Nachbarschaftshelfer Die Krise zeigt erst, wie gross die Hilfsbereitschaft ist

Von Gil Bieler

19.3.2020

Suban Biixi (l.) und Monika Bosshard unterstützen hilfsbedürftige Menschen. 
Suban Biixi (l.) und Monika Bosshard unterstützen hilfsbedürftige Menschen. 
Bild: zVg

Das Coronavirus stellt alles auf den Kopf – da braucht es Alltagshelden, die uns vor dem totalen Chaos bewahren. Einige davon stellt «Bluewin» in einer Artikelserie vor. Als Erstes: freiwillige Nachbarschaftshelfer. 

«Es ist eine chaotische Zeit», sagt Suban Biixi. Jeder sei betroffen, persönliche Pläne seien über den Haufen geworfen worden.

Daran besteht in der Tat kein Zweifel mehr, seit der Bundesrat Anfang der Woche die «ausserordentliche Lage» verkündet hat. Eltern müssen die Kinderbetreuung organisieren, Senioren wurden angewiesen, möglichst daheim zu bleiben.

Suban Biixi, eine 19-Jährige aus Winterthur, wollte eigentlich reisen gehen – stattdessen blieb sie hier. Und bald kam ihr beim Diskutieren mit Freunden die Idee, eine Nachbarschaftshilfe aufzuziehen.

Ein Blick auf das Portal hilf-jetzt.ch zeigte, dass es noch kein Netzwerk für Winterthur gab. Also gründeten sie eine Nachbarschaftshilfe für ihr Quartier Veltheim. Sie brachten Aushänge aus, mit dem sie «besonders gefährdeten und/oder kranken Personen» ihre Hilfe anbieten: Einkäufe erledigen, Medikamente besorgen, Kinder betreuen – man kann sich unkompliziert via Anruf, E-Mail oder Whatsapp melden.

Enorme Hilfsbereitschaft

Seither hat sich viel getan – wenn auch anders, als man vielleicht denken würde. Rund 120 Helferinnen und Helfer haben sich bereits gemeldet, die meisten davon kannte Biixi davor nicht. «Es sind alle möglichen Leute dabei, von jung bis nicht mehr ganz so jung», so Biixi.



Die Anfragen dagegen blieben bisher weitgehend aus. Erst eine Handvoll traf ein, meist wegen Kinderbetreuung. «Vielleicht werden es ja noch mehr, falls die Vorschriften weiter verschärft werden», sagt Biixi – sie engagiert sich seit gut einem Jahr auch in der Klimastreik-Bewegung.

In einem anderen Winterthurer Stadtteil verhält sich die Sache anders: Bei ihr träfen täglich mehrere Anfragen ein, sagt Monika Bosshard. Sie hat eine Gruppe für das Quartier Gutschick-Mattenbach auf die Beine gestellt. Die meisten der Interessenten würden dank Flyern, die im Quartier verteilt worden seien, auf das Angebot aufmerksam. «Meist sind es ältere Menschen, die Hilfe bei den Einkäufen brauchen oder einfach jemanden zum Reden.»

Bosshard, die als Jugendarbeiterin tätig ist, nimmt sich gern Zeit für solche Telefonate. Oft bestehe bei Senioren grosse Unsicherheit, was sie noch dürften. «Ihre Angehörigen sagen ihnen das eine, doch die Nachbarn verhalten sich zum Beispiel ganz anders.»

ÖV und Läden meiden

In der Regel rate sie älteren Leuten, trotz allem an die frische Luft zu gehen: in den Garten, auf den Balkon, auf Spaziergänge allein oder mit dem Lebenspartner. «Doch ÖV und Läden sollten sie meiden», sagt Bosshard und verweist auf die Empfehlungen des Bundes. In solchen Fällen springt die Nachbarschaftshilfe ein.

40 Helferinnen und Helfer sind es in ihrem Quartier. Und was Bosshard besonders freut: «Sie kommen aus verschiedensten Kulturkreisen. Es ist schön zu sehen, wie die Gesellschaft jetzt zusammenwächst.»



In einem sind sich Suban Biixi und Monika Bosshard einig: Die allermeisten Leute würden noch weitermachen wie bisher. Biixi etwa ist erstaunt, wenn sie Videos von Jugendlichen sieht, die in Gruppen am Zürichsee abhängen. «Dabei denke ich, die Ansage des Bundes war klar.»

Tatsächlich ist allein die Tatsache, dass seit Montagnacht alle nicht dringend notwendigen Geschäfte geschlossen sind, ein untrügliches Zeichen: Es herrscht Notlage. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) rät Personen über 65 sowie solchen mit einer Vorerkrankung daher, daheim zu bleiben, den ÖV zu meiden und Einkäufe durch Freunde oder Nachbarn erledigen zu lassen. 

Doch wenn die vergangenen Tage eines gezeigt haben, dann, dass sich derzeit vieles von einem Tag auf den anderen ändern kann. Und sollten sich die Anfragen doch noch häufen: An Helferinnen und Helfern mangelt es nicht.

Die Coronavirus-Krise bringt auch Alltagshelden hervor, die die Gesellschaft am Laufen halten. In loser Folge stellt «Bluewin» einige davon vor. 

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