Alle gegen alle Die Pandemie wird für die SVP zur Zerreissprobe

Von Alex Rudolf

26.8.2021

Parteipräsident Marco Chiesa spricht bei der Delegiertenversammlung von vergangenem Wochenende in Granges-Paccot FR zur SVP-Basis.
Parteipräsident Marco Chiesa spricht bei der Delegiertenversammlung von vergangenem Wochenende in Granges-Paccot FR zur SVP-Basis.
KEYSTONE/Jean-Christophe Bott)

Für die SVP ist die Covid-Abstimmung vom November eine Zerreissprobe. Dann nämlich werden Regierungsmitglieder gegen ihre eigene Basis kämpfen – ein Showdown zeichnet sich ab.

Von Alex Rudolf

26.8.2021

Die beiden SVP-Bundesräte Guy Parmelin und Ueli Maurer sollen sich in der Bundesratssitzung von Mittwoch gegen die vorgeschlagenen Covid-Verschärfungen ausgesprochen haben. Dies berichtet der «Tages-Anzeiger». So war ihnen die in Aussicht gestellte Ausweitung der Covid-Zertifikat-Pflicht ein zu grosses Risiko.

Laut gut unterrichteten Quellen vermuten die Magistrate, dass die Einbussen in der Gastronomie zu hoch seien, wenn nur noch Geimpfte oder Genesene in die Restaurants essen gehen dürfen. Den Gesamtbundesrat vermochten sie mit diesem Argument jedoch nicht zu überzeugen.

Kann die SVP das Schweizer Stimmvolk von einem Nein zum Covid-Gesetz überzeugen, das im November an die Urne kommt? An der Delegiertenversammlung von vergangenem Samstag zeigte sich, dass die Basis das Referendum gegen das Covid-Gesetz breit unterstützt. Ebenso breit fällt aber die Kritik am Referendum von namhaften Partei-Exponent*innen aus. Die folgenden vier Faktoren weisen darauf hin, dass die Pandemie für die SVP zur Zerreissprobe wird.

1. Gegenwehr von Regierungsvertretern

Wer in eine Regierung gewählt wird, ist Gemeinde-, Regierungs- oder Bundesrat aller Schweizer*innen, die Parteizugehörigkeit wird sekundär. Regelmässig kommt es dazu, dass sich Regierungsmitglieder gegen die Positionen ihrer eigenen Partei aussprechen.

Hin und wieder kommt es auch zu einem öffentlichen Schlagabtausch und wie im Fall des Zürcher Sicherheitsvorstehers Mario Fehr gar zu einem Parteiaustritt. Doch bei den SVP-Vorstehenden der Gesundheitsdirektion fällt dieser Graben aktuell besonders gross aus.

Der Aargauer Gesundheitsvorsteher Jean-Pierre Galatti etwa verlangte in einem Interview mit der «Aargauer Zeitung» bereits vor rund zwei Wochen, dass das Covid-Zertifikat ausgeweitet werden solle. Dafür bekam er viel Schelte von den Parteikolleg*innen. Doch auch Unterstützer: Die Gesundheitsdirektoren Michèle Blöchliger  (Nidwalden) und Christian Arnold (Uri) kritisierten beispielsweise die Ablehnung zum Covid-Gesetz ebenso wie die Zürcher Gesundheitsvorsteherin Natalie Rickli und ihr Berner Kollege Pierre Alain Schnegg.

2. Hass von Corona-Skeptikern

Roger Köppel gilt als einer der einflussreichsten SVP-Politiker der Schweiz. Als Nationalrat und Chefredaktor der «Weltwoche» erreicht er Tausende von Menschen. Wegen seines Videos von dieser Woche, in dem er erklärt, warum er sich einer Covid-Impfung unterzogen hat, büsst er an Glaubwürdigkeit ein. 

Zuvor äusserte er sich skeptisch über die Massnahmen des Bundes und bezeichnete die Impfungen etwa als «Hysterie». Diesen Zickzack-Kurs erzürnt Impfunwillige und Corona-Skeptiker.

3. Angriffe und Buhrufe aus dem Volk

Das Bad in der Menge wurde für die Zürcher Gesundheitsdirektorin Natalie Rickli zu einem Schock-Moment. Bei der Einweihung des Impfbusses in Gossau übergoss sie ein Mann mit einer Flüssigkeit, die sich später als Apfelschorle herausstellte. Eigentlich hätte sie mit der Aktion die Impfmüdigkeit der Zürcher Bevölkerung bekämpfen wollen, doch im Rahmen ihrer Ansprache wurde sie von demonstrierenden Massnahmengegnern ausgebuht.

Solche Anfeindungen aus der Bevölkerung gegen Amtsträger*innen sind sehr unüblich. Rickli reichte später Anzeige gegen den Mann ein. Trägt auch die SVP eine Schuld an dem Angriff? Immerhin werden die von Rickli umgesetzten Massnahmen konstant von Parteigrössen kritisiert.

4. Eindeutige Signale von der Basis

Nicht nur lehnt die Delegiertenversammlung der SVP die Massnahmen des Bundes ab, sie tat dies sehr eindeutig. Lediglich 23 Ja-Stimmen stellten sich den 181 Nein-Stimmen entgegen. Damit kämpft die SVP an der Seite der «Freunde der Verfassung» und der JSVP gegen die Corona-Massnahmen des Bundes – keine andere Partei wird sich wohl für dieses Referendum aussprechen.

Die beiden Initiativen, über die das Volk noch Ende September befindet, geraten damit in den Hintergrund. Im November kommt es dagegen zu einem heissen Abstimmungskampf, in dem SVP-Regierungsvertreter gegen ihre eigene Jungpartei antreten.