Grüne Welle geht weiter «Die GLP wird zur Königsmacherin»

Von Alex Rudolf

28.3.2022

Die Grünliberalen gewinnen an politischem Einfluss. Dank ihnen werden vielerorts Mehrheiten erst möglich.
Die Grünliberalen gewinnen an politischem Einfluss. Dank ihnen werden vielerorts Mehrheiten erst möglich.
Keystone/Melanie Duchene

Seit den nationalen Wahlen 2019 hält der Siegeszug der grünen Parteien an. Was heisst das für die Politik und die Machtverhältnisse? Ein Politologe gibt Auskunft.

Von Alex Rudolf

28.3.2022

Eine Lehre, die sich aus den Wahlen im Kanton Bern und den Zürcher Städten und auch kleineren Gemeinden ziehen lässt, ist, dass die bekannten Trends weitergeführt werden. Wer ein «Grün» im Namen hat, ist nach wie vor auf der Siegerstrasse, alle anderen – besonders die Sozialdemokraten ­– verlieren an Boden.

Konkret haben die Grünen seit den eidgenössischen Wahlen 2019 in kantonalen Parlamenten 48 Sitze dazugewonnen, während die Sozialdemokraten 45 einbüssten. Das rot-grüne Lager kann sich auf diese Weise beinahe ausbalancieren. Eine Verschiebung der Kräfte ist hingegen im bürgerlichen Lager zu beobachten. Bislang verlor die SVP 24 Mandate, die FDP gar 28 und die Mitte deren 19. Die Grünliberalen und die EVP können davon profitieren, sie legen um 45 beziehungsweise fünf Mandate zu.

Bereits bei den eidgenössischen Wahlen 2019 erzielten Grüne und Grünliberale einen Erdrutschsieg. Die Grünen gewannen 17 Sitze dazu und die Grünliberalen neun. Die SVP verlor zwölf, die SP vier und die FDP ebenfalls vier. Auch die Mitte musste Federn lassen und verzeichnete einen Verlust von zwei Sitzen.

Hielten die grünen Parteien ihre Wahlversprechen derart gut? Oder worin gründet ihr anhaltender Erfolg? Politologe Mark Balsiger findet nicht, dass sich in den Sitzverschiebungen Richtung Grün eine klimafreundlichere Politik zeigt.

Als Beispiel bringt er die kantonalen Energiegesetze ins Spiel. Diese wurden zwar vor den Wahlen 2019 erarbeitet und seien eine Fortsetzung der Energiestrategie 2050. In den grossen Kantonen Aargau und Bern scheiterten sie an der Urne.

Krieg in der Ukraine hatte kaum Einfluss auf das Ergebnis

Den langjährigen Siegeszug der grünen Parteien macht Balsiger beim Thema Nachhaltigkeit fest. «Dieses beschäftigt die Wähler*innen seit Längerem. Und das Angebot, das sie zur Lösung dieses Problems machen, stufen viele Leute als gut ein.»

Was bedeuten diese Siege für die beiden grünen Parteien? Unterschiedlicher könnten die Konsequenzen der Wahlen kaum sein, sagt Balsiger. So kompensieren die Grünen weiterhin die Verluste der SP, wodurch das linke Lager in etwa gleich stark bleibt. «Die GLP hingegen wird in einzelnen Kantonsparlamenten zur Königsmacherin, die entweder mit Links oder Rechts Mehrheiten ermöglichen kann.»

Der Krieg in der Ukraine bestimmt seit rund vier Wochen die Medien. Hatte er Einfluss auf den Wahlausgang? Balsiger sieht bislang keine Hinweise darauf. «Denn mit dem Wunsch nach einer Aufrüstung hätten die FDP und die SVP als Siegerinnen hervorgehen sollen. Dies taten sie aber nicht.»

Und die These, wonach die Grünen auch deshalb gewonnen haben, weil sie sich für eine Unabhängigkeit von russischem Gas einsetzen, sei unsicher, so Balsiger. «Ich bezweifle, dass dieses Thema beim Durchschnittswähler verfängt.» Denn es sei komplex und widersprüchlich. «Einerseits setzen sie sich für erneuerbare Energien ein, andererseits bekämpfen sie Windräder oder Stauseen.»