Debattierclub Debattierzentrum Club 44 wird 75

SDA

5.5.2019 - 09:05

Marie-Thérèse Bonadonna, die aktuelle Direktorin des Clubs 44, war während der letzten elf Jahre für das Programm des Debattierclubs zuständig. Sie wird im September eine neue Stelle im Kulturdienst des Kantons Neuenburg übernehmen.
Marie-Thérèse Bonadonna, die aktuelle Direktorin des Clubs 44, war während der letzten elf Jahre für das Programm des Debattierclubs zuständig. Sie wird im September eine neue Stelle im Kulturdienst des Kantons Neuenburg übernehmen.
Source: Keystone/ADRIEN PERRITAZ

Der Philosoph Jean-Paul Sartre, der Regisseur François Truffaut und François Mitterrand (vor seiner Zeit als französischer Präsident) gehören zu den bekanntesten Referenten des Club 44. 2019 feiert das Kulturlokal in La Chaux-de-Fonds NE sein 75-jähriges Bestehen.

Zahlreiche renommierte Persönlichkeiten aus dem In- und Ausland, aus Politik, Kultur, Wissenschaft und Medien waren seit der Gründung 1944 zu Gast in der Westschweizer Kulturinstitution. Besonders in der Nachkriegszeitung nahm der Debattierclub im intellektuellen Leben der Uhrenmetropole und der gesamten französischsprachigen Schweiz einen wichtigen Platz ein.

La Chaux-de-Fonds ohne Club 44 – undenkbar. «Dieser Ort ist ein Organ der öffentlichen Gesundheit, weil er gut für den Stoffwechsel einer Gesellschaft ist», sagt Marie-Thérèse Bonadonna, Direktorin des Konferenzzentrums, der Nachrichtenagentur Keystone-SDA.

Der Club 44 ist auch ein historisches Zeugnis des goldenen Zeitalters der Stadt im Neuenburger Jura, des wiedererstarkten Wohlstands nach dem Zweiten Weltkrieg und des Mäzenatentums der Uhrenindustrie.

Ort der Meinungsfreiheit

Gegründet wurde er vor 75 Jahren aus privater Initiative vom Industriellen und Mäzen Georges Braunschweig als Ort der intellektuellen Auseinandersetzung. Vom Club zu einer Rede eingeladen zu werden, gilt als Ehre.

«Mit der Gründung des Clubs zum Ende des Krieges wollte Georges Braunschweig die Meinungsfreiheit stärken. Der geistige Austausch sollte eine Rückkehr der Menschlichkeit ermöglichen», erklärt Direktorin Bonadonna.

Ziel war es zudem, Fachkräfte mit den kulturellen Einrichtungen wie dem Musikzimmer, dem italienischen Theater und diesem Konferenzclub in La Chaux-de-Fonds zu behalten. Auch wollte der Gründer, Inhaber der Uhrenfirma Portescap, die «Fordisierung der Gesellschaft» verhindern. Er wollte, dass «die Realität unterschiedlicher Menschen gehört wird», sagt die Direktorin.

Mittendrin statt nur dabei

Seit den Anfängen wurden die Besucher miteinbezogen. «Man wollte kein passives Publikum, sondern eines, das soviel Gesprächszeit erhält wie der avantgardistische Referent», sagt Bonadonna.

Die Direktorin weist jedoch auch auf die Tatsache hin, dass der Club bis 1971 nicht für Frauen zugelassen war.

Braunschweig akzeptierte schliesslich eine Öffnung des Zentrums für Frauen unter der Bedingung, dass «das Niveau der Debatten nicht sinkt». «Auch wenn es uns das jetzt widerwärtig vorkommt, es entsprach dem damaligen Zeitgeist», sagt Bonadonna.

Damals war der Club für seine Mitglieder reserviert, aber seit Mitte der 80er Jahre ist es möglich, die Konferenzen gegen Bezahlung des Eintrittspreises mitzuverfolgen. Der Verein hatte in den 70er Jahren einen Höchststand von 1700 Mitgliedern, heute sind es etwa 500.

Ein Schatz im Keller

Eine Besonderheit des Clubs 44 ist seine atypische Architektur. Seit 1957 hat der Verein seinen Sitz in der Rue de la Serre 64 in der Uhrenmetropole an einem vom italienischen Architekten Angelo Mangiarotti entworfenen Gebäude. Die Lokalität ermöglicht auch die Präsentation einer alle drei Monate erneuerten Fotoausstellung, deren Eröffnung mit dem Thema des Konferenztages verbunden ist.

Jedes Jahr bietet der Club 40 bis 50 Konferenzen an. Seit 1957 werden sie – Publikumsfragen inklusive – aufgezeichnet und seit 2014 gefilmt. Das Tonarchiv des Vereins ist eine wertvolle Schatzkammer von 2100 Konferenzen, die kostenlos online verfügbar ist.

Einige Redner wurden zu wahren Lieblingen der Institution, wie etwa der französische Literaturkritiker und Historiker Henri Guillemin, der dort 17 Konferenzen abhielt. Auch der SP-Politiker und Soziologe Jean Ziegler war ein häufiger Referent im Club 44 . In den letzten Jahren wurde der französische Journalist und militante Tierschützer Aymeric Caron dreimal eingeladen.

Massenandrang bei Physik und Chirurgie

Einige Redner, wie der kanadische Atom- und Astrophysiker Hubert Reeves und der Kinderherzchirurg René Prêtre, zogen ein so grosses Publikum an, dass die Besucherzahl aus Sicherheitsgründen begrenzt werden musste. Weitere bekannte Schweizer Referenten waren die Fotografin Ella Maillart, Migros-Gründer Gottlieb Duttweiler, Umweltschützer Franz Weber sowie Architekt Mario Botta.

Anlässlich seines 75-jährigen Bestehens veröffentlicht der Club 44 am 23. Mai ein Buch, zu dem unter anderen auch Bundesrat Alain Berset einen Beitrag verfasst hat.

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