Hochwasser in Luzern
15.07.2021
Obwohl die Luzerner Regierung von Katastrophen-Tourismus abrät, sind die Schutzkonstruktionen gegen das Hochwasser eine Attraktion für die Passanten. Auch Guy Parmelin liess sich einen Besuch vor Ort nicht entgehen.
Sandsäcke sind in der Stadt Luzern omnipräsent, Schläuche führen aus Türen in die Reuss. Die Kappellbrücke ist an diesem Donnerstag nur Attraktion zweiten Ranges. Die Fotoapparate sind vielmehr auf die durch orange Beaver-Schläuche und Absperrgitter gesperrten Strassen gerichtet, eine Frau macht ein Foto von der Fahrplan-Tafel am Schiffshafen: Heute fährt kein Schiff mehr.
Sie sei extra nach Luzern gekommen, um sich die Ausmasse des Unwetters anzuschauen. «Man hat es ja überall gelesen und gehört», sagt sie. Von der Aufforderung der Regierung, Katastrophentourismus zu unterlassen, habe sie nichts gehört. Sie sei bereits im Jahr 2005 vor Ort gewesen und fände es nun interessant, sich wieder die Brüggli anzuschauen.
Von diesen improvisierte Brücken aus Metall oder Holz gibt es viele zu besteigen. Sie ermöglichen es den Passanten, die Beaver-Schläuche zu überwinden, führen aber auch mal über Sandsack-Berge in einen Schmuckladen.
Über die Brücken, an den Sandsäcken vorbei
Sich einen Überblick vor Ort zu verschaffen, das hat sich auch Guy Parmelin für seinen Stopp in Luzern vorgenommen. Diesen grossen Besuch lässt sich auch der Regen nicht entgehen. Kaum erreicht der Bundespräsident Luzern, fängt es wieder an zu sträzen. Angereist ist er von Biel, wo die Hochwassersituation ebenfalls prekär ist.
In wetterfester Kleidung und mit einem Kommunikationsbeauftragten im Rücken, der auch als Schirmhalter dient, lässt sich Parmelin von Vertretern der Regierung und der Feuerwehr durch Luzern zu den neuralgischen Standorten führen. Während er sich anschaut, wie Feuerwehrmänner Sandsäcke türmen, tummeln sich die Medienschaffenden in Regenjacken und Gummistiefel um die Gruppe.
Als die Traube eine der Brücken überquert, der das Wasser fast bis oben steht, geht ein Raunen auch durch die Passanten. Während sich die ausländischen Touristen über den grossen Rummel um den Mann in blauer Jacke wundern, erkennen andere Parmelin trotz ungewohnter Montur und grüssen.
2005 ist nach wie vor präsent
Guy Parmelin und das Luzerner Empfangskomitee lassen sich aber nicht ablenken. Thema ist ganz allein der Kampf gegen die Wassermassen. Nur noch wenige Zentimeter fehlen, bis der Vierwaldstättersee in der Stadt über die Ufer tritt. Dabei ist auch immer wieder von den Lehren die Rede, die man aus dem Jahrhundertereignis 2005 gezogen hat.
«Die Investitionen, die man seither getätigt hat, haben sich gelohnt», sagt Regierungsrat und Baudirektor Fabian Peter so etwa zu Parmelin. Diese Meinung teilt auch der Bundesrat: «Prävention ist ein gutes Mittel, und das billigste».
Parmelins erstes Fazit nach der Tour durch Luzern ist durchgehend positiv: Es sei sichtbar, dass alles gut organisiert sei, sagt er und bedankt sich bei den Einsatzkräften für ihr professionelles Engagement.
Situation in Deutschland ist «eine Katastrophe»
Er verweist aber auch auf die Situation in Deutschland. In den Bundesländern Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen hat das Hochwasser mehrere Leute das Leben gekostet. «Eine Katastrophe» nennt es Parmelin. Das sei seine grösste Sorge: Zu verhindern, dass etwas Ähnliches auch in der Schweiz passiert.
Auch der Luzerner Regierungsrat Paul Winiker zeigt sich erleichtert darüber, dass die Menschen im Kanton das Hochwasser bisher unbeschadet überstanden haben. Schäden werde es geben, die müsse man auch bezahlen. «Aber wir müssen darauf hoffen, dass die Menschen unversehrt bleiben».
Jetzt heisse es die Finger zu kreuzen, dass es in den nächsten Tagen keine heftigen Regenfälle mehr gibt. «Dann bin ich auch zuversichtlich, dass Luzern das Schlimmste überstanden hat und mit ein wenig Glück um ein Hochwasser wie im Jahr 2005 herumgekommen ist».
Auch Parmelin drückt die Daumen: «Ich hoffe, dass sich die Situation bald normalisiert», sagt er im Gespräch mit «blue News». Als er ins Auto steigt, hat der Regen sich bereits verabschiedet.