#nichtmeinbundesrat «Das ist Fundamentalkritik am Bundesrat»

Von Gil Bieler

13.8.2021

Bundesrat Alain Berset spricht an einer Medienkonferenz über Covid 19 Massnahmen, am Mittwoch, 11. August 2021, in Bern. 
Bundesrat Alain Berset spricht an einer Medienkonferenz über Covid 19 Massnahmen, am Mittwoch, 11. August 2021, in Bern. 
Bild: Keystone/Peter Schneider

Unter dem Schlagwort #nichtmeinbundesrat wird in den sozialen Medien der Bundesrat kritisiert. Der Sozialwissenschaftler Marko Kovic findet die Rhetorik heftig – und ist überrascht, aus welchem Lager sie kommt.

Von Gil Bieler

13.8.2021

Eine Welle des Zorns schwappt durch die sozialen Medien. Unter dem Hashtag #nichtmeinbundesrat machen Nutzerinnen und Nutzer von Twitter, Facebook und anderen Diensten ihrem Ärger über den Bundesrat Luft. Der Hashtag ist schon länger in Gebrauch und wurde etwa auch schon in Zusammenhang mit dem Abbruch der Verhandlungen über das Rahmenabkommen mit der EU verwendet. Seit der Medienkonferenz vom Mittwoch erlebt er aber neuen Auftrieb.

Auffällig viele Personen stossen sich an der Aussage von Bundesrat Alain Berset, dass die Rücksichtnahme auf Ungeimpfte jetzt ende: «Ungeimpfte können sich nicht mehr auf den Schutz durch staatliche Massnahmen verlassen», sagte Berset. Der Bundesrat nehme steigende Fallzahlen und Hospitalisierungen in Kauf. Es werde auch Todesfälle geben. Einziges Ziel sei es, eine Überlastung der Spitäler zu verhindern.

Es waren ungewohnt deutliche Worte. Für manche klingt das so, als wären die Kinder unter 12 Jahren vergessen gegangen. Denn diese können sich noch nicht mittels Impfung gegen das Coronavirus schützen.

Der Bundesrat nehme eine Durchseuchung der Kinder bewusst in Kauf, wird kritisiert.

Das Internet wäre aber nicht das Internet, gäbe es nicht auch gegenteilige Stimmen. Für die einen greife der Bundesrat zu lasch durch, für die anderen zu hart, konstatiert etwa dieser Nutzer. Und schliesst mit: «Ich bin mit dem Bundesrat zufrieden! Er findet ein gesundes Mass!»

Wiederum andere interessieren sich dafür, wie denn mögliche Lösungen aussehen könnten. Wie solle man junge Kinder, die man nicht impfen lassen könne, dann optimal schützen, fragt etwa der grünliberale Politiker Markus Kobel.

Die dadurch angestossene Diskussion zeigt, wie unterschiedlich die Vorstellungen aussehen: Schutzmasken, Luftfilter, eine Impfpflicht für das Lehrpersonal. Doch so mancher Punkt birgt auch Konfliktpotenzial: «Ich weiss nicht, ob Maskenpflicht realistisch ist», gibt Kobel auf Twitter zu bedenken, «da werden viele Eltern auf die Barrikaden gehen.»

«Kampfrhetorik, die man aus dem Skeptiker-Lager kennt»

Auch wenn unter #nichtmeinbundesrat unterschiedliche Meinungen und Forderungen zu finden sind, für den Sozialwissenschaftler Marko Kovic, der sich intensiv mit Corona-Skeptikern auseinandersetzt, ist klar: «Diese Wortwahl ist heftig», wie er im Gespräch mit «blue News» sagt. Denn der Hashtag ist eine Abwandlung von #notmypresident, der in den USA unter dem stark polarisierenden Präsidenten Donald Trump aufkam.

«Das ist Fundamentalkritik am Bundesrat. Eine differenzierte Auseinandersetzung über die Überlegungen und Beweggründe, die hinter den neuesten Beschlüssen stehen, wird so von vornherein abgelehnt.»

Besonders irritierend sei, dass unter diesem Begriff auch stärkere Schutzmassnahmen für Kinder gefordert würden: «Das ist die gleiche Kampfrhetorik, die man aus dem Skeptiker-Lager kennt, einfach spiegelverkehrt», sagt Kovic.

Ohnehin sei sein Eindruck von den Reaktionen auf die jüngste Bundesratspressekonferenz, dass beide Seiten zutiefst unzufrieden seien: «Die einen glauben, der Bundesrat wolle uns zum Impfen drängen, die anderen, er lasse Kinder sterben. Das ist eine sehr spezielle Situation.»



Dass die Emotionen so hochkochen, überrascht den Forscher dagegen nicht. «Kinder und Gesundheit ist ein Themenfeld, das sehr explosiv ist.» Er erinnert an frühere Diskussionen, die um Impfungen für Kinder entstanden sind. Entsprechend würden auch Skeptiker sich am Thema Kinder «stark abarbeiten». «Das Thema emotionalisiert einfach sehr.»

Die Kantone sind in der Pflicht

Viel Unmut, wenig Konsens also. Was ist überhaupt klar? Immerhin dies: Für die Schutzkonzepte in den Schulen sind die Kantone zuständig. Und eine Maskenpflicht auf Primarstufe gilt derzeit in keinem Kanton mehr.

Mancherorts auf Druck von Bürger*innen, die aktiv darauf hingearbeitet haben: Im Kanton Solothurn etwa entschied ein Gericht im Juni, dass die Maskenpflicht für die 5. und 6. Klasse unzulässig sei. Sie wurde darum ein paar Wochen früher als ohnehin geplant wieder gekippt.

Der Bundesrat rief die Kantone am Mittwoch explizit dazu auf, «in den Schulen repetitive Tests durchzuführen und so zum Schutz der Kinder beizutragen». Die Kosten für solche Tests übernehme weiterhin der Bund, genauso wie für Tests in Betrieben und Einrichtungen des Gesundheitswesens.