Deutschland hat die Grenzen dicht gemacht: Ab Montagmorgen Punkt 8 Uhr wurden in Konstanz alle Personen an der Grenze oder auf dem Weg in die Stadt kontrolliert. Wer nur zum Einkaufen kommen oder Freunde besuchen wollte, musste wieder umdrehen.
Konstanz und die Schweizer Nachbarschaft Kreuzlingen sind praktisch zusammengebaut, die Grenze nicht einmal mit einem Zaun sondern durch Kunstwerke markiert. Es gibt ein regelmässiges Hin und Her zum Einkaufen, in die Schule, zum Arbeiten oder in der Freizeit.
Ganz anders am Montag. Die meisten Geschäfte sind leer, Parkhäuser, vor denen sich sonst Schlangen bilden, höchstens zu einem Viertel gefüllt. Nur wenige Autos haben Schweizer Kontrollschilder. Eines davon ist das von Robert Mayer. Das Fahrzeug aus dem Aargau sei ein Firmenwagen, sagt er.
«Alles ganz entspannt»
Die Einreise am Vormittag nach Deutschland sei unproblematisch gewesen. Er sei über den Autobahnzoll eingereist und dort das einzige Auto gewesen. Er habe seinen Ausweis gezeigt und erklärt, er sei beruflich unterwegs. «Es war alles ganz entspannt.»
Paul Hug dagegen musste unverrichteter Dinge wieder umkehren. Er wohnt in Kreuzlingen und kommt regelmässig nach Konstanz. Nun spazierte er am See entlang, um auf der deutschen Seite bei Aldi einzukaufen. In der Schweiz sei es teurer und die Regale seien leer.
Gähnende Leere im «Lago»
Die Grenze habe er noch ungehindert passieren können. Doch wenige hundert Meter dahinter, auf dem Weg zum Shoppingcenter «Lago», stehen deutsche Zollbeamte und kontrollieren jeden, der aus der Schweiz kommt. Hier musste Hug umdrehen und wieder nach Hause.
Genauso erging es auch einem Ehepaar, das ein vorbestelltes Buch in einer Buchhandlung abholen wollte. Im «Lago» selbst herrscht gähnende Leere. Eine Verkäuferin in einem kleinen Wäschegeschäft antwortet auf die Frage nach Schweizer Kundschaft: «Wir hatten heute überhaupt noch keine Kundschaft.»
Letzte Chance vor 8 Uhr genutzt
Anders dagegen im Lebensmittelhandel. Hier hätten die Schweizer noch einmal die Chance genutzt und seien schon vor 8 Uhr zum Einkaufen gekommen, sagt Jürgen Norbert Baur von Edeka Baur. Seine Geschäfte machen 25 bis 30 Prozent Umsatz mit Schweizer Kunden, wie er sagt. Einen möglichen Umsatzrückgang sieht er trotzdem gelassen.
Wer mit dem Zug nach Konstanz reist, hat jetzt viel Platz. Es habe auch keine Kontrollen gegeben, erzählt eine vierköpfige Familie, die morgens von einer Dienstreise nach Afrika zurückgekommen ist. Am Zürcher Flughafen sei das gebuchte Taxi nicht gefahren. Deshalb hätten sie jetzt mit diversen Koffern, Kinderwagen und zwei Kleinkindern den Zug nehmen müssen.
Schliesslich verkehrt auch noch ein kleiner roter Stadtbus zwischen Konstanz und Kreuzlingen. Er hält bei der Einreise nach Deutschland an, öffnet die Türen und ein Zöllner steigt ein. Jeder der wenigen Passagiere wird nach dem Grund seiner Fahrt gefragt. Können die Betroffenen keine triftigen Gründe angeben, heisst es aussteigen und den nächsten Bus zurück zu nehmen.
Nicht jeder Grund ist ein triftiger
Doch was sind triftige Gründe für die Einreise nach Deutschland? Das fragen sich viele Betroffene. So etwa eine Frau, die im schweizerischen Tägerwilen wohnt und eine pflegebedürftige Mutter in Konstanz hat. Sie überlegt, sich ein ärztliches Attest ausstellen zu lassen, damit sie ihre Mutter regelmässig besuchen kann.
Ihre Sorgen sind allerdings unbegründet, wie Christian Werle, Mediensprecher der Bundespolizei Konstanz, gegenüber der Nachrichtenagentur Keystone-SDA sagte. Als triftige Gründe gelten dringende Familienbetreuung, humanitäre und medizinische Angelegenheiten. Auch Angehörige systemkritischer Berufe dürften uneingeschränkt passieren.
Auf der Website der Bundespolizei sind auch ausdrücklich Berufspendler genannt. Ebenso sei der Warenverkehr nicht betroffen. Die Mitarbeitenden von Zoll und Bundespolizei fragen jedoch genau nach. Nicht jeder Zahnarzttermin sei ein triftiger Grund sagt Werle. Wer nur aus kosmetischen Gründen, beispielsweise zum Bleaching wolle, könne den Termin nicht wahrnehmen.
Es gebe viele Anfragen und viel Unsicherheit. Die Vorgaben für die Kontrollen werden laufend angepasst und für Betroffene wurde ein Bürgertelefon eingerichtet. Beim Versuch, dort anzurufen, war allerdings besetzt.
Die Menschen in Konstanz und Kreuzlingen haben zwar Verständnis für die Situation, aber einfach ist es nicht. Eine Frau bringt es gegenüber dem «Südkurier» auf den Punkt: «Es fühlt sich fast so an, als würde jemand ein Zimmer von unserer Wohnung abtrennen.»
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