie der kollektive Nutzen einer Impfung zu bewerten sei, sei daher «zu diskutieren».



Aber: Es gebe durchaus auch Argumente für ein Impfprogramm für Schülerinnen und Schüler. So sei es wichtig, «dass die Impfung für diejenigen, die sie möchten, ohne grosse Hürden zugänglich ist. Dies kann für eine Impfung im schulischen Rahmen sprechen».

Kommt bald die Impfempfehlung für alle ab 12?

In der Schweiz stehen zwei Vakzine für Jugendliche ab 12 Jahren zur Verfügung, es gibt jedoch keine allgemeine Impfempfehlung für diese Alterskategorie: 12- bis 15-Jährige sollten sich dann impfen lassen, wenn sie sich gegen Covid-19-Erkrankungen schützen wollen oder sie die «negativen Auswirkungen der Massnahmen» – etwa eine drohende Quarantäne – vermeiden möchten. Angesprochen sind Jugendliche mit chronischen Krankheiten oder solche, die engen Kontakt zu besonders gefährdeten Personen haben.

Doch das könnte sich bald ändern. Das BAG und die Eidgenössische Kommission für Impffragen (Ekif) überarbeiten aktuell die Impfempfehlung für diese Altersgruppe. Und Ekif-Präsident Christoph Berger liess in der «NZZ am Sonntag» bereits durchblicken, dass es in Richtung einer Ausweitung gehen dürfte. Er begründet dies mit den positiven Erfahrungen bei den über 16-Jährigen: «Es zeigt sich, dass das Risiko kleiner ist als angenommen.»

Wieder mal Kantönligeist

Uneinigkeit über den Sinn von Impfangeboten an Schulen herrscht auch in den Kantonen. Zu jenen, die bereits entsprechende Angebote gestartet haben, gehört der Aargau. Vorerst würden damit aber nur die 16-Jährigen angesprochen, erklärt Bildungsdirektor Alex Hürzeler auf Anfrage von «blue News». Es werde aber bereits geprüft, ob das Angebot ab September auch für die 12- bis 15-Jährigen geöffnet werde. Eine Zustimmung der Eltern wäre in dieser Altersgruppe aber sicherlich Pflicht, so Hürzeler.

Der Kanton Zürich setzt vier Impfmobile ein, die interessierte Gemeinden oder Institutionen anfordern können. Erste Station dieser Busse werden die Kantonsschulen Rämibühl und Uster sein, wie Projektleiter Peter Indra der «NZZ am Sonntag» sagte. Dort werden Kinder ab etwa 13 Jahren unterrichtet. Es könnten sich auch Sekundarschulen melden, doch solange es vom Bund keine generelle Impfempfehlung für diese Altersgruppen gebe, starte der Kanton von sich aus keine Kampagne.



Vier Berufsfachschulen sowie sechs Mittelschulen wollten ihren Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit bieten, sich auf dem Schulgelände gegen Covid impfen zu lassen, teilte der Kanton Zürich jüngst mit. Hinzu kämen die Universität Zürich, die Pädagogische Hochschule und die Zürcher Hochschule der Künste.

Bewusst gegen Impfaktionen an den Schulen hat sich beispielsweise der Kanton Zug entschieden: «Impfen ist freiwillig», teilt die kantonale Direktion für Bildung und Kultur mit. An den kantonalen Schulen (Gymnasien, WMS, FMS) sei jedoch ein Impfaufruf verschickt worden mit allen Informationen, wie und wo man sich impfen lassen könne.

Auch der Kanton Thurgau will das Thema nicht von sich aus forcieren. Am Kanton sei es einzig, allenfalls Urlaubstage für die Wahrnehmung eines Impftermins zu erteilen.

Umfrage
Sollen sich Jugendliche gegen Corona impfen lassen?